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Kapitel 6 – Phil

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Ich wachte auf von einem markerschütternden Schrei, der aus der Richtung des Waldes kam und einer kurz darauf folgenden Welle der Macht. Sofort sah ich zu Mayla, die ebenfalls gerade neben mir aufwachte. Anscheinend war sie gestern Nacht doch noch zu mir gekommen, als sie nicht schlafen konnte. Irgendwie hatte ich schon so etwas erwartet.

„Phil! Hast du das gerade auch gespürt?“, fragte sie mich verschlafen.

„Ja. Was war das?“

„Keine Ahnung…“, murmelte sie. „Als ob eine Hexe irgendwo in der Nähe die Kontrolle verloren und einen Wutanfall bekommen hätte…“

„Mitten im Wald um…“ Ich sah kurz auf die Uhr und dann wieder skeptisch zu Mayla. „Um sechs Uhr morgens?“

„So hat es sich jedenfalls angefühlt, findest du nicht? Und außer Wald ist hier so gut wie nichts. Vielleicht wohnt ja eine Hexe in der Gegend… Es ist ja ziemlich abgelegen und wenn man Ruhe sucht, ist hier eigentlich der perfekte Ort dafür.“

„Ja, stimmt…“, gab ich meiner Cousine recht. „Es ist trotzdem merkwürdig. Welche Hexe verliert schon so früh die Kontrolle und ist dabei noch so mächtig, dass wir das bis hierhin mitbekommen?“

„Keine Ahnung… Wir finden es schon noch raus“, murmelte sie müde und gähnte, bevor sie sich wieder zurücklehnte.

„Na ja… Ich mache mir jetzt erst was zu frühstücken, willst du auch etwas?“

„Ich will einfach nur schlafen“, meinte sie halb wach und ich ging grinsend aus meinem Zimmer. Sie war schon ziemlich knuffig, wenn sie müde war.

Unten in der Küche machte ich mir erst einmal einen Kaffee und war dankbar, dass die Einrichtung von früher noch komplett hier war, Kaffeebohnen nicht so schnell schlecht wurden und wir zum Glück vor unserem Einzug dafür gesorgt hatten, dass jemand das Haus sauber machte.

Ich lehnte mich gerade an unseren Kühlschrank, als ich Geräusche von draußen hörte, sodass ich genervt die Augen verdrehte. Vermutlich war das wieder der Vampir, der gestern schon hier rumgeschlichen war. Dieses Mal würde ich ihn aber nicht einfach so entkommen lassen.

Ich sprach einen kleinen Zauber, der vorübergehend verhinderte, dass ein Vampir unser Grundstück verlassen konnte und ging dann mit meinem Kaffee in der Hand gelassen zur Haustür, die ich ohne zu zögern öffnete.

Sofort hörte ich, wie jemand bei diesem Geräusch wegrennen wollte und nur kurz darauf einen unterdrückten Aufschrei ein paar Meter neben mir. Jetzt würde ich wenigstens rausfinden können, wer uns seit unserer Ankunft beobachtete. Betont entspannt drehte ich mich zu dem Mann um, der sich gerade wieder aufrichtete.

„Du willst doch wohl noch nicht gehen?“

„Ich will eure… Gastfreundschaft ja nicht überfordern“, meinte der Mann vor mir grinsend, während er sich aufrichtete und ich ihn genauer ansehen konnte.

Schwarze Haare, blaue Augen, ein furchtbar eingebildetes Lächeln… Ich kannte diesen Mann, wenn auch nur flüchtig.

Hauptsächlich stammten meine Erinnerungen von einem Weihnachtsball vor etwa 12 Jahren, bei dem er ein ziemliches Arschloch gewesen war. Mom hatte zwar damals verhindern wollen, dass ich etwas mitbekam, aber ich erinnerte mich daran, dass er an dem Abend ziemlich aufdringlich gewesen war.

Sie hatte ihm schließlich das Genick gebrochen, auch wenn sie nicht mitbekommen hatte, dass ich das gesehen hatte. Aber meiner Meinung nach hatte er das auch verdient gehabt, er war ihr viel zu nahe gekommen, das hatte ich selbst mit meinen sieben Jahren bemerkt.

„Das tust du schon nicht, Lucian“, meinte ich ruhig und lehnte mich gelassen an die Haustür.

Sofort sah er mich fragend an. „Du kennst mich?“, fragte er verwirrt. „Woher?“

„Wir haben uns schon mal kennengelernt, so halb wenigstens“, antwortete ich geheimnisvoll, nachdem ich einen Schluck von meinem Kaffee getrunken hatte. Er hatte meines Wissens nach nie erfahren, wer ich eigentlich war und wahrscheinlich wusste er auch nicht einmal, dass ich der kleine Junge von damals war. „Wieso beobachtest du uns?“

„Ich will keinen Ärger, nur damit das klar ist. Ich wollte nur wissen, welche mysteriösen Fremden in die Villa der Johnsons gezogen sind.“

„Und einfach zu fragen war wohl keine Idee für dich, oder was? Du bist wirklich das komplette Gegenteil von Isabel“, grinste ich.

„Isabel? Woher kennst du sie, was hast du mit ihr zu tun?“, fragte er sofort. Da hatte wohl jemand eine ziemliche Schwachstelle. Merkwürdig… Vor sieben Jahren meiner Mutter die große Liebe vorspielen und jetzt plötzlich so besorgt um ihre Schwester sein? Na ja, ich wusste ja, dass er ein Arschloch war.

„Oh, nicht viel. Sie war nur nicht so unhöflich wie du und hat einfach geklingelt. Wir haben übrigens festgestellt, dass wir alle keinen Ärger wollen und wir uns deswegen gegenseitig in Ruhe lassen. Ich hoffe, das macht jetzt nicht deine Pläne zunichte?“, fragte ich gespielt locker und trank noch einen Schluck von meinem Kaffee.

„Isabel hat einen Waffenstillstand mit euch ausgehandelt?“, fragte Lucian genervt nach. Anscheinend hatte er etwas dagegen, dass er uns jetzt wohl in Ruhe lassen musste, wenn er keinen Ärger mit Isabel wollte.

„Ja. Und zumindest wir haben vor, uns auch daran zu halten und euch in Ruhe zu lassen. Hast du etwa ein Problem damit?“, fragte ich provokant und er sah mich genervt an.

„Nein, habe ich nicht. Lässt du mich jetzt endlich wieder gehen? Diese Barriere hier ist ziemlich lästig.“

Ich sah den Mann vor mir skeptisch an, löste die Barriere aber dann mit einer kleinen Handbewegung. Sie hätte eh nicht mehr lange standgehalten, es war eben nur ein kurzer Zauber.

„Ich hoffe, dass wir dich jetzt nicht mehr so schnell wiedersehen“, grinste ich ihn spöttisch an.

„Das werdet ihr nicht, glaub mir“, meinte Lucian noch kurz, bevor er die Augen verdrehte und innerhalb von ein paar Sekunden verschwunden war.

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