Читать книгу Blutige Finsternis - Lucy Darkness - Страница 19
ОглавлениеDie Jahre vergingen wie im Fluge, mein Haar wurde grauer und ich vergaß immer mehr die schlimmen Ereignisse von damals. Der kalte, leblose Körper von Sofia war wie ausgelöscht. Ich lebte mein Leben. Frei und ohne Sorgen, als gläubiger Mensch und war glücklich.
Meine Schwester war jedoch weiter besorgter. Seit einiger Zeit wandelte ich im Schlaf durch die Gegend. Manchmal wachte ich am nächsten Morgen in der Küche oder in der Badewanne auf. Sicherheitshalber verschloss ich jede Nacht die Tür. Trotz mehrfacher Untersuchungen gelang es den Ärzten nicht, die Ursache festzustellen. Ich hatte keine Alpträume, keine Nachtangst und auch sonst gab es keine Verhaltensstörungen, die dazu hätten führen können.
Vielleicht war es aber auch eine Fügung Gottes, der mich zu einer neuen Erkenntnis führen wollte. Alles hielt ich für möglich.
Eines Nachts wachte ich auf. Ich war ein Geist und stieg aus meinem Körper heraus. Meine bloße Hülle blieb im Bett liegen. Welch eigenartiges Gefühl das doch war. Ich wanderte durch die Wohnung, öffnete die Tür und ging die einzelnen Stockwerke höher und höher. Als ich endlich das Dach erreichte, fühlte ich mich frei. Alles wirkte hier so still und friedlich. Das Hochhaus war so hoch, dass es so wirkte, als ob ich die Sterne mit meinen Fingern greifen könnte.
Doch plötzlich erschütterte mich etwas. Mir wurde kalt, die Furcht überkam mich. Die Sterne verschwanden. Alles wurde dunkel. Selbst die Lichter der großen Stadt verblassten. Nur noch die Dunkelheit umhüllte mich und ein seltsames, aber doch bekanntes Gefühl, dass ich seit vielen Jahren nicht mehr gefühlt hatte, kam hervor.
Auf einmal fühlte ich an meinem Nacken einen kalten Hauch, als würde jemand direkt und sehr nah hinter mir stehen und seinen Atem auf meinen Körper hauchen. Ängstlich drehte ich mich um. Die Dunkelheit wich zurück und vor mir stand Sofia. Sie war nackt, vollkommen nackt. Ihre Brüste waren genauso kalt, wie ihre Hand, die mich in diesem Augenblick berührte.
»Warum hast Du mich damals nicht gerettet? Warum hast Du mich vergessen?« Schrie sie mir mit einem fürchterlichen Ton entgegen.
Ihre Stimme stach wie ein Eispickel kalt durch meinen Körper. Sie legte ihre kalten Hände auf meine Brust. Ich wurde ganz starr vor Angst und spürte ihren verfaulten Atem, der langsam in meine Nase zog und mich willenlos machte. Sie stank nach Fäule und Elend. Ihre blasse, kalte Haut wirkte so, als wäre sie überall mit Sandpapier bearbeitet worden.
Dann gab sie mir einen kräftigen Schubs und ich verlor das Gleichgewicht. Im nächsten Augenblick befand ich mich im freien Fall. Die Dunkelheit löste sich auf und ich konnte die Straße unter mir sehen. Plötzlich spielte sich das Ganze wie in Zeitlupe ab. Ich ruderte wie wild in der Luft und der Boden kam immer näher. Ich sah meinen Tod vor den Augen.
Das grelle Licht der Straßenlaternen erzeugte einen stechenden Schmerz in meinem Kopf. Das Zittern durchzog mich mit kräftigen Wellen. Der Wind war so kalt und die Straße da unten nur noch wenige Meter entfernt.
Ich klatschte wie ein schwerer Stein auf die Straße. Ein dumpfes Geräusch schallte durch die Gegend, ich spürte einen Schmerz, der so stark war, dass ich innerlich zerrissen wurde. Der Tod war grausam. Grausamer, als ich ihn mir vorgestellt hätte. Meine Knochen brachen, der Geräusch zischte noch wahrnehmbar. Erst danach wurde alles dunkel ...