Читать книгу Freispruch für einen Mörder - Lisa Scott - Страница 15

12

Оглавление

Mit der Fernbedienung brachte Marta die Reporterin zum Schweigen, dann ging sie voller Unbehagen in das Wohnzimmer. Der Gangster hob den Blick von seiner Zeitschrift und blinzelte leicht. Marta blieb in einiger Entfernung stehen, die Nervosität in ihrem Lächeln war nicht gespielt. Sie lehnte sich nicht weit vom Telefon an die große getäfelte Bar, um einen Halt zu haben. »Ich muß im Büro anrufen«, sagte sie. »Sie sagten, keine Anrufe. Was macht man in so einem Fall?«

»Keine Anrufe.«

»Es geht um den Steere-Prozeß. Es ist wichtig, und wenn ich mich nicht melde, werden sich meine Mitarbeiterinnen wundern. Ich habe gesagt, ich bin um 19 Uhr zurück. Ich bin ein ausgesprochen pünktlicher Mensch, und sie wissen das.«

»Alles Scheiße.«

»Wenn ich nicht auftauche, werden sie denken, mir sei bei diesem Schneesturm etwas passiert. Vielleicht alarmieren sie den Notruf.«

Der Gangster schielte über den Rand seines Hochglanzmagazins, in seinen ausdruckslosen braunen Augen zeigte sich Skepsis. »Aha?«

»Meine Mitarbeiterinnen wissen, daß ich in diesem Hotel wohne. Kann sein, daß sie herkommen, um nach mir zu sehen, vielleicht schicken sie auch jemanden. Wollen Sie erklären, wer Sie sind? Warum ich hier bin?«

»Laß den Scheiß.« Der bezahlte Schläger legte die Zeitschrift weg. »Welche Telefonnummer?« Marta gab ihm die Nummer und sah zu, wie er sie in das Telefon auf dem Beistelltischchen eingab. Der Anblick erinnerte sie stark an einen Gorilla, der auf einem Miniaturklavier spielte. »Gehen Sie an den Nebenanschluß, sprechen Sie von dort.« Er machte eine entsprechende Handbewegung. »Fassen Sie sich kurz. Ich höre mit. Kommt mir irgendwas komisch vor, ist Schluß.«

»Verstanden.« Genauso hatte Marta es sich vorgestellt. Sie nahm den Hörer vom Telefon auf der Bar. »Hallo?«

»Mary DiNunzio«, meldete sich eine Stimme.

»Haben Sie den Antrag in limine erledigt?« fragte Marta barsch.

»Äh, nein. Ich meine, ich habe angefangen, aber er ist noch nicht fertig. Ich habe aber die Artikel im Computer durchgesehen. Ich habe festgestellt, daß ...«

»Ich habe nicht gemeint, daß Sie die Arbeit an dem Antrag liegenlassen sollen!« Marta beobachtete das Gesicht des Gangsters, er schien zuzuhören. Vor ihm auf dem Couchtisch lag die zugeklappte Hundezeitschrift. Ein etwas mitgenommener Adressenaufkleber, wie bei Abonnementzeitschriften üblich, war zu sehen, und Marta schielte verstohlen nach dem Namen. BOGOSIAN. »Also was ist mit dem Antrag? Wir müssen ihn morgen einreichen!«

»Müssen wir? Tun wir das?« stammelte Mary. »Ja, also, ich habe den Entwurf soweit zusammen, aber ich habe ihn noch nicht aufgesetzt ...«

»Den Entwurf? Soll ich dem Richter etwa Ihren Entwurf in die Hand drücken? Fangen Sie sofort an. Ich möchte, daß das erledigt ist, wenn ich ins Büro komme.« Am anderen Ende der Leitung erklang ein Geräusch, das sich anhörte, als würde eine Mitarbeiterin mühsam nach Luft schnappen. Gut. Alles nach Plan. Marta legte den Hörer auf, verschränkte die Arme und starrte Bogosian finster an. »Texas, wir haben ein Problem«, sagte sie.

»Ha?« Er knallte den Hörer auf die Gabel.

Marta entschied sich dagegen, einem Primaten einen Vortrag in allgemeinverständlichem Recht zu halten, schon gar keinem, der nur Verbrechen im Kopf hatte. »Ich muß hin. Sie haben gehört, was sie gesagt hat. Sie hat alles versaut. Ich muß diesen Schriftsatz selbst aufsetzen.«

»Das kümmert mich einen Dreck.«

»Es ist außerordentlich wichtig«, log Marta. »Der Antrag muß eingereicht werden. Ich muß ins Büro.«

»Sie gehen nirgendwohin.«

»Wenn ich den Antrag nicht einreiche, übergibt man den Geschworenen Steeres Fingerabdrücke. Auf dem betreffenden Beweisstück ist die Plazierung seiner Fingerabdrücke zu sehen. Es kann ihn für immer hinter Gitter bringen, vielleicht bedeutet es sogar die Todesstrafe. Wollen Sie ihm das sagen, oder soll ich es machen?«

»Wollen Sie mich verarschen?« Ein bösartiges Flackern trat in Bogosians Augen und verursachte bei Marta eine Gänsehaut.

»Nein, ich versuche nur, die Arbeit zu tun, für die Ihr Boss mich bezahlt.«

»Ich habe keinen Boss, ich bin selbständig.«

»Schön. Dann eben Steere. Wie auch immer. Hat mit verarschen nichts zu tun.«

»Ach nein? Soll ich Steere anrufen? Wehe, ich komme dahinter, daß Sie bluffen.«

Marta lachte. »Steere sitzt in einer Zelle. Sie können ihn nicht anrufen.«

Bogosian grinste gemein und nahm, geziert den kleinen Finger ausgestreckt, den Hörer ab. »Ach nein? Warum, glauben Sie, heißen die Dinger Telefonzellen?«

Elliot Steere döste in seiner Zelle, als das Handy in seiner Brusttasche vibrierte. Beunruhigt öffnete er die Augen und drehte ruckartig den Kopf zur Zellenwand. Mit einer geschickten, verstohlenen Bewegung zog er das Handy aus der Tasche. »Du sollst nicht anrufen«, flüsterte er in das Telefon.

»Tut mir leid, aber ich spiele im Hotel den Babysitter für Ihre Anwältin. Sie will ins Büro. Behauptet, sie muß an irgendeinem Antrag arbeiten. Was soll ich machen?«

Steere schielte über seine Schulter und sah den schwarzen Aufseher, der an seinem Tisch neben der Tür saß und ein Taschenbuch las. Er gehörte zur Nachtschicht und hatte noch keine zwei Worte mit Steere gewechselt. Steeres Wachmann, Frank Devine, gehörte zur Tagschicht, und zu anderen Aufsehern hatte Steere keinen Kontakt aufgenommen. Es war riskant, sich mit zu vielen einzulassen, und Steere hatte nicht mit dem Schneesturm gerechnet; er war davon ausgegangen, keinen von der Nachtschicht zu brauchen. Noch ein Fehler. Wie ärgerlich. »Was für ein Antrag?«

»Geht irgendwie um Fingerabdrücke. Um irgend etwas ›in was‹. Hörte sich nach Fremdsprache an.«

Steere begriff, daß Bobby von dem Antrag in limine sprach. Die Erwiderung der Verteidigung mußte eingereicht werden, darüber hatten sie gesprochen. Aber warum wollte sich Marta gerade jetzt damit befassen? Warum ließ sie den Termin nicht verstreichen und brachte ihn in Schwierigkeiten? Aber so wichtig war der Antrag gar nicht, oder? Steere, argwöhnisch geworden, zögerte. »Ein Antrag, sind Sie sicher?«

»Klang, als wär's echt. Sie hat mit einer anderen Anwältin gesprochen, einem Mädchen. Am Telefon.«

Steere überlegte. Was hatte Marta vor? Er wollte es wissen. »Lassen Sie sie ins Büro, Bobby, aber begleiten Sie sie. Lassen Sie sie nicht aus den Augen. Alles klar.« Er drückte auf AUS und steckte das Handy in die Tasche. Der Wachmann, der die Bewegung in der Zelle unbewußt aus den Augenwinkeln wahrgenommen hatte, spähte herein. Drohend ragte sein finster blickendes Gesicht dicht an der kugelsicheren Scheibe auf.

»Haben Sie was gesagt?« fragte der Wachmann und klopfte mit einem dicken Fingerknöchel an die Scheibe.

»Führe nur Selbstgespräche«, antwortete Steere. Der Wachmann kehrte ihm wieder den Rücken zu, und Steere schloß die Augen und lehnte den Kopf an die harte Steinwand. Bald spürte Steere die harte, rauhe Wand nicht mehr; er war schwerelos. Die Neonlampen verbreiteten ein hartes, grelles Licht, aber bald nahm Steere es nicht mehr wahr; es herrschte pechschwarze Dunkelheit. Steere saß ganz still, völlig entspannt. Versenkte sich wieder in sein Innerstes.

Was hatte Marta vor? Es spielte keine Rolle. Selbst wenn sie nicht ins Büro wollte, um seinen Antrag aufzusetzen, hatte sie keine Chance, etwas zu unternehmen. Bogosian hatte sie unter Kontrolle. Gegen ihn kam sie nicht an; der Mann war ein Killer. Steere war überzeugt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, als er sie ins Büro gehen ließ. Sunzi hätte gesagt: Wir können erfolgreich sein, wenn wir uns vorsichtig an die Absicht des Feindes anpassen; Elliot Steere hätte gesagt: Reich Marta das Seil, damit sie sich selbst erhängt.

Steere wandte sich den Geschworenen zu. Er fragte sich, ob sie noch berieten, und war zufrieden, weil er auch in diesem Punkt für alles gesorgt hatte. Er hatte Vorsorge getroffen, daß es nicht lange dauern würde, bis sie sich auf einen Freispruch geeinigt hatten, denn Steeres Geschworener war gehorsam. Immerhin hatte Steere eine erkleckliche Summe für einen Freispruch bezahlt. Gerechtigkeit war nicht billig zu haben. Freiheit ließ sich nicht ohne weise Voraussicht erkaufen. Es war eine Sache, die über das Denken hinausging, so etwas wie eine Vision, alle großen Führer besaßen diese Gabe. Sunzi hatte gesagt:

So sucht im Krieg der siegreiche Stratege nur dann den Kampf, wenn der Sieg bereits errungen ist.

Freispruch für einen Mörder

Подняться наверх