Читать книгу Frost & Payne - Die mechanischen Kinder Die komplette erste Staffel - Luzia Pfyl - Страница 13

10.

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»Cecilia?«

Frost verzog den Mund zu einem leisen Lächeln. Damit bestand kein Zweifel mehr, dass sie den richtigen Mann vor sich hatte. »Mrs. Cecilia Payne, ja. Sie können sich also noch an den Namen ihrer Frau erinnern. Damit kann ich Gedächtnisverlust als Ursache Ihres Verschwindens abhaken. Und Sie dürfen mich nun wirklich mal langsam loslassen.«

Payne fixierte sie mit einem harten Blick, doch er entließ ihr Handgelenk endlich seinem eisernen Griff. »Woher soll ich wissen, dass Sie mich nicht anlügen?«

Mit der Frage hatte sie gerechnet. »Ihre Frau ist Wissenschaftlerin und arbeitet im Observatorium von Greenwich. Sie ist vor zwei Jahren nach London zurückgekehrt, Sie jedoch sind in New York geblieben, um weiter Ihrer Arbeit als Pinkerton nachzugehen.«

Im darauffolgenden Schweigen starrten sie sich lange an. Frost konnte sehen, wie es hinter den dunklen Augen des Amerikaners arbeitete. »Sie sehen aus, als könnten Sie einen Drink vertragen«, meinte sie.

»Dagegen hätte ich tatsächlich nichts einzuwenden. Was ist mit dem Buch? Sie werden es mir wohl kaum freiwillig geben.«

Frost hob das Kinn und legte demonstrativ die Hand auf ihre Umhängetasche, in der sich der Foliant befand. »Ich gebe es seinen rechtmäßigen Besitzern zurück.«

»Nein, nein, so funktioniert das nicht. Mein Auftraggeber ist der rechtmäßige Besitzer. Ich rate Ihnen, es mir auszuhändigen.«

»Sonst was?« Frost ging wieder in Abwehrhaltung, das Messer fest in der Faust.

Der Amerikaner schnaubte verächtlich und schob sich den Hut in den Nacken. Er sah etwas bleich aus um die Nase, fand Frost. Dabei hatte sie ihn gar nicht so hart erwischt.

»Okay, ich sehe, wir kommen so nicht weiter«, fing er wieder an. »Was halten Sie von einem Waffenstillstand, während wir in den Pub da vorne gehen? Das mit dem Drink klingt nicht schlecht.«

Frost wägte kurz ihre Möglichkeiten ab. Mit der Waffe in seiner Manteltasche würde er sie erschießen, sobald sie die Flucht ergriff. Sie würde ihm das Buch auf keinen Fall aushändigen. Sie hatte ihre eigenen Pläne damit. Außerdem war er ebenfalls ihr Auftrag. Sie musste ihn zu seiner Frau zurückbringen.

Wie sie es auch drehte und wendete, eines war klar: Den Pinkerton durfte sie nicht mehr aus den Augen lassen. »Einverstanden«, sagte sie deswegen.

Eine ganze Weile saßen sie sich schweigend gegenüber. Die Situation war etwas merkwürdig. Er wollte den Folianten und sah in ihr eindeutig jemanden, der für den Feind arbeitete. Für sie jedoch war er die feindliche Seite, was wiederum ein Dilemma ihrem Auftrag Mrs. Payne gegenüber darstellte.

Mit hochgezogenen Brauen sah sie dem Amerikaner zu, wie er sein Glas Whisky in einem Zug leerte und gleich darauf ein zweites von der Kellnerin verlangte. »Ich bin neugierig«, sagte sie dann, »was hat es mit diesem Russen auf sich? Und warum glauben Sie, dass ich für ihn arbeite?«

»Man nennt Sie die Schlüsselmacherin, richtig?«

Frost runzelte die Stirn. »Richtig.« Mit diesem Namen war sie im Untergrund bekannt. Sie hatte wohl etwas zu früh gehofft, ihn endlich ablegen zu können.

»Der Russe wird auch der Sammler genannt. Er hat eine Vorliebe für kostbare Einzelstücke, wie das Buch, welches Sie von meinem Auftraggeber gestohlen haben.«

»Und jetzt denken Sie, ich arbeite für diesen Sammler, nur, weil ich eine Diebin bin?« Beinahe hätte sie laut aufgelacht. Das war so fern der Wahrheit, dass es bereits komisch war. »Ich bringe das Buch seinem ursprünglichen Eigentümer zurück. Mr. Bingham hat es unrechtmäßig in seinen Besitz gebracht. Das ist nur fair, meinen Sie nicht?«

Payne legte den Kopf leicht schief. »Sie legitimieren Ihren Diebstahl also damit, dass das Buch bereits gestohlen worden ist.«

»Sie haben es erfasst.« Frost lächelte und nahm einen kräftigen Schluck Whisky. Er brannte in ihrer Kehle, aber die Wärme tat gut. »Und jetzt, wo wir das geklärt haben, sollten wir vielleicht über Sie sprechen, Mr. Payne. Ihre Frau macht sich große Sorgen.«

»Wie Sie sehen können, lebe ich noch. Richten Sie ihr das aus.« Er fing an, sich eine Zigarette zu drehen.

»Sie werden ihr das selbst sagen, wenn wir in der Agentur sind.« Sie machte eine kurze Pause, um ihm Zeit zu lassen, zu protestieren. Doch er konzentrierte sich darauf, seine Zigarette zu drehen. »Ich verlange keine Erklärungen, warum Sie abgetaucht sind und Ihre Frau verlassen haben. Mein Auftrag lautet lediglich, Sie zu finden.«

Payne stieß belustigt den Atem durch die Nase aus und zündete sich dann die Zigarette an.

»Was ist so lustig daran?«, fragte Frost.

»Eine stadtbekannte Diebin betätigt sich als Privatdetektivin. Das ist lustig, Miss Frost.« Ein schiefes Grinsen zeigte sich in seinem Gesicht.

»Ach, ihr Pinkertons seid also besser?«

»Ex-Pinkerton, bitte. Ich habe meinen Job an den Nagel gehängt, bevor ich hierherkam.« Er leerte das zweite Glas und stellte es dann auf dem Kopf zurück auf den klebrigen Tisch. »Hören Sie zu. Ich werde nicht mit Ihnen in Ihre Agentur kommen. Sagen Sie meiner Frau, was Sie wollen. Aber ich habe noch etwas zu erledigen.«

»Und das wäre?«

»Eine private Angelegenheit, die Sie nichts angeht.«

Frost hob die Hände und signalisierte damit, dass sie ihn nicht weiter bedrängte. Sie hatte damit gerechnet, dass er nicht einfach so mit ihr kommen würde, trotzdem wollte sie versuchen, ihn dazu zu überreden. Sie sah Cecilia Paynes ernstes und besorgtes Gesicht vor sich. Die Frau vertraute darauf, dass sie ihr ihren Ehemann zurückbrachte.

Frost spürte das metallene Summen der Kugel, bevor sie den Schuss hörte. Blitzschnell sprang sie auf und packte den Pinkerton am Arm.

»Runter!«

Gleichzeitig zerbarst die Scheibe neben ihrem Tisch. Der Schuss verfehlte Payne um Haaresbreite. Sofort brach im Pub Panik aus, und mehrere Personen duckten sich unter ihre Tische.

»Was zum Teufel?« Payne glitt vom Stuhl und ging neben Frost in die Hocke.

»Freunde von Ihnen?« Sie deutete mit dem Kinn auf die beiden Männer, die auf das Lokal zukamen. Beide hielten ein Gewehr in den Händen. »Meine sind es jedenfalls nicht.«

Payne linste über den Rand des Tisches und fluchte.

»Ich rate mal, die Leute von diesem Russen?«, murmelte Frost und schaute sich nach einem Hinterausgang um. »Kommen Sie mit.« Ein weiterer Schuss peitschte durch den Pub und schlug in die Wand hinter der Bar ein. Flaschen barsten.

Ohne eine Antwort abzuwarten, ging Frost geduckt zum Schanktresen. Hinter der Bar befand sich die Küche, und Küchen hatten normalerweise eine Tür, die nach draußen führte. Als sie sich umdrehte, sah sie, dass der Pinkerton ihr tatsächlich folgte. Sie machte sich eine geistige Notiz, dass es umherfliegende Kugeln brauchte, damit der Mann tat, was man ihm sagte.

Als sie durch die Küche rannten, bemerkte Frost, dass Sie ihre Umhängetasche mit dem Folianten unter dem Tisch hatte liegen lassen. »Warten Sie hier«, schärfte sie Payne ein und rannte zurück in den Schankraum. Die meisten Gäste hatten inzwischen das Weite gesucht. Frost hielt den Kopf unten, als sie zwischen den Tischen zu ihrem Platz ging. Schnell warf sie sich ihre Umhängetasche über die Schulter und griff dann nach ihrem Mantel.

Die Männer mussten sie im Fenster gesehen haben, denn sogleich fielen abermals Schüsse. Frost fluchte und rannte geduckt zurück in die Küche. »Diese Leute scheinen es ernst zu meinen«, sagte sie zu Payne, während sie in den Mantel schlüpfte. Sie hatte keine Lust, sich bei der Kälte etwas einzufangen. »Was haben Sie angestellt, Pinkerton?« Und wie hatte sie es verdient, dass gleich zweimal am selben Tag auf sie geschossen wurde?

»Nur meinen Job«, knurrte Payne sie an. Dann warf er ihr einen Revolver zu. »Hier, für Sie.«

»Woher …?«

»Lag unter der Bar. Der Wirt sichert sich gerne gegen unhöfliche Gäste ab«, antwortete Payne lakonisch und überprüfte den Revolver, den er aus seiner Manteltasche holte. »Ich hoffe, Sie können schießen.«

Frost schnaubte und ließ den sarkastischen Ton unkommentiert. Stattdessen suchte sie nach einem Weg aus dem Hinterhof. Da es keine direkte Gasse zurück zur Hauptstraße gab, entschied sie sich für das Gebäude genau gegenüber. »Hier entlang, Pinkerton.«

Diesmal folgte ihr der Mann ohne Widerrede. Er war also lernfähig, bemerkte sie amüsiert. Die mit Eisen beschlagene Tür war fest verschlossen. Frost zögerte einen Moment. Sollte sie so tun, als würde sie das Schloss manuell knacken? Was, wenn der Pinkerton sah, was sie wirklich tat? Konnte sie das Risiko eingehen?

Lärm aus dem Haus hinter ihnen nahm Frost die Entscheidung ab. Wenn diese Fremden sie hier erwischten, saßen sie wie die Karnickel in der Falle. »Ach, scheiß drauf«, brummte sie und ging in die Hocke. Als sie die Hand auf das eiserne Schloss legte, spürte sie sogleich die kribbelige Wärme durch ihre Finger schießen.

»Was tun Sie da?«

»Ich suche uns einen Ausgang.« Frost richtete sich wieder auf und drehte den Türknopf. Mit quietschenden Angeln öffnete sich die Tür. »Na bitte, ich kann es also doch noch«, murmelte sie vor sich hin, als sie das Haus betrat. Binghams Türschloss schien ein Einzelfall gewesen zu sein.

»Was können Sie noch?«, fragte Payne hörbar neugierig. Mit schnellen Schritten gingen sie durch die Räume des Hauses. Regale, vollgestopft mit Waren aller Art, reihten sich aneinander. Frost vermutete, dass sie sich in einem Laden befanden oder zumindest in dessen Lager.

»Türen öffnen«, sagte sie und lächelte Payne über die Schulter an. »Deswegen nennt man mich die Schlüsselmacherin.« Der Amerikaner machte sich nicht die Mühe, beeindruckt auszusehen.

Sie hatten die Ladenfront erreicht – zum Glück war das Geschäft um die Uhrzeit bereits geschlossen – und duckten sich hinter dem Schaufenster. Sie befanden sich in einer schmalen Seitengasse, und nur wenige Fußgänger waren unterwegs. Die Luft schien rein zu sein. Wieder ging Frost vor der Tür in die Hocke und presste die Hand auf das Schloss, bis sie das leise Klicken hörte.

»Wir müssen diese Männer irgendwie loswerden«, sagte sie zu Payne, während sie über die Schulter blickte. Payne ging neben ihr und wirkte sehr angespannt.

»Diese Männer sind mein Problem, nicht Ihres, Miss Frost«, knurrte er.

Frost blieb stehen. »Nicht mein Problem? Zum einen wurde ich eben fast erschossen, so nebenbei: zum zweiten Mal heute, und zum anderen habe ich den Auftrag, Sie heil zu Ihrer Frau zu bringen – und das gedenke ich auch zu tun. Und falls die Kerle hinter meinem Buch her sind, dann haben wir beide ein Problem.«

Payne schaute Frost lange an. »Wo befindet sich Ihre Agentur?«, fragte er, als Frost schon glaubte, gar nichts mehr aus ihm herauszubekommen.

»Leather Lane, Holborn«, antwortete sie sofort und setzte sich in Bewegung. Zu Fuß war es von hier aus ziemlich weit, aber vielleicht erwischten sie eine der Straßenbahnen in die Chancery Lane. Payne sah nicht so aus, als würde er einen Eilmarsch dorthin schaffen. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie er sich die linke Seite hielt. Obwohl er so viel getrunken hatte, schien er bei erstaunlich klarem Verstand zu sein. Dennoch sah er äußerst angespannt aus und … War das Blut da auf seinem Hemd?

Drei Straßen weiter hörte Frost das vertraute Knistern der Straßenbahn. Als sie um die Ecke bogen, sahen sie die blauen Blitze auf der Oberleitung tanzen. Gerade noch rechtzeitig erreichten sie die Station und sprangen auf den zweiten Wagen auf.

»Alles in Ordnung bei Ihnen, Mr. Payne?«, fragte Frost und musterte ihr Gegenüber. Payne atmete stoßweise, und die Hand, die er an die Seite gepresst hatte, war verkrampft.

»Mir geht’s gut«, brummte er, vermied aber ihren Blick. »Kümmern Sie sich lieber darum, wie wir heil in Ihrer Agentur ankommen.«

»Scheint, als hätten wir sie abgehängt.« Frost lehnte sich hinaus und schaute die Straße zurück. Nichts deutete darauf hin, dass sie verfolgt wurden, weder zu Fuß, zu Pferd noch mit einem Fahrzeug.

Beide verfielen in brütendes Schweigen. Frost bemerkte die Müdigkeit, die sich bleiern über ihre Glieder legte. Sie hatte sich diesen Tag wahrlich anders vorgestellt. Ihre Hand wanderte zur Tasche, in der das wertvolle Buch sicher verstaut lag. Wie hoch waren ihre Chancen noch, Madame Yueh mit dem Buch zu erpressen, nun, da die Organisation wusste, dass sie es hatte?

»Wir bekommen Gesellschaft«, hörte sie Payne sagen. Frost drehte sich um und folgte seinem Blick.

»Verdammt.« Sie erstarrte. Die Straßenbahn war voll besetzt. Wenn ihre Verfolger anfingen zu schießen, würde es ein Blutbad geben. »Fährt dieses Ding denn nicht schneller?«, rief sie aus und musste sich gleich darauf an einer der Stangen festhalten, als die Straßenbahn ruckelnd in eine Kurve bog.

Über das elektrische Knistern hinweg konnte sie die dröhnenden Motoren der beiden Aetherbikes hören. Die Straßenbahn fuhr gemächlich durch die Häuserzeilen. Payne hatte sich ans hintere Ende des Wagens begeben und lehnte mit gezücktem Revolver in der Ecke zwischen der Heckscheibe und der Seitenwand neben der hinteren Tür. Frost spürte, wie das Adrenalin durch ihren Körper schoss. Gleich würden sie die nächste Station erreichen.

Ihre Blicke trafen sich. Payne nickte und entsicherte die Waffe. Frost verstand. Sie würden es drauf ankommen lassen und zuerst schießen. So hätten sie wenigstens eine Chance.

Die Bahn bimmelte, das Zeichen, dass sie gleich die Station erreichten. Frost zog ihre Waffe aus dem Gürtel und versicherte sich, dass sie geladen war. Einige der Mitfahrenden beäugten sie argwöhnisch und rückten zur Seite.

Die Verfolger warteten nicht darauf, dass die Bahn anhielt. Der erste Schuss fiel überraschend laut und ließ die Heckscheibe bersten. Die Menschen im Wagen schrien auf und zogen die Köpfe ein. Frost lehnte sich sogleich aus der Tür und schoss zweimal zurück. Payne streckte den Arm aus der Heckscheibe und feuerte ebenfalls. Das Heulen und Knattern der Aetherbikes übertönte das Rattern der langsamer werdenden Straßenbahn.

Immer wieder fielen Schüsse. Jeder, der konnte, verließ die Bahn und suchte das Weite. Frost lehnte sich keuchend neben Payne an die Seitenwand. Der Amerikaner zog sich aus der Heckscheibe zurück und lud die Waffe nach. »Einen habe ich erwischt«, sagte er.

Blieb also noch einer übrig. Wer waren diese Männer? Gehörten sie zu diesem ominösen Russen oder zu Paynes Auftraggeber? Und was, zum Teufel, hatte der Pinkerton angestellt?

»Frost?«

»Ja?«

»Ich glaube, wir sollten verschwinden.«

Frost hob die Augenbrauen und schaute an Payne vorbei aus dem Heckfenster. Der übrig gebliebene Mann hatte sein Aetherbike in einiger Entfernung zwischen den Schienen abgestellt und blickte ihnen entgegen. Das Ding auf seiner Schulter ebenfalls.

»Ist das eine Kanone?«

»Das ist eine Kanone!«

»Sie haben Recht, Payne. Verschwinden wir.« Frost drehte sich zu den Passagieren um. »Alle sofort raus aus der Bahn! Los, raus!«

In dem Moment sprühten Funken über dem langen Rohr auf der Schulter des Verfolgers auf, und ein Donnern drang an ihre Ohren. Frost und Payne sprangen, zusammen mit einigen Passagieren, aus der Straßenbahn und warfen sich auf dem Gehweg neben der Station in den Schnee. Gleich darauf flog der hintere Teil des Wagens in die Luft. Frost presste sich die Hände auf die Ohren und kniff die Augen zusammen. Flammen schossen in die Höhe, gekappte Leitungen sprühten knisternde blaue Funken, und ein Schwall Hitze schoss über sie hinweg.

»Alles noch dran?«, ächzte Frost und drehte sich auf die Seite. Payne nickte, doch er war ziemlich bleich im Gesicht. Sie half ihm auf die Beine. »Kommen Sie, ich kenne eine Abkürzung.«

Das Aetherbike heulte hinter ihnen auf, als Frost und Payne die Straße entlangrannten. In der Mauer vor ihnen tauchte ein großes eisernes Tor auf. Frost musste kaum die Hand auf das Schloss legen, da sprang es auch schon auf. Hinter dem Tor breitete sich ein dunkler Park aus. Sie rannten über den Kiesweg und hielten sich in den Schatten zwischen den wenigen Aetherlaternen. Der Angreifer folgte ihnen auf dem Aetherbike durch das Tor. Im Rennen schaute Frost über die Schulter zurück.

»Wehe, er wagt es, hier seine Kanone abzufeuern. Dieser Park ist denkmalgeschützt!«

»Ihr Engländer seid komisch«, kommentierte Payne amüsiert, zuckte jedoch gleich darauf zusammen und presste die Hand wieder an die Seite.

Sie erreichten die Mitte des Parks, wo sich ein gedeckter Pavillon befand. Im Licht der Aetherlaternen konnte Frost mehrere Schemen ausmachen. Vier Männer traten aus den Schatten heraus und stellten sich ihnen in den Weg. Ihre Gesichter waren eindeutig asiatisch geschnitten.

Frost ächzte auf und blieb stehen. »Das darf doch wohl nicht wahr sein.«

»Freunde von Ihnen, Miss Frost?«

»Ach, halten Sie doch die Klappe, Payne.« Und sie hatte wirklich geglaubt, sie wäre die Kerle losgeworden.

Sie saßen in der Falle. Hinter ihnen kam das Aetherbike kreischend auf dem schneebedeckten Kiesweg zum Stehen. Vor ihnen standen die Chinesen und kreisten sie langsam, aber sicher ein.

»Hey, die gehören mir!«, rief der Aetherbikefahrer drohend.

Die Chinesen antworteten nicht, warfen sich aber vielsagende Blicke zu. Aus dem Nichts zückte einer von ihnen eine Waffe und erschoss den Mann. Leblos sackte er unter dem Aetherbike zusammen.

»Und was, schlagen Sie vor, tun wir jetzt?«, raunte Payne und fixierte die Chinesen.

Frost blieb die Antwort im Halse stecken. Sie waren in der Unterzahl, und sie hatte den üblen Verdacht, dass der Pinkerton verletzt war und nicht mehr lange stehen würde. Eiskalter Schweiß brach ihr auf der Stirn aus. Die Organisation würde nicht zögern, Payne zu töten. Er war unwichtig. Frost würde man mit dem Leben davonkommen lassen, doch sie würde zum einen ihre Freiheit verlieren und zum anderen Payne. Der Pinkerton war immer noch ein Auftrag, den sie beenden wollte.

Ein fünfter Mann trat hinter dem Pavillon hervor. Sein Gesicht lag im Schatten, denn er hatte seinen Hut tief in die Stirn gezogen. Er war eleganter gekleidet als die vier Handlanger. Und er hatte eindeutig das Sagen.

»Du bist schwer zu erwischen heute, Lydia.«

Frost riss die Augen auf. Ihr Magen verknotete sich. »Michael?«

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