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Kapitel 3

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Ich knalle meine Jacke und Handtasche auf die Werkbank. Dann lasse ich mich auf das plüschige Oma-Sofa fallen, das in der Pausenecke unserer Werkstatt steht. Ich ziehe meine Beine an und lege den Kopf auf eine der wulstigen Seitenlehnen. Mareike nimmt die Schutzbrille ab und fragt: »Wer oder was ist dir denn über die Leber gelaufen?«

Mareike stellt Gartenmöbel aus altem Bauholz her. Seit ein mehrseitiger Beitrag in einer Frauenzeitschrift über sie und ihre stylishen Lounge-Möbel erschienen ist, kommt sie kaum noch hinterher mit ihrer Ein-Frau-Produktion. Wir sind schon seit der Schulzeit miteinander befreundet und teilen uns außerdem meine Werkstatt.

»Hab gerade meinen Intimfeind getroffen«, seufze ich.

Mareike macht ein fragendes Gesicht. »Ich dachte, du wolltest dir bloß eine Jeans kaufen.«

»Das ist es ja«, maule ich und greife nach der Wolldecke. »Da tauchte er plötzlich auf, in einem bodentiefen Spiegel.«

Ihre Augen weiten sich. »Meinst du Micha? Ist dir dein Ex über den Weg gelaufen?«

»Quatsch! Meinen dicken Hintern meine ich!«

Mareike kreischt laut auf, dann schütteln wir uns vor Lachen.

»Das ist nicht witzig! Der passt nicht mehr in die Zweiundvierziger, und ab zweiundvierzig ist definitiv Schluss mit Jeans, verstehst du? Das meine ich todernst.«

»Ach komm, du hast doch ’ne super Figur. Ich wäre froh, wenn ich so eine Wespentaille hätte, inklusive deiner Oberweite und dem gebärfreudigen Becken.«

»Gebärfreudiges Becken, hab ich richtig gehört?!«, schnaube ich. »Suchst du Streit, oder was?«

Ich schiebe die Decke weg, richte mich auf und schicke meiner Freundin den bösen Blick. Doch Mareike kneift sofort die Augen zusammen, bildet ein Kreuz aus beiden Zeigefingern und blockt den Todesstrahl ab. Dann lässt sie die Schultern fallen und macht ein bekümmertes Gesicht.

»Schau mich an: Kleiner Arsch, kleiner Busen. Willst du das?«

Eine Frage, die eine gute Freundin ignorieren sollte.

»Ich muss abnehmen, und zwar nicht hier, sondern da«, quengele ich, um beim Thema zu bleiben, während ich meinen Busen loslasse und mir an die Pobacken greife.

»Aber die Proportionen stimmen doch, Süße«, versucht Mareike mich zu beschwichtigen, obwohl sie weiß, dass es nicht viel Sinn hat.

»Solange das hier nicht ohne Gewaltanwendung in eine zweiundvierziger Jeans passt, stimmt bei mir gar nichts!« Ich fasse mir an die kleine Rolle Bauchspeck, die sich über meinem Gürtel gebildet hat, und schreie: »Und das hier muss auch weg!«

»Und was bedeutet das konkret?«

»Alarmstufe Rot: keine Butter, keine Brownies, kein Bier und erst recht keine C-Wurst vom Wochenmarkt.«

Ich schiebe mir einen Streifen zuckerfreies Kaugummi in den Mund. Das hilft gegen den Hunger, manchmal jedenfalls. Mareike mag kein Kaugummi. Sie sagt, ihr wird schlecht von dem vielen Speichel, den man beim Kauen runterschluckt.

»Apropos, hast du schon was zu Mittag gegessen?«, fragt sie nun prompt und zieht sich die Arbeitshandschuhe aus.

»Nee, hab ja versucht, zu shoppen.«

»Kommst du mit auf den Markt? Ich lad dich auf ’ne Abschiedswurst ein.«

Jetzt rolle ich mit den Augen: »Okay, überredet. Aber um den Bio-Bäcker machen wir einen großen Bogen, versprochen?«

»Versprochen«, sagt Mareike, zieht den Overall aus und greift nach ihrer Brieftasche.

»Wo ist eigentlich Luna?«, will ich wissen, nachdem mir klar geworden ist, dass mich gar kein Hund begrüßt hat.

»Die Müller-Rath war vorhin mit Willy hier und hat gefragt, ob sie Luna mit auf Gassirunde nehmen soll. Die sind vor drei Uhr bestimmt nicht wieder zurück.«

»Ist der Willy denn wieder fit?«

»Scheint so. Er hat Luna jedenfalls stürmisch begrüßt und dabei nicht mal gehumpelt.«

»Ich mache heute ein bisschen früher Feierabend. Waldheim hat mich mal wieder zum Essen eingeladen.«

»Und wo soll es hingehen?«, fragt Mareike und stellt die beiden Schälchen mit der Currywurst auf dem runden Stehtisch ab. Hm, das duftet echt lecker. Ich nehme das Kaugummi raus und klebe es an den Rand der Pappe.

»Ins Landhaus Scherrer.«

»Ins Scherrer?! Oh, là, là!« Mareike hält mir einen Holzspieß und eine Papierserviette hin.

»Das ist es ja. Ich hab so ein komisches Gefühl.«

»Aber ist doch nicht das erste Mal, dass er dich einlädt«, stellt Mareike fest und piekt ein Stück auf. »Hm, lecker«, murmelt sie, während sie die Wurst langsam durch die Currysoße zieht.

»Stimmt. Aber er hatte so einen seltsamen Gesichtsausdruck, als er mich gestern ansprach.«

Mareike saugt Luft ein, während sie mit offenem Mund kaut. »Er profitiert seit Jahren von deiner Fachkenntnis, ist doch klar, dass er den Kontakt pflegt.«

Ich deute mit meinem Holzspieß auf meine Freundin und spreche einen beunruhigenden Verdacht aus: »Und wenn er in den Ruhestand geht?«

»Ach so. Hm, das wäre natürlich möglich. Wie alt ist er denn?«

»Weiß nicht so genau. Anfang sechzig? Was schätzt du?«

»Schwer zu sagen. Ich denke, der hat sich ganz gut gehalten. Geht wahrscheinlich täglich ins Fitness-Studio und joggt abends um die Alster. Vielleicht ist er auch schon Mitte sechzig? Auf jeden Fall alt genug, um sich zur Ruhe zu setzen«, findet Mareike und beugt sich über das Pappschälchen, um ein weiteres Stück Currywurst in ihren Mund zu befördern.

»Verdammt, das fehlte noch. Weißt du, was das heißen würde?«

Mareike zuckt mit den Schultern, während sie kaut. Ihr Schälchen ist schon fast leer.

»Wenn Waldheim aufhört, brechen drei Viertel meiner Umsätze weg. Dann kann ich einpacken, verstehst du?«

Jetzt schluckt sie und schaut mich ungläubig an.

»Ach du Scheiße«, entfährt es ihr. »Und wie soll ich die Werkstatt halten?«

»Na, du bist mir vielleicht ein Schätzchen«, maule ich. »Ich geh gerade pleite und woran denkst du? An die blöde Werkstattmiete.«

»Sorry«, sagt Mareike und fasst mir kurz an die Schulter. »Darf ich noch ein kleines Stückchen Wurst von dir klauen?«

Die Frau ist wirklich unglaublich. Ich weiß gar nicht, wie ich das mit der aushalte. Aber das Schlimmste ist: Sie kann futtern, so viel sie will, und nimmt kein Gramm zu. Ich hingegen … Grrrrr!!! Ich schiebe ihr mein bestenfalls halb geleertes Schälchen rüber und sage: »Wohl bekommt’s.«

»Hab ich mir doch gedacht, dass ich euch hier treffe!«, ruft die Müller-Rath schon von Weitem, während sie von zwei Hunden in unsere Richtung gezerrt wird. Willy ist tatsächlich nichts mehr anzumerken, dabei hat er letzte Woche noch ganz doll gehumpelt. Die beiden Hunde fiepen und wedeln zur Begrüßung, als hätten wir uns Monate nicht gesehen. Frau Müller-Rath wohnt ganz in der Nähe unserer Werkstatt. Sie hat früher mal bei der Stadt gearbeitet, als Gärtnerin. Vor ein paar Jahren ist ihr Mann gestorben, an Alkohol, sagt sie. Kurz darauf ist Willy in ihr Leben getreten, ein Schnauzermischling aus dem Tierheim Süderstraße.

»Vielen Dank, dass sie die Luna mitgenommen haben«, sage ich und nehme die Leine entgegen.

»Gern geschehen«, sagt Frau Müller-Rath. »Sie wissen doch, der Willy ist ganz verrückt nach Luna, der zieht mich regelrecht in die Kanalstraße rein, wenn wir den Hofweg entlang kommen, weil er unbedingt seine süße Luna abholen will.«

Dabei ist der Kerl kastriert, denke ich und lange über den Stehtisch. Ich kann gerade noch die letzten beiden Stückchen retten, lutsche die Currysoße davon ab und halte sie Luna und Willy hin. Mareike stöhnt genervt, während sie dabei zuschauen muss, wie die Hunde brav Sitz machen und ihre letzten beiden Happen verschlingen.

Der Beste kommt zum Schluss

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