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4.

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In derselben Sekunde, in der Gunvor nach rechts und links blickte, um die rot- und blauglitzernde Fahrbahn der Kungsgatan zu überqueren, ohne von den Fahrzeugen überrollt zu werden, zog Lizzie mühsam die schwere Eingangstür zum Fernsehgebäude auf. Lizzies heutiger Tag war mit Terminen vollgestopft: Manuskriptbesprechung, dann Abgabe des Artikels für die Illustrierte und schließlich ein Treffen mit ihrer Verlegerin im ›Franciscaner‹ in Gamla Stan.

Sie nickte dem Wachmann freundlich zu, einem netten Burschen in ihrem Alter, der immer mit einem unterdrückten Lachen über die Dusseligkeit der Menschen im allgemeinen und die der Fernsehleute im besonderen dazusitzen schien. Lizzie verstand ihn. Sie würde bestimmt ganz genauso aussehen, wenn sie gezwungen wäre, so wie er tagaus, tagein dort zu sitzen und das politische Spiel zu betrachten, das Fernseharbeit genannt wurde.

Lizzie holte tief Atem und stieg weiter die Treppe hinauf.

Unterwegs begegnete ihr einer Der großen Regisseure. Er hatte etwas Gequältes im Blick, wie es Die Großen immer hatten bei ihrer Jagd durchs Fernsehgebäude nach irgend etwas, das sie offenbar niemals finden konnten. Er war eine Sensible und begabte Seele, das hätte sie aus großer Entfernung erkennen können, auch wenn er es ihr nicht kürzlich bei einem Firmenfest eingehend erläutert hätte. Er war ein Mißverstandener. Seine Eigenart kam hier beim Fernsehen nicht zu ihrem Recht; man müßte ihn statt dessen Spielfilme machen lassen. Doch da seine Talente bisher aus unerfindlichem Grund nicht entdeckt worden waren, mußte er sich damit zufriedengeben, denen, die ihm über den Weg liefen, das Leben sauer zu machen, angefangen vom Personal in den Redaktionen bis zu den Autoren. Einschließlich Lizzie.

»Hallo«, sagte sie lächelnd.

»Hallo«, antwortete er mit leicht verwundertem, nach innen gekehrtem Blick und stürmte weiter.

Er erinnerte sich offenbar nicht, wer sie war oder daß sie sich jemals begegnet waren.

Im zweiten Stock nahm Lizzie an einem großen Konferenztisch Platz. Bald waren sie alle zur Stelle; die Redaktion, der Regisseur, der Projektleiter.

In kleine weiße Plastikbecher wurde Kaffee eingegossen.

Stücke vom Hefestreifen in der Mitte des Tisches wurden herumgereicht.

Lizzie faltete die Hände unter dem Tisch und betete zu Gott, die Besprechung möge bald anfangen und rasch zu Ende sein.

Zugleich erforschte sie sich selbst. Woher dieses Unvermögen, mehr als fünfzehn Minuten hintereinander mit anderen zusammenzuarbeiten, ohne die Geduld zu verlieren? Das mußte der ersehnte Punkt sein, wo sie anders war, anormal.

Wären die anderen Mädels besser hiermit fertig geworden?

»Möchtest du eine Scheibe?« fragte der Dramaturg den Regisseur, und ein Stück Kuchen wurde langsam an der ganzen Längsseite des Tisches weitergereicht. Der Regisseur grub betrübt die Zähne hinein. Dann spülte er den Bissen mit etwas Kaffee hinunter. Dann biß er noch einmal hinein, jetzt mit tief tragischer Miene. Und kaute. Spülte mit Kaffee nach und nahm noch einen Bissen.

Eine halbe Stunde später war die Diskussion dennoch in Gang gekommen. Lizzies Manuskript sei zwar gut, sagten die Beteiligten, aber man habe natürlich ein paar Gesichtspunkte. Wäre es nicht besser, es lieber so zu machen?

Vorschläge hagelten. Eine interne Diskussion begann zwischen Projektleiter und Regisseur. Der Dramaturg goß allen Kaffee nach. Gerade als man an einem Punkt angekommen war, der einer Lösung zu gleichen schien, mischte sich die Produktionssekretärin ein. So ginge es absolut nicht, das koste zuviel und erfordere zuviel Drehzeit außerhalb der Studios. Alle seufzten und nahmen noch Kaffee. Dann begann man erneut von vorn.

Könne man es dann nicht so machen? Jetzt diskutierten der Dramaturg und der Regisseur miteinander. Sie wollten dasselbe, stellten sie fest, doch wollten sie es auf unterschiedliche Weise ausdrücken. Völlig unterschiedliche Weise. ›Ich bin hier festangestellt‹, knurrte der Dramaturg zwischen den Zeilen seiner eigenen Gedankenstimme, ohne deshalb auch nur eine Minute mit dem Lächeln aufzuhören oder die höflichen Formulierungen zu unterlassen. ›Das interessiert mich einen Scheiß‹, fauchte der Regisseur zurück (gut versteckt hinter einer Anzahl amüsanter Anekdoten von anderen Dreharbeiten an exotischen Orten wie Island oder Jugoslawien), ›ich bin schließlich der Regisseur. Ich bin es, der Leidet und Kreativ ist! Und das bedeutet, ihr anderen könnt hier zusammenquatschen, was ihr wollt, letzten Endes wird doch gemacht, was Ich will!!!‹

Vor den Fenstern begann es leicht zu regnen.

Lizzie fummelte an ihren Nagelhäuten. Dann zeichnete sie Münder an den Rand ihres Manuskripts, danach Augen und Blumen. Hin und wieder machte sie eine Bemerkung, und alle wandten ihr höflich den Blick zu, nickten verständnisvoll, doch uninteressiert, ehe sie sich wieder ihrem eigenen, ganz privaten Kampf widmeten.

Plötzlich wurde die Tür aufgerissen, und da stand der Chef. Er war klein und schmächtig, dunkel und intensiv und ungefähr genauso voraussagbar wie das Wetter.

Alle duckten sich ein wenig.

Was wehte heute für ein Wind? Sturm? In dem Fall erwischte er alle, mit oder ohne Grund. Oder war es eine leichtere Brise, mit Sonnenschein und Liebkosungen gleichermaßen, ob man es nun verdiente oder nicht?

Alle sahen den Chef an. Unbeständige Wetterlage, wie es schien. Hinter wem war er her?

»Tag allesamt«, sagte der Chef barsch. »Wie geht es voran?«

Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte er sich an den Projektleiter. »Ich muß ein paar Worte mit dir sprechen.«

Der Projektleiter sprang auf und lief hinaus, während der Regisseur, der Dramaturg und auch Lizzie aufatmeten.

Wieder wurde Kaffee eingegossen.

Der Regisseur erzählte noch ein paar lustige Geschichten.

Die Besprechung hatte jetzt eine Stunde und fünfundzwanzig Minuten gedauert. Noch nichts war beschlossen, noch nichts war im Manuskript geändert worden. Vielleicht hatte der Regisseur seine Position gegenüber dem Dramaturgen und dem Projektleiter noch ein wenig mehr gefestigt, und die Produktionssekretärin hatte ihnen allen bewußt gemacht, daß auch sie jemand war, mit dem man rechnen mußte.

In allem übrigen, Status quo.

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