Читать книгу Freispruch für einen Mörder - Lisa Scott - Страница 14
11
ОглавлениеBobby Bogosian drückte der Schlampe von hinten die Kehle zu und hob sie am Hals hoch. Er hielt sie in die Luft, und sie zappelte und stöhnte und ruderte mit den Beinen wie in einem dämlichen Roadrunner-Zeichentrickfilm. Es war nicht so, daß dieser Anblick Bobby Spaß gemacht hätte, das war nicht der Fall. Er kannte Typen, die bei so einem Scheiß vor Begeisterung regelrecht ausflippten, aber für ihn war es lediglich ein Job. Er war Profi. Bevor er also befürchten mußte, daß die Anwältin erstickte, schleuderte er sie quer durch den Raum, und sie krachte in den Eßtisch.
»Nein!« kreischte sie, und Bobby dachte, wie sonderbar es war, daß die Leute immer »nein« sagten. Als ob das irgend etwas änderte. Als ob er sich überreden ließe. Mit einem simplen Nein. Er setzte ihr nach.
Mit drei Sätzen durchquerte Bobby den Raum und stieß die Schlampe nach vorn auf den Tisch. Ihr Kopf schlug gegen das Glasding in der Mitte, es geriet ins Rutschen und fiel krachend auf den Marmorboden, wo es in tausend Stücke zersprang. Verdammt! Jetzt wurde Bobby sauer. Profis hinterließen keine Sauerei. Das verdammte Ding kostete womöglich tausend Riesen. Dämliches Luder.
Sie heulte auf und versuchte zu treten und wand sich wie eine Wilde, also packte er sie an den Haaren und riß sie herum. Er schnappte sie vorn an der Bluse und hämmerte ihren Kopf auf den Tisch. Einmal, noch einmal. Sie verdrehte die Augen, war aber immer noch nicht bewußtlos. Zähes Luder. Gut. Dann eben auf die andere Tour. Man mußte es nehmen, wie's kommt.
»Verdammt noch mal, was soll das?« brüllte Bobby ihr ins Gesicht. »Du hast das da kaputtgemacht, du Schlampe!«
Marta versuchte zu schreien, brachte aber keinen Laut heraus. Sie schnappte nach Luft. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Ihr platzte vor Schmerz fast der Kopf. Tränen der Angst stiegen ihr in die Augen.
»Was glaubst du eigentlich, wer du bist? Einfach Sachen zerbrechen! Unbefugt eindringen! Du bist eine Schlampe, daß du das weißt! Eine dreckige Fotze!«
Marta versuchte, Luft zu holen. Was wollte dieser Mann? Was sollte das? Er riß ihr förmlich die Haare vom Kopf.
»Was glaubst du, wer du bist, verdammt noch mal?« Wieder schlug Bobby ihren Kopf gegen den Tisch und schob sich zwischen ihre Beine. Er würde sie mit seinem Schwanz auf den Tisch nageln. Ihn der Schlampe zu spüren geben. Mal sehen, wie ihr das gefällt.
Marta spürte, wie ihre Beine gewaltsam gespreizt wurden. Ihren Rock oben auf der Hüfte. Nein. Das nicht. Sie wand sich in seinem Griff. Versuchte, ihn wegzuschieben. Verpaß ihm einen Tritt, bring ihn um. Er donnerte ihren Kopf noch fester auf den Tisch. Marta schrie vor Schmerz und Todesangst. Sie schlug um sich. Ihre Nägel krallten ins Leere.
»Soll ich Gnade vor Recht ergehen lassen?« brüllte Bobby.
Marta war von den Schlägen benommen. Ihre Kopfhaut brannte wie Feuer. Ein warmer Strom floß über ihren Hinterkopf. Blut. Ihr Blut. Ihre Angst wurde so groß, daß alles in weite Ferne rückte. Es passierte einer anderen Frau. Sie beobachtete die Gewalt, als schwebe sie darüber, und bemühte sich angestrengt, bei Verstand zu bleiben. Denk nach. Rette dich. Der Mann hatte in Steeres Haus gewartet. Der Mann mußte Steere kennen. Das Hausmädchen hatte sie in die Falle gehen lassen.
»Soll ich Gnade vor Recht ergehen lassen? Antworte mir!« Bobby geiferte vor Wut.
Das Gesicht des Mannes, das sich über Marta beugte, war rot vor Wut und Haß. Ihre Gedanken überschlugen sich. Der Mann arbeitete für Steere. Steere hatte ihn geschickt, um sie aufzuhalten. Das bedeutete, er konnte sie nicht umbringen, und er konnte sie nicht vergewaltigen. Sie mußte im Fernsehen erscheinen, wenn die Geschworenen zu einer Entscheidung gelangt waren. Marta sagte sich, daß sie gute Karten hatte, auch wenn man sie jetzt halb totprügelte. Macht war Kopfsache.
»Soll ich Gnade vor Recht ergehen lassen? Antworte, du Fotze!«
»Was wissen Sie von Gnade?« brachte Marta über die Lippen.
So was wie diese Nutte war Bobby noch nicht untergekommen! Wenn es soweit war und er sie fertigmachen mußte, könnte es passieren, daß er anfing, seine Arbeit zu lieben. Er riß ihren Kopf an den Haaren nach vorn und knallte ihn wieder nach hinten auf den Glastisch, wieder und wieder, bis sie endlich ohnmächtig wurde. Er brauchte zwei Schläge mehr gegen den Tisch, als er gedacht hatte.
Als Marta sich über das Waschbecken im Bad ihres Hotelzimmers beugte, keuchte sie unwillkürlich. Schon die kleinste Bewegung verursachte ihr Schmerzen im ganzen Körper. Bestimmt hatte sie Rippenprellungen, und ihr Rücken brachte sie um. Ihr Kopf hämmerte, und ihre Hände zitterten, als sie sich warmes Wasser ins Gesicht spritzte und über die Wangen laufen ließ. Marta lebte, aber sie war eine Gefangene. Der Gangster hockte drüben im Wohnzimmer ihrer Hotelsuite. Er hatte nicht die Absicht zu verschwinden, bevor die Geschworenen entschieden hatten.
Marta spritzte sich weiter Wasser ins Gesicht und versuchte, Klarheit in ihre Gedanken zu bringen. In der Corvette des Mannes hatte sie das Bewußtsein wiedererlangt, er hatte sie zu ihrem Hotel gebracht und auf ihr Zimmer geführt und ihr dabei ständig eine Magnum zwischen die zerschlagenen Rippen gedrückt. Wie sollte sie ihn bloß loswerden?
Marta drehte den Wasserhahn zu und tupfte ihr Gesicht ab. Als sie an ihren Hinterkopf faßte, wo sich mehrere gänseeigroße Beulen gebildet hatten, zuckte sie zusammen. Sie betastete die Schwellungen, um festzustellen, ob die Blutung aufgehört hatte, und betrachtete ihre Hand. Ihre Fingerspitzen waren blutig, ihr Schädel verschwollen und empfindlich. Alle ihre Verletzungen befanden sich so gut wie unsichtbar am Hinterkopf; der Schläger verstand sein Geschäft. Mit steifen Fingern öffnete sie das Badschränkchen und schluckte noch drei Schmerztabletten. Dabei sah sie sich in dem großen, makellos sauberen Badezimmerspiegel.
Martas Haare waren zerzaust, ihr Make-up war verschmiert. Ihre Kleider waren zerknittert, und ihr Blick war leer. Seit dem Mittagessen hatte sie nichts gegessen oder getrunken, und ihre Haut hatte eine fahle, ungesunde Blässe. Marta kannte dieses Gesicht. Sie sah aus wie ihre Mutter nach einem Saufgelage. Das war der letzte Mensch auf Erden, dem sie ähnlich sein wollte.
Dem Himmel sei Dank, daß Sie uns mitnehmen! Unser Auto hat ein Stück weiter da hinten den Geist aufgegeben. Mich und das Kind da. Ihre Mutter schiebt Marta auf den Vordersitz neben den Fahrer des blauen Kombis. Steigt nach ihr ein. Marta stutzt. Nein, das ist nicht wie sonst. Zuerst steigst du ein, nicht ich. Aber ihre Mutter ist zu betrunken, sie weiß es nicht mehr. Sie drückt auf die Verriegelung. Marta starrt auf den großen, silberfarbenen Knopf der Verriegelung, als könne sie so dafür sorgen, daß er oben bleibt. Das Knie des Fahrers stößt gegen ihres, und der Kombi fährt los.
Marta schüttelte die Bilder der Vergangenheit ab. Sie mußte schleunigst hier weg. Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. 20.30 Uhr. Die Zeit verging unerbittlich. Was konnte sie tun? Wie sollte sie ihn abschütteln? Ob es weitere Schläge hagelte? Etwas in ihr sagte, nein. Steere wollte sie paralysiert, nicht pulverisiert.
Marta entriegelte die Badezimmertür und öffnete sie leise. Sie lugte durch den Spalt und spähte durch ihr Schlafzimmer in das Wohnzimmer. Selbst auf diese Entfernung verkrampfte sich ihr Körper beim Anblick des Gangsters; ihr Körper erinnerte sich an die Schläge, auch wenn ihre Psyche sie mit aller Macht verdrängte. Er lümmelte auf dem Plüschsofa, die Füße in den schwarzen Cowboystiefeln auf der glänzenden Couchtischplatte überkreuzt. Er mußte um die einsneunzig sein, hatte eine eckige Stirn, lockige, dunkle Haare und ein derbes Gesicht. Er kratzte sich auf seinem beigen Seidenhemd die Brust und las dabei in einer Zeitschrift. Er hätte ein x-beliebiges Ekelpaket von einem Ehemann sein können, wären da nicht das lederne Schulterhalfter und die Magnum gewesen.
Marta löschte das Licht und verließ das Bad. Der Gangster hob den Blick nicht von seiner Zeitschrift, und sie ging vorsichtig zu ihrem Bett, vor dem ein Fernsehgerät stand. Eine Sondersendung lief. Der Bürgermeister hielt eine Pressekonferenz ab. Nur mit einem halben Auge nahm sie die Reporterin wahr, die ihm gerade eine Frage zurief. Marta kannte die Reporterin vom Steere-Prozeß, Alix Locke, eine schulmädchenhaft-hübsche Brünette. Alix hatte Marta hartnäckig verfolgt, weil sie unbedingt ein Exklusivinterview haben wollte, aber Marta gab grundsätzlich keine Exklusivinterviews, weil sie das Gefühl hatte, dadurch jemand anderen zum Star zu machen. Sie heuchelte Interesse an der Pressekonferenz und versuchte, sich über ihren nächsten Schritt klarzuwerden.
»Herr Bürgermeister«, sprach Alix in ein großes Mikrophon im Gang zwischen den Stuhlreihen, »eine Frage, auf die es nur ein Ja oder Nein gibt. Läßt das Budget genügend Spielraum, damit nach dem Blizzard auch die Seitenstraßen geräumt werden können?«
Falls Bürgermeister Walker verärgert war, zeigte er es nicht. Schlaksig, fit und entspannt stand er da wie der Gastgeber einer Talkshow. Wie meist trug er einen feingerippten Schlips und hatte die Hemdsärmel aufgerollt. Mit den strahlend blauen Augen, den kräftigen, dunklen Haaren und dem wählerfreundlichen Lächeln war der Bürgermeister weder ein besonders gutaussehender noch ein häßlicher Mann. Mehr Rollendarsteller denn eigene Person, verkörperte Bürgermeister Walker das Image eines hart arbeitenden, zu groß geratenen Kindes, das verrückt genug war zu versuchen, als Bürgermeister die Geschicke einer amerikanischen Großstadt zu lenken und zu wenden. »Ja«, antwortete der Bürgermeister, »im Budget ist genügend Spielraum zur Räumung der Seitenstraßen, Alix. Haben Sie meinen Etatbericht denn nicht gelesen? Er ist fast so gut wie Tom Clancy.«
Die Reporter lachten und notierten sich diesen Ausspruch. Die Presse liebte Bürgermeister Walker, der, soweit Marta das beurteilen konnte, ein As in Public Relations war. Er sprach in knappen Sätzen und grinste für jedes Foto. Er aß Cannoli aus einer italienischen Bäckerei und frische Pfirsiche an einem koreanischen Obststand; er war der erste, der sich ein Buch aus einer neuen Filiale der kostenlosen Bibliothek auslieh, und der letzte, der die Anaconda im Zoo von Philadelphia streichelte. Entscheidend war jedoch, daß der Bürgermeister das Geheimnis im Umgang mit Reportern kannte: Erleichtere ihnen die Arbeit, damit sie schnell einen trinken gehen können.
Aber Alix Locke lächelte nicht. »Bei allem gebührenden Respekt, die Stadtbewohner, die eingeschneit sind, finden es vielleicht nicht komisch, wenn darüber der November ins Land zieht.«
Das Lächeln des Bürgermeisters verblaßte. »Die Menschen in dieser Stadt wissen, daß das keine Frage des Geldes ist. Die Frage lautet vielmehr, bringen wir die Schneepflüge durch die engen Straßen. Wie Sie wissen, gibt es in dieser historischen Stadt unzählige Straßen, die kaum eine Fahrspur breit sind. Da bleibt nicht viel Platz für einen Pflug. Was diese Straßen angeht, können wir nur unser Bestes tun.«
»Was heißt das genau, Herr Bürgermeister?«
»Das heißt, konventionelle Schneepflüge können diese Straßen nicht passieren. Sie sind zu breit. Wir brauchen schmale Pflüge, und wir sind gerade dabei, die Anschaffung solcher Pflüge in die Wege zu leiten.«
Die Reporter nickten und kritzelten. Alix Locke schürzte die Lippen und dachte über ihre nächste Frage nach. Marta beugte sich seitlich vor und betrachtete aufmerksam den Schläger. Er las immer noch seine Zeitschrift. Hundewelt? Der Mann schlug sie zu Brei, aber er war nett zu Tieren? Das sollte verstehen, wer wollte.
Im Fernsehen gab Alix Locke die Starreporterin. »Herr Bürgermeister, Sie wußten, daß sich dieses Problem stellen würde, denn letztes Jahr war es das gleiche. Die Stadt hat somit ein Jahr Zeit gehabt, diese Schneepflüge anzuschaffen. Warum wurden sie nicht bestellt und rechtzeitig geliefert?«
Marta starrte auf die Bilder auf dem Fernsehschirm, ohne sie wahrzunehmen. Wie kam sie bloß hier heraus?
Da kam ihr eine Idee.