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4.

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Gunvor stand vor ihrem Badezimmerspiegel und schminkte sich die Lippen. Hinter ihr stand ihr kleiner Bruder Claes. Na, so klein war er ja eigentlich nicht mehr, sie reichte ihm jetzt kaum noch bis zur Schulter. Er war tatsächlich schon fünfundzwanzig, so schwer es auch war, sich das vorzustellen. Rein körperlich fiel es überhaupt nicht schwer, er hatte jetzt breite Schultern und einen kräftigen Rücken, große, schwielige Hände und sprach als Krönung des Ganzen den behäbigen Dialekt Östgötlands. Kein anderer in Gunvors Familie sprach so ausgeprägt ostgotisch. Gunvor selbst hatte sich ihren Dialekt fast ganz abgewöhnt, nur wenn sie aufgeregt war, kam er wieder zum Vorschein. Dann schämte sie sich immer gleich doppelt, mit rotem Gesicht und feuchten Augen. Doch Claes, der redete einfach drauflos.

»Wann fängt die Party an?« fragte Claes. »Der Lippenstift da ist nicht so hübsch wie der andere, den du zuerst hattest.«

»Der andere paßt nicht zum Kleid, siehst du ja wohl!« sagte Gunvor verärgert. »Cocktails gibt es ab acht, aber ich wollte etwas eher dort sein und bei den letzten Handgriffen mithelfen.«

»Kann Catta überhaupt nichts allein machen? fragte Claes. »Du bist doch schon stundenlang dort gewesen, hast Brote geschmiert und weiß der Himmel was alles!«

Gunvor gab keine Antwort. Sie widmete sich lieber dem Versuch, einen perfekten Bogen auf der Oberlippe hinzukriegen. Das war schwierig.

»Jetzt hast du danebengemalt«, sagte Claes.

»Mein lieber Claes, kannst du nicht ins Zimmer gehen und dir einen Drink nehmen oder sonstwas?« erwiderte Gunvor heftig. »Es macht mich nervös, wenn du mir ständig über die Schulter guckst.«

Claes grinste, zog einen Hocker heran und setzte sich vor die Badezimmertür, ohne sie zu schließen.

»Hast du vor, bei diesem Finanzunternehmen zu bleiben?« fragte er. »Wäre es nicht Zeit, etwas anderes zu machen?«

»Und was sollte das sein?« fragte Gunvor.

»Du könntest nach Hause kommen und bei mir auf dem Hof arbeiten«, sagte Claes und grinste breit.

»Danke«, sagte Gunvor, »ich verzichte darauf.«

»Aber mal im Ernst«, sagte Claes. »Ich glaube nicht, daß dieser Job das richtige für dich ist. Dir scheint es nicht besonders zu bekommen, so gestreßt und fertig, wie du ständig wirkst.«

»Ich bin überhaupt nicht gestreßt!« sagte Gunvor.

»Was für eine Großstädterin du doch geworden bist«, erwiderte Claes und lachte vor sich hin. »Nicht gestreßt! Du tust doch nichts anderes, als den ganzen Tag wie eine Wilde durch die Gegend zu sausen.«

Jetzt klingelte Gunvors Telefon, aber sie hatte keine Zeit, den Hörer abzunehmen. Es war Stella, die dem Anrufbeantworter mit gehetzter, kichernder Stimme mitteilte, sie könne Gunvor nicht, wie verabredet, vor der Party abholen.

Es klang, als hätte sie gekifft. Gunvor seufzte tief. Außerdem, fügte Stella am Schluß hinzu, fände sie, es sei eine reizende Idee, wieder mit der Band anzufangen, aber sie könne sie leider nicht richtig ernst nehmen. Küßchen! Sie würden später weiter darüber reden.

Claes lächelte vor sich hin und sah auf seine Hände hinunter. Sicher waren sie schwielig, aber so schrecklich sah er ja wohl trotzdem nicht aus. Das hier tat ihm ein bißchen weh.

Es war nicht gut für Gunvor, hier oben in Stockholm zu wohnen. Wäre es vor fünf Jahren gewesen, so hätte sie ihn bestimmt gebeten, mit auf Cattas Party zu kommen. Jetzt hatte sie nicht einen Ton gesagt.

Sie schämte sich natürlich.

Allerdings begriff er absolut nicht, warum, denn diese Stockholmer waren weiß Gott nichts, mit dem man Staat machen konnte. Kratzte man nur ein bißchen an der Oberfläche, war nichts mehr vorzufinden.

»Ich halte es für eine gute Idee, die Band wieder aufleben zu lassen«, sagte Claes. »Ich glaube, das wäre das beste für dich. Hol die Band wieder zusammen und hör in diesem Finanzunternehmen auf. Oder du kommst einfach mit mir und Baffe mit, wenn wir im Herbst für ein halbes Jahr um die Welt reisen.«

Gunvor hörte nicht hin. Sie schob den Lippenstift wieder in die Hülse und steckte ihn in ihre Handtasche.

»Sei so lieb und ruf mir ein Taxi«, sagte sie.

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