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III. Überblick über Grundlagen und Ausformungen kündigungsrelevanter Loyalitätsobliegenheiten 1. Hintergrund der kirchlichen Loyalitätsobliegenheiten

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Die Kirchen unterliegen unter Berücksichtigung ihrer verfassungsrechtlichen Sonderstellung bei der Ausgestaltung von kirchlichen Dienstverhältnissen geringeren Restriktionen als ein weltlicher Arbeitgeber.229 Neben den hier auszuklammernden Besonderheiten des kollektiven Arbeitsrechts230 betrifft dies insbesondere die Möglichkeiten kirchlicher Arbeitgeber, den Bestand von Arbeitsverhältnissen in besonderer Abhängigkeit von der außerdienstlichen Lebensführung des Mitarbeiters zu gestalten.

Für die Kirche stellt die Ausgestaltung eines Ethos-orientierten Anforderungsprofils für Ihre Mitarbeiter mit Blick auf den ersten Brief des heiligen Paulus an seinen Weggefährten Timotheus 4,12 eine ihrer Selbstbestimmung unterliegende, ureigene Angelegenheit dar.231 In Satz 12 heißt es in Bezug auf die Voraussetzungen für das Lehren des Wortes Gottes: „Niemand verachte dich wegen deiner Jugend; du aber sei den Gläubigen ein Vorbild im Wort, im Wandel, in der Liebe, im Glauben, in der Reinheit“. Die hiermit gemeinten Verhaltens- und Persönlichkeitsanforderungen gehen erkennbar über die rechtsgeschäftlichen Leistungspflichten im eigentlichen Sinne hinaus. Sie betreffen weder die Form noch die Güte der zu erbringenden Arbeit. Vielmehr wird der Wert der Arbeitsleistung für den kirchlichen Sendungsauftrag an der Einstellung und dem Lebenswandel der Person, die sie erbringt, gemessen. Es handelt sich dabei allerdings nicht um einklagbare Nebenpflichten i.S.v. §§ 241 Abs. 2, 242 BGB, sondern um Obliegenheiten, deren Nichtbeachtung für den Arbeitnehmer nachteilige Folgen in Form von Sanktionen zeitigen kann.232

Sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche haben die sich aus ihrem Selbstbestimmungsrecht ergebenen Freiheiten in Bezug auf die Erstellung eines Anforderungsprofils an ihre Mitarbeiter kodifiziert.233 Während die katholische Kirche bereits 1993 eine „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“234 (im Folgenden: GrOkathK) beschlossen hatte, folgte die evangelische Kirche mit einer einheitlichen „Richtlinie über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit in der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihres Diakonischen Werkes“235 (im Folgenden: EKD-RL) erst im Jahr 2005.236

Vor dem Hintergrund der EuGH-Verfahren Egenberger237 und IR238 entschloss sich die deutsche katholische Kirche im Jahr 2015 zu einer grundlegenden Novellierung ihrer GrOkathK.239 Die GrOkathK vom 27. April 2015 ist mit Wirkung vom 1. August 2015 zunächst in 23 von 27 Diözesen umgesetzt worden und gilt seit dem 1. Januar 2016 bundesweit in allen Diözesen.240 Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland reformierte knapp ein Jahr später am 9. Dezember 2016 aufgrund der Ermächtigung des Art. 9 der Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland mit Zustimmung der Kirchenkonferenz vom 8. Dezember 2016 die EKD-RL vom 1. Juli 2005.241 Die Regelung trat mit Wirkung zum 1. Januar 2017 in Kraft.242

Die Integrationsfestigkeit des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts im Rahmen der Kündigung von Arbeitsverhältnissen im Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG

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