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6.

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An dem Abend, als die ›Chanelles‹ Premiere hatten, war die Turnhalle in Lundsberg voll gewesen bis auf den letzten Platz. Die ganze Schule war wie ein Mann erschienen, um zu sehen, was diesen musikversessenen Mädels von Misba wohl eingefallen war. Alle wußten, daß in dem Wohnheim dieses Namens eine Band gegründet worden war, doch da sie aus vier Küken, wenn auch aus der Neunten, bestand, die noch kaum Brust hatten, waren die älteren Schüler nicht sonderlich interessiert. Sicher nur Kleinkinderkram.

Die Mädels hatten drüben in Lungsund einen Keller benutzen dürfen, in dem sie proben konnten, und jeden Mittwoch-, Samstag- und Sonntagnachmittag konnte man das kleine Quartett zielbewußt auf dem Filipstadsvägen lostraben sehen. Zu Beginn des Halbjahres hatten sie gewaltige Netze mit Süßigkeiten und Getränken mitgeschleppt. Gegen Ende waren sie blitzschnell mit dem Fahrrad unterwegs, ohne alles Überflüssige, nur mit diesem und jenem Handmikrofon oder einem Notizblock voller Noten. Die Premiere stand vor der Tür, am Samstag, dem vierten Mai.

Wenn sie nicht sämtlich so gut in der Schule gewesen wären, hätte der Direktor die Sache vermutlich abgeblasen, lange bevor es bis zu dem Turnhallenauftritt gekommen wäre. Doch nun lagen die Dinge nun einmal so: Keine von ihnen hatte ein Durchschnittszeugnis unter 2,0, und damit fiel es schwer, ihrem großen Enthusiasmus etwas entgegenzusetzen. Tatsache war auch, daß der Direktor selbst ein bißchen neugierig geworden war, als sie in ihren grünen Schuljacken und schmucken, schwarzen Röcken zu ihm kamen und sich leidenschaftlich für die Möglichkeit einsetzten, ›die erste richtige Schulband‹ des Internats zu werden. Es war ihm ganz einfach schwergefallen, nein zu sagen.

Am vierten Mai hatte sich der Vorhang gehoben für die ›Chanelles‹ – ein Name, der Gunvors Mutter eingefallen war und den sie ziemlich bald gegen den weniger salonfähigen ›Good Girls Do‹ ausgetauscht hatten – und einen Auftritt, den wohl kaum jemand vergessen konnte.

Mitten im zweiten Song war der Strom ausgefallen, und die ganze Turnhalle hatte im Dunkeln gelegen. Stellas Verstärker – für 250 Kronen gebraucht gekauft von einer Ehemaligen des Internats, deren großer Bruder ein Rundfunkgeschäft in Storfors besaß – war nicht geerdet und geradezu lebensgefährlich gewesen. Sobald er eingeschaltet war, teilte er kleine Stromschläge aus, und jetzt hatte er sich selbst ausgeschaltet und alles andere rundum mit. Eine Vierzigminutenpause mußte eingelegt werden, ehe die Sicherungen ausgetauscht und Stella an den Baßverstärker angeschlossen war, mit einer deutlichen Tonverschlechterung zur Folge.

Einen Song später gab Cattas Mikrofon den Geist auf, und Gunvor kriegte wegen all der Aufregung das heulende Elend. Lizzie spielte ein äußerst langatmiges Baßsolo, wobei die meisten Lehrer – die sich übrigens von Anfang an ganz hinten und auf der Galerie plaziert hatten, um schnell verschwinden zu können – die Lust verloren und nach Hause gingen. Als Catta ihr gelockertes Kabel schließlich mit Klebeband befestigt und Gunvor ihre Tränen getrocknet hatte, waren nur noch fünfzehn Minuten Spielzeit übrig. Die halbe Turnhalle war leer. Stella und Catta führten eine wütende, flüsternde Besprechung bei zugehaltenen Mikrofonen, was ein Kreischen von solchem Ausmaß zur Folge hatte, daß das Publikum vor Schmerz aufschrie. Schließlich hatten sie sich auf zwei letzte Nummern geeinigt – ›I Can’t Get No Satisfaction‹ und ganz zum Schluß ›Fever‹.

Schon als Stella auf der Gitarre loslegte, richteten sich die Schüler auf ihren Stühlen auf. Sie hatte gerade diesen Gitarrengriff lange geprobt, und er saß jetzt wie eine Stimmgabel im Rückenmark der Zuhörer. Gunvor benutzte die Trommeln, um aus der Frustration über die vielen Fehlschläge herauszukommen, wobei sie sich mehr in die Sache hineinsteigerte als je zuvor. Lizzie biß die Zähne zusammen und konzentrierte sich, um keinen Fehler zu machen und den Baß so deutlich, rhythmisch und schwer tönen zu lassen, daß sie wirklich wie eine richtige Rockband klangen. Catta heulte, was das Zeug hielt, von ihrem unbefriedigten Sexualtrieb – obwohl sie bisher nur einmal an die Brust gefaßt worden war und meinte, schon das Wort Onanie rieche nach Abschaum und Plebs mit schmutzigen Händen.

Nach dem letzten Akkord war die ganze Turnhalle in Aufregung. Lizzie zwinkerte Catta zu, die sich jetzt, wenn möglich, noch heiserer gesungen hatte (ihre Mutter pflegte stets zu scherzen, daß sie im Stimmbruch sei und nicht ihr Bruder), und Catta packte das Mikrofon auf die gleiche Weise, wie sie später eine Menge Dinge halten sollte – zwischen Daumen und Zeigefinger. Die Schirmmütze, die sie während des ganzen Konzerts getragen hatte, bekam einen Stoß und rutschte über eine Augenbraue, und dann legte sie aufs neue los.

Es wurde der in der Weltgeschichte vermutlich meist bejubelte Vortrag von ›Fever‹, den eine Jungfrau, unterstützt von drei anderen, jemals gesungen hatte. Die Schulband war eine Tatsache.

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