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6.

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Gunvor drängte sich zwischen die Gäste hinaus und sammelte diskret leere Teller, Flaschen und Gläser ein. Im Hintergrund sangen die Supremes gerade ihr ewiges ›Baby Love‹, und einige Paare hatten sogar zu tanzen angefangen. Gunvor wollte nicht noch mehr tun, sie wollte eigentlich nur feiern, sich amüsieren und mit dem Typen mit der Brille sprechen, der sie in der Diele so herzlich begrüßt hatte und sie von einer anderen Party her kannte, obwohl sie ihn total vergessen hatte.

Oder machte er sich nur lustig über sie?

Vielleicht hatte er das alles nur erfunden?

Egal wie, jedenfalls konnte Gunvor sich nicht von ihrem selbstauferlegten Abräumen losreißen. Muß helfen, muß helfen, ging es in ihrem Kopf herum.

Eigentlich dachte sie an Claes.

Claes, der jetzt zu Hause in ihrer kleinen Wohnung saß und fernsah. Claes, der nie auf ein Internat gekommen war, weil Gunvors Mutter zu große Angst gehabt hatte, ganz allein zu bleiben. Claes war auf dem Lande aufgewachsen und war mit allen gut befreundet gewesen, von den Dorfrockern bis zu den benachbarten Bauern, er war imstande, sich beinahe überall einzufügen. Nicht genug damit: Catta, Stella und Lizzie waren ihm bestens bekannt nach all ihren Besuchen zu Hause auf dem Hof und dem vielen Blödsinn, den sie zusammen mit Gunvor angestellt hatten. Wenn Catta gewußt hätte, daß Claes in der Stadt war, hätte sie angerufen und ihn persönlich hierher eingeladen. Doch nun wußte sie es also nicht, und Gunvor hatte nichts gesagt.

Sie hatte ihn ganz einfach nicht mitgenommen, obwohl sie es hätte tun können und sollen.

Gunvor schämte sich ihres Bruders.

Aus den Augenwinkeln sah sie, wie all die eleganten Stockholmer Typen an der Wand, an den Möbeln oder aneinander lehnten, wie sie sich gegenseitig und anderen die Zigaretten mit exklusiven goldenen Feuerzeugen anzündeten, wie sie laut lachten, miteinander anstießen und sich einen hinter die Binde gossen. Wollte Gunvor einen solchen Mann haben? Nie im Leben, sie erschreckten sie zu Tode. Sie wagte kaum, sie anzusprechen, noch viel weniger, unverfroren zum Schnapstisch zu gehen und sich dort allein hinzustellen, wie es Catta oder Stella getan hätten, und darauf zu warten, daß einer von ihnen sie bemerkte. Sie hatte Angst vor ihnen. Und vor allem verachtete sie sie, verachtete sie wegen ihrer Dummheit, ihrer Engstirnigkeit und ihres ungehemmten Snobismus.

Dennoch hatte sie nicht gewagt, ihren Bruder heute mit hierherzubringen. Sie hatte es nicht gewagt, weil sie wußte, wie er neben diesen tollen Typen gewirkt hätte: wie ein richtiger Prachtkerl vom Lande, plump, mit groben Händen und einem nicht sehr regen Sinn für Humor. Dennoch konnte er ungeheuer amüsant sein, amüsanter, als sich diese Burschen hätten träumen lassen. Und das Merkwürdigste war, daß Stella, Catta und Lizzie so vernarrt in Claes waren. Sie mochten ihn beinahe ebensogern wie Gunvor selbst.

Wie konnte sie dann so feige sein, so peinlich berührt, so kleinlich und egoistisch?

Als Gunvor den Gedanken zu Ende gedacht hatte, bekam sie vor sich selbst Angst, verachtete sich selbst. Sie eilte in die Küche hinaus, ohne sich darum zu kümmern, daß der Bursche mit der Brille offenbar direkt auf sie zusteuerte.

Wenn Claes nicht dabei sein durfte, sollte sie selbst auch keinen Spaß haben.

Doch der mit der Brille war schnell und Gunvors Tablett schwer. Er holte sie direkt an der Küchentür ein.

»Soll ich es dir abnehmen?« fragte er, und Gunvor blieb abrupt stehen.

»Warum solltest du das?« fragte sie unfreundlich.

»Es scheint schwer zu sein.«

Wie meinte er das? War das eine Anspielung auf ihr Gewicht? Oder versuchte er, freundlich zu sein?

Gunvor spürte, wie ihr vor Ungewißheit und Verlegenheit das Blut in die Wangen stieg. Warum hatte ihr keiner beigebracht, wie man diese Typen zu verstehen hatte, zu erkennen, ob sie es nun freundlich meinten oder sich nur lustig machten?

Sie ging auf Nummer Sicher, wie schon so viele Male zuvor.

»Danke, das schaffe ich allein«, sagte sie und verschwand in der Küche, um das Geschirr abzuladen.

Als sie eine halbe Stunde später wieder hinauskam, hatte jemand die Supremes-Platte zerbrochen und durch Roxy Music ersetzt.

Der Typ mit der Brille war nach Hause gegangen.

Nice Girls

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