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10.

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Lizzie hatte vom ersten Augenblick an Zuneigung zu Gunvor gefaßt. Man fühlte sofort, daß sie ein Mädchen war, auf das man sich verlassen konnte, und außerdem hatte sie gewagt, ihre Ansichten gegenüber Stella zu behaupten. Das wollte nicht wenig heißen.

Gunvor war offensichtlich nach Lundsberg geschickt worden, weil ihre Eltern auf dem Land wohnten und das nächste Gymnasium weit entfernt lag. Stella dagegen war hierhergekommen, weil sie in ihrer Schule in Täby Probleme hatte, außerdem hieß es, ihre Mutter sei Alkoholikerin und die Eltern würden sich scheiden lassen. Cattas Eltern waren bereits geschieden, das war wohl einer der Gründe, warum sie hier war. Lizzie selbst hatte wählen dürfen, ob sie ins Internat gehen wollte oder nicht, und als sie in der Broschüre gelesen hatte, wieviel Interessantes es hier gab, hatte sie nicht gezögert, nicht eine Minute. Doch waren ihr die warnenden Worte ihres Vaters noch im Gedächtnis: »Vergiß nicht, Lizzie, dort oben gibt es eine Menge Jugendliche, deren Eltern bessergestellt sind als wir. Wir können es uns leisten, dich dorthin zu schicken, doch viel mehr kann es nicht werden. Nicht jede Menge Skiurlaube in Frankreich und Reisen in die Sonne und dergleichen; das können wir nicht bezahlen.«

Und tatsächlich spürte Lizzie diesen Stachel; ständig war sie diejenige, die nicht mitkonnte. Sie hatte den Zug nach Hause nehmen müssen, wenn die anderen nach Sankt Anton, nach Zell am See, Verbier und in andere interessante Orte fuhren. Sie hatte statt dessen Langlauftouren durch den Judarnskogen gemacht, so wie bisher, und ihre Augenlider brannten, wenn sie daran dachte, was ihr entging.

Gleichzeitig wollten ihre alten Freunde von der Grundschule nichts mehr von ihr wissen.

»Lizzie ist eingebildet geworden«, sagte man. »Sie geht jetzt auf so eine Luxusinternatsschule.«

Lizzie befand sich zwischen zwei Welten, ohne einer von ihnen richtig anzugehören.

Die Luxusinternatsschule hatte selbst ökonomische Probleme. Alle Gebäude waren heruntergewirtschaftet, und von Komfort konnte nicht die Rede sein. Man mußte an allem sparen, vom Essen bis zu Heizung und Wasser.

Das wichtigste Gericht, soweit Lizzie sich erinnern konnte, bestand aus Wurst und Schinkenstückchen, die in einer Blechschüssel, randvoll mit Fett, über weißen Bohnen schwammen, dazu gekochte Kartoffeln. Das wurde ungefähr jeden dritten Tag unter einer Auswahl verschiedener Namen serviert: Exotische Pfanne, Wurstpfanne, Schinkenauflauf, Überraschung à la Cajun, Bohnenpfanne oder Wurst- und Schinkentopf.

Genau so schlecht stand es um das Wasser. In den schlimmsten Sparperioden war warmes Wasser nur morgens zwischen 6.30 Uhr und 7.00 Uhr und abends zwischen 19.00 Uhr und 19.30 erhältlich. Das hieß, sich rechtzeitig aus dem Bett zu wälzen, damit man einen annehmbaren Platz in der Duschschlange erwischte, sonst konnte das Wasser urplötzlich alle sein, während man mit dem Kopf voller Shampoo dastand.

Dennoch konnte sich Lizzie jetzt im nachhinein nicht erinnern, daß die physischen Unbequemlichkeiten für sie irgendeine Rolle gespielt hätten. Nicht einmal das Problem mit den alten Freunden hatte ihr auf die Dauer viel ausgemacht, und was die eingebildeteren Lundsberger anbetraf, so hatte sie gelernt, sie zu ignorieren, so gut es ging. Die Hauptsache war, daß sie allmählich Freundinnen gefunden hatte, richtige Freundinnen, jede Menge davon, wie Geschwister, wie eine große Familie um sich herum.

Sie saßen nach der Schule zusammen und paukten, sie flirteten mit den Burschen aus dem Jungenheim oder spielten auf dem Sportplatz. Sie fuhren Kanu oder gingen reiten oder führten Schneeballkriege gegen die anderen Schülerheime, sie liehen sich ungehemmt Sachen voneinander, und sie stritten sich so heftig, daß sich die Heimleitung zuweilen einmischen mußte – doch früher oder später lösten sie den Konflikt immer. Sie waren ja gezwungen dazu; sie wohnten so dicht aufeinander, daß es sonst völlig unerträglich gewesen wäre.

Vor allem verstießen sie zusammen gegen Regeln.

An den Wochenenden machten sie draußen im Wald unter viel Geheimnistuerei einen drauf, und gnade Gott der, die von einem Lehrer oder älteren Schüler erwischt wurde. Im schlimmsten Fall wurde man von der Schule verwiesen, und das war ein Los, schlimmer als der Tod – wäre man doch gezwungen, sich von den Freundinnen zu trennen! Immer hieß es, bereit zu sein, um sich gegenseitig zu retten – die Heimleiterin mitten in der Nacht mit simulierten Bauchschmerzen auf der Treppe aufzuhalten, während die Zimmerkameradin ihre schwarzen Klamotten herunterriß und das Nachthemd überzog; an die Wand zu pochen, wenn eine Jungenbesuch hatte und ein Lehrer in die Nähe kam; völliges Unverständnis heucheln, wenn die Weinflasche einer von ihnen hinter dem Heizungsrohr gefunden wurde. Die Loyalität war hundertprozentig, auch unter Feinden, wenn es um Autoritäten ging. Die Schüler rangierten immer vor Eltern, Lehrer und Heimleitung.

Nie mehr danach hatte Lizzie etwas Ähnliches erlebt.

Keine fragte sie morgens mehr nach einem Paar ihrer Levis-Jeans. Keine bat sie mehr, eine Flasche Rumverschnitt zu verstecken, oder eine Schachtel Zigaretten. Und keine weinte mehr offen aus Heimweh, aus Sehnsucht nach einem Zuhause, aus Sehnsucht nach einer Mama oder einem Papa, bei denen man Schutz suchen konnte in einer Welt voller Unsicherheit, Umweltzerstörung, Krieg und Vernichtung.

Sicher war die Sehnsucht auch heute noch in jeder von ihnen vorhanden, ob sie nun Internatskinder waren oder nicht. Doch die Dinge hatten sich geändert.

Es war nicht mehr erlaubt, sie offen zu zeigen.

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