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Kapitel 10

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Regen.

Die schönste Stadt der Welt hat eigentlich nur einen winzigen Haken. Hier kann es einem passieren, dass es im Juli (!) drei Wochen am Stück (!!) regnet. Luna und ich gehen natürlich trotzdem jeden Morgen an die Alster, in der vagen Hoffnung, Robin ganz zufällig über den Weg zu laufen und ganz unverbindlich ein neues Date mit ihm zu verabreden. Doch Robin scheint nicht blöd zu sein, er fährt bei dem Sauwetter einfach mit dem Bus zum Dammtor. Ich hingegen habe mir eine Erkältung geholt.

Vor ein paar Tagen ist das Wetter endlich besser geworden, nicht aber mein blöder Schnupfen – prompt taucht Robin wieder an der Alster auf. Ausgerechnet am schlimmsten Tag. Hab heute Nacht nämlich kein Auge zugekriegt, weil Nase dicht und Kopfschmerzen. Irgendwann muss ich es doch geschafft haben, mit offenem Mund einzuschlafen, denn heute Morgen erwachte ich in einem Sabberfleck von der Größe Frankreichs. Ich fühle mich wie etwas, das der Hund von draußen mit reingebracht hat, und bin auch nur raus, weil die Müller-Rath keine Zeit hat und ich wenigstens kurz mit Luna vor die Tür muss.

»Hallo, ihr zwei!«, ruft der Mann mit dem Rucksack.

Gut, dass meine Sonnenbrille drei Viertel des Gesichts abdeckt. Ich winke stumm zurück, um ihm meine verrotzte Stimme zu ersparen.

»Was haltet ihr von einer kleinen Segeltour auf der Alster?«, will Robin jetzt wissen, während er Luna durchkrault. Ich nicke zur Antwort und versuche ein Lächeln. Verdammt, meine aufgesprungenen Lippen tun weh.

»Klasse! Wie wäre es nächstes Wochenende, vielleicht am Sonntagnachmittag?“

Tief unter einer dicken Schicht von Schleim und Medikamenten freut sich etwas in mir. Hoffentlich bin ich bis dahin wieder fit, denke ich. Immerhin sind es noch … Moment – heute ist Dienstag, also eins, zwei, drei – äh … fünf Tage. Robin scheint es zum Glück eilig zu haben.

»Dann treffen wir uns um 15 Uhr an Bodos Bootssteg, okay?«, ruft er, während ich stumpf vor mich hin nicke wie ein geistloser Wackeldackel. Schon ist er wieder verschwunden.

Zwei Tage später bin ich fast wieder gesund. Ist schon ein kleines Wunder, was die Psyche ausmacht. Klarer Fall, gut drauf sein steigert die Abwehrkräfte. Nur schade, dass es dafür keinen Schalter gibt. Denk doch mal positiv!solche Ermutigungen nützen rein gar nichts, wenn man schlecht drauf ist. Im Gegenteil, das nervt erst richtig. »Du musst unter Leute«, hatte Mareike gestöhnt, als ich mich vor ein paar Tagen in die Werkstatt geschleppt hatte, »genauer gesagt, unter einen Mann.«

Diese Perspektive ist ja nun wieder gegeben. Und meine Erkältung – wie weggeblasen. Nur meine Stimme klingt noch ein bisschen dunkel und nasal. Aber ich betrachte das mal wohlwollend als erotisches Timbre.

Ich wusste gar nicht, dass es Schwimmwesten für Hunde gibt. Luna sieht herrlich bekloppt darin aus. Das liegt vor allem an dem überdimensionalen Griff, an dem wir sie im Notfall aus der Alster ziehen können. Innerhalb weniger Minuten werde ich als „Vorschoter“ angelernt, was bedeutet, dass ich das vordere Segel zu bedienen habe. Mein Job ist es, die dazugehörige Leine (den Tampen) straff zu halten, damit das „Tuch“ nicht im Wind flattert. In den nächsten beiden Stunden lernen Luna und ich im Prinzip alles, was man für eine Weltumsegelung braucht. Zum Beispiel auch, was „Krängung“ bedeutet. Das ist nämlich die Schlagseite, in die unser Boot unvermittelt gelangt, wenn der Wind in die Segel bläst. Wir müssen uns dann schnell auf der gegenüberliegenden Seite aus dem Boot lehnen, damit das Ganze nicht umkippt, was die Notwendigkeit der Schwimmwesten erklärt. Robin sitzt am Steuer und bedient das Großsegel. Hamburg von der Alster aus zu betrachten, ist eine ganz neue Erfahrung für mich. Im Winter, ich glaube vor zwei Jahren, da war sie mal zugefroren und ich bin mit Micha hier Schlittschuh gelaufen. Das war auch ziemlich klasse, aber im Boot finde ich es noch schöner. Ständig ändert sich die Perspektive, zumal wir in der Jolle ganz schön flink unterwegs sind. Das Beste ist: Man kann sogar gegen den Wind segeln! Ja wirklich! Das nennt sich „Kreuzen“ und bedeutet, dass man im Zickzackkurs gegen den Luftstrom ansegelt. Das ist zwar ziemlich umständlich, führt aber irgendwann zum Ziel. In unserem Fall ist das Bodos Bootssteg, den wir am Ende tatsächlich wieder erreichen. Kurz zuvor wäre ich fast noch baden gegangen. Beim Versuch, mit meinem Handy ein Foto von Robin und Luna zu schießen, bin ich ausgerutscht und fast über Bord gefallen. Zum Glück hat Robin sofort das Ruder herumgerissen, und so bin ich statt in die Alster zurück ins Boot gekippt. Das Bild zeigt einen wunderbar blauen Himmel mit verwackelten Schönwetterwolken; ich habe es aufgehoben.

Beim anschließenden Picknick passiert es: Robin küsst mich, also so richtig, meine ich. Nachdem wir die Jolle vertäut haben (mit einem „Palstek“ – das ist so ein spezieller Knoten, der … äh, was weiß ich …), holt Robin einen großen Korb und eine Decke, die er offensichtlich zuvor bei Bodo deponiert hat. Dann sind wir los und haben uns auf der großen Wiese, die an den Alsterrundweg grenzt, ein schönes Plätzchen gesucht. Ich habe die Decke getragen und auf der sitzen wir jetzt.

»Hmm, lecker«, sage ich und beiße in ein Gurke-Tomate-Mozzarella-Sandwich, das Robin mir rübergereicht hat. Außerdem gibt es Rotwein aus echten Gläsern, Stoffservietten und eine rot-weiß karierte Tischdecke. Er hat sogar an ein Leckerli für Luna gedacht. Robin öffnet eine Plastikbox und es kommen Käsehäppchen und Weintrauben zum Vorschein – unglaublich! Mein Gastgeber scheint ziemlich gut organisiert zu sein. Und dann diese Liebe zum Detail! Gerade habe ich die Erfrischungstücher entdeckt. Robin lächelt mich an.

»Beeindruckt?«

»Das kannst du laut sagen«, bringe ich zwischen zwei Bissen heraus. Ich registriere ein verdächtiges Grinsen.

»Um ehrlich zu sein, ich bin auch ganz begeistert. Das ist nämlich so ein neuer Service: www.picknick-hamburg.de! Man kann sich das alles auf deren Webseite zusammenstellen und bekommt es am nächsten Tag geliefert, inklusive Stoffservietten, Tischdecke und Geschirr. Am nächsten Tag wird alles wieder abgeholt. Sehr praktisch, oder?«

Ich bin mir nicht ganz sicher, wie ich das finden soll. Irgendwie hatte ich mich kurzzeitig mit Gedanken angefreundet, mir einen Hausmann und Hobbykoch zu angeln. Immerhin weiß er sich zu helfen, denke ich, und seine Ehrlichkeit stimmt mich versöhnlich.

»Ja, wirklich praktisch und sehr lecker.«

»Ich hoffe, du bist nicht enttäuscht«, sagt Robin, nachdem er meine Gedanken gelesen hat. »Außerdem würde ich das ebenso gut hinkriegen, vielleicht sogar besser …«, tönt mein Gegenüber und steckt sich eine Weintraube in den Mund.

»Was zu beweisen wäre«, drohe ich. »Aber bei unserem nächsten Date bin ich erst mal wieder dran.«

Wenig später liegen wir nebeneinander auf der Decke und schauen in den strahlend blauen Himmel. Luna belauert eine Familie, die gerade ihr Essen geliefert bekommen hat. Der Pizzabote ist auf einem Moped quer über die Wiese gebrettert, hinten drauf eine große Kiste mit der Ware. Offenbar wird mein Hund gerade mit Randstücken gefüttert, aber das ist mir jetzt ganz egal. Ich schaue wieder nach oben. Von den Seiten her schiebt sich das Grün der alten Bäume ins Bild. Als sich unsere Hände berühren, zucke ich unwillkürlich zusammen. Doch dann streichele ich über seinen Handrücken und seufze zufrieden. Diesen Moment würde ich gern festhalten, denke ich, bis Robin sich über mich beugt, um mich zu küssen.

Der Beste kommt zum Schluss

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