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Zweite Chance

Als ich aufwachte, spürte ich die Furcht, die sich tief in meine Glieder gelegt hatte. Irgendein Alptraum hatte mich aufgewühlt und verunsichert. Erinnern konnte ich mich jedoch nicht mehr. Dennoch blieb ein ungutes Gefühl zurück ... Ich saß leicht verschwitzt auf meinem Sitzplatz, der Flug wurde unruhiger.

Der Blick jedoch war einzigartig. Aus dem kleinen Flugzeugfenster erstreckte sich unter mir ein riesiger grüner Urwald. Die Sonnenstrahlen legten sich wie eine goldene Schicht über die dichten Bäume. Ein endloses Paradies zog sich unter mir entlang. Ich genoss diesen sagenhaften Anblick der unberührten Natur. Bald würden wir in Kinshasa landen. Die Kinder vor mir im Sitz waren bereits voller Ungeduld, sie blökten in einer mir unbekannten Sprache, die aber gleichzeitig so vertraut klang.

Knapp eine Woche sollte ich in der großen Metropole bleiben, um mit einigen Geschäftspartnern über neue Projekte zu sprechen. Der Himmel war an diesem Morgen so klar, so rein und wunderschön.

Ich wollte mich gerade noch einmal gemütlich zurücklehnen, ein paar Minuten Dösen, bevor der Rummel der Großstadt begann. Auf einmal jedoch kam es aus heiterem Himmel zu heftigen Turbulenzen, obwohl draußen das schönste Wetter war. Ein wackelndes Flugzeug war per se nichts Ungewöhnliches. Die anderen Passagiere kannten das bereits, sie blieben ruhig und gelassen. Die Kinder schrien weiter. Wir legten unsere Gurte an.

Die Turbulenzen ließen nicht nach, sie verschlimmerten sich sogar. Die Kinder vor mir brüllten nicht mehr herum, sie wurden ganz still, eines fing sogar an zu weinen. Plötzlich sackte das Flugzeug ruckartig ab. Es ging so schnell, dass selbst mich die Angst ergriff. Ich schaute zu meiner Sitznachbarin, einer junge Frau aus Spanien, die plötzlich kreidebleich wurde.

»Haben Sie keine Angst, das wird vermutlich nur ein kleines Luftloch sein«, versuchte ich zu beruhigen.

Doch ihre Hand griff hektisch nach meiner. Sie drückte fest zu und die Angst stand ihr ins Gesicht geschrieben. Auch ich spürte eine gewisse Unruhe, versuchte jedoch, meine Gefühle zu unterdrücken.

»Ich bin übrigens Bobby und komme aus New York.«

Ich hoffte, meine Sitznachbarin mit einem kleinen Gespräch beruhigen zu können. Vermutlich wünschte ich mir sogar einen Small-Talk, um mich selbst ablenken zu können.

Mit leichter und aufgeregter Stimme antwortete sie: »Freut mich ... ich bin Sofia ... komme aus Valencia.«

»Was zieht so eine attraktive junge Frau in ein so raues Land? Urlaub oder Arbeit?« Ich lächelte sie an, versuchte zu flirten und die weiterhin heftigen Turbulenzen zu unterdrücken.

Doch ehe Sofia antworten konnte, drehten die Motoren der Maschine hoch, es gab einen irrsinnig lauten Knall, der uns bis ins Mark erschütterte. Für einen kurzen Moment richtete sich das Flugzeug wieder horizontal auf. Doch in der nächsten Sekunde sackte es erneut ab. Ruckartig fiel es noch tiefer. Die Motoren gaben ein unheimliches Geräusch von sich. Einige schrien, andere waren totenstill. Wieder andere griffen nach ihren Handys, um vielleicht noch eine letzte Nachricht senden zu können.

Sofia drückte meine Hand, so fest sie konnte. Die Todesangst stand in ihren Augen. Wir verloren immer weiter an Höhe. Der Boden kam bedrohlich nahe. Ich hörte nur noch einen weiteren lauten Krach und dann war es still ... mir wurde schwarz vor den Augen.

Später wachte ich auf. Sofia saß noch angegurtet neben mir im Sitz. Ihre Hand war kalt. Der Tod hatte sie längst erfasst. Noch war mit schwindelig und ich konnte meine Umgebung nur schemenhaft wahrnehmen. Alles war so ruhig. Es gab keine Geräusche, so, als wäre die Zeit angehalten worden.

Meine Sitzreihe musste bei dem Aufprall rausgeschleudert worden sein. Ich konnte die Überreste des großen Flugzeuges in der Nähe ausmachen. Es war in mehrere Teile gebrochen. Einige standen noch in Flammen. Wir mussten mitten im Urwald abgestürzt sein. Meine Beine konnte ich nicht mehr fühlen. Ein großes Metallteil hatte sich auf meine Unterbeine gelegt, es sah aus, als wären sie durchbohrt worden. Fühlen konnte ich da unten nichts mehr.

Erst jetzt bemerkte ich das scharfe Metallstück, das sich tief in meinen Magen gebohrt hatte. Mein weißes Hemd war bereits vollkommen in Blut getränkt. Aber ich spürte den Schmerz nicht mehr. War das ein gutes Zeichen?

Meine Stimme hatte versagt. Ich wollte um Hilfe schreien, aber ich konnte nicht. Der Dschungel war totenstill. Die Stille beinahe ohrenbetäubend. Nach und nach konnte ich andere Passagiere sehen. Doch keiner von ihnen bewegte sich mehr. Ihre Körper lagen leblos, blutgetränkt und zerstückelt in der Umgebung. Ein surrealer Anblick, der aus einem Horrorfilm hätte stammen können.

Ich hatte keine Ahnung, was passiert war. Aber ich befand mich mitten im Urwald. Selbst wenn die Hilfs- und Sicherheitskräfte unsere Position ausmachen könnten, würde es Stunden, vielleicht Tage dauern, bis sie zu uns vorgedrungen wären. Ich wusste, dass ich vermutlich nicht einmal die nahende Nacht überstehen würde. Sollte das wirklich mein Ende sein? Mitten im Nirgendwo ohne die Möglichkeit, sich zu verabschieden?

Es waren an diesem Tag über 30 Grad. Die Luft stand, sie war so wahnsinnig schwül. Das Flugzeugwrack brannte immer noch, wodurch die Wärme weiter anstieg. Ich blickte auf Sofia. Für einen kurzen Moment dachte ich, sie hätte sich bewegt. Sie war so jung, so bildhübsch und nun saß sie regungslos neben mir. Ihr Körper war bereits kalt. Ein Schuh fehlte ihr. Dennoch hatte sie ein kleines Lächeln im Gesicht. Vielleicht hatte sie kurz vor dem Tod an etwas Schönes gedacht?

Blutige Finsternis

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