Читать книгу Frost & Payne - Die mechanischen Kinder Die komplette erste Staffel - Luzia Pfyl - Страница 15

12.

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Das Erste, was Mrs. Payne zu ihrem Mann sagte, war eine schallende Ohrfeige.

Nachdem Frost sie angerufen hatte, verging eine quälend lange Stunde, bis Mrs. Payne die Agentur betrat. Sie arbeitete in der Sternwarte in Greenwich und hatte die Fähre bis zum Tower genommen. Frost und Payne hatten während des Wartens nur wenige Worte miteinander gewechselt. Frost war tief in Gedanken versunken und malte sich aus, was geschehen würde, sobald Madame Yueh sie zu sich zitierte. Auch Michael tauchte immer wieder vor ihrem inneren Auge auf. Wie hatte sie nur so blind sein können?

Frost musterte den Pinkerton verstohlen. Für einen Amerikaner war er ganz ansehnlich, fand sie. Die dunklen Augen und die braunen Haare verliehen ihm etwas Mediterranes. Er war groß und hatte breite Schultern. Außerdem hatte sie einiges davon gesehen, was sich unter seinem Hemd befand, als Helen und sie ihn verarztet hatten. Helen war mindestens dreimal rot angelaufen während der Prozedur.

Für einen Amerikaner war er ganz sympathisch. Es passierte nicht oft, dass man in London auf einen Pinkerton traf. Ob sie ihm helfen sollte, seine Tochter zu finden? Mrs. Payne hatte offensichtlich genug Geld, um sie für ihre Dienste zu bezahlen.

In diesem Moment klingelte die Glocke über der Tür, und Mrs. Payne rauschte in die Agentur. Frost und Payne erhoben sich fast gleichzeitig – Payne kam etwas schwerfälliger aus dem Stuhl und hielt sich ächzend die Seite –, als Mrs. Payne auch schon die Hand erhob.

Das Klatschen durchbrach die Stille wie ein platzender Ballon. Payne schaute sichtlich erschrocken auf seine Frau herab, sie wiederum funkelte ihn aus wütenden Augen an.

»Mrs. Payne, wie schön, dass Sie so schnell herkommen konnten.« Frost bemühte sich um einen akzentuiert gelassenen Ton und lächelte. »Bitte, nehmen Sie doch Platz.«

»Wo war er?«, presste Mrs. Payne hervor. Ihre Stimme zitterte vor unterdrückten Gefühlen. Frost war beeindruckt, wie sehr sie sich darum bemühte, Haltung zu wahren. Aber sie hörte sehr wohl auch den Unterton und die unausgesprochene Frage heraus. Bei welcher Hure war er?

»Mrs. Payne, bitte setzen Sie sich. Ich werde Ihnen sogleich alles erklären.« Wieder deutete Frost auf den zweiten Stuhl vor ihrem Schreibtisch. Diesmal setzte Mrs. Payne sich. Der Pinkerton nahm seinen Platz ebenfalls wieder ein. Er sah aus, als wünschte er sich sehr weit weg.

Frost holte tief Luft. Es war ihr unangenehm, zwischen die Fronten der Eheleute geraten zu sein. Aber das gehörte ebenfalls zu ihrem Job. Alles, was sie tun konnte, war, Fakten sachlich auf den Tisch zu legen. Was die Klienten am Ende daraus machten, war nicht mehr ihr Problem.

»Ich habe Mr. Payne in Covent Garden aufgespürt«, log sie. Payne und sie waren übereingekommen, dass sie seiner Frau keine Details erzählten.

Mrs. Payne erbleichte sichtlich und schluckte hart. Alle ihre Befürchtungen schienen sich zu bewahrheiten. Covent Garden war berüchtigt für seine Bordelle und nächtlichen Vergnügungen aller Art.

»In einem Pub beim Essen, Mrs. Payne. Er hatte sich in das Gasthaus, das sich darüber befand, eingemietet. Es gibt einen Grund, warum er das getan hat.« Frost schaute den Pinkerton an. »Sagen Sie es ihr, Payne.«

Mrs. Payne schaute fordernd und fragend zwischen Frost und ihrem Mann hin und her. Ihr Blick blieb an Payne hängen, als er zögerte.

»Ich habe nach Annabella gesucht«, sagte er dann endlich.

»Du hast was?« Mrs. Payne hob die Hand an ihre Lippen. »Warum hast du mir nichts gesagt?«

»Ich wollte nicht, dass du wegen meinen Ermittlungen in Gefahr gerätst, Cecilia. Außerdem hast du schon genug durchgemacht wegen der Sache.« Payne suchte nach Worten, um sich zu erklären, ließ es dann jedoch bleiben.

Frost konnte kaum mithalten mit den Emotionen, die sich nun auf Mrs. Paynes Gesicht in rascher Folge abwechselten. Trauer, Wut, Entsetzen, Enttäuschung, wieder gefolgt von Zorn. Die zweite Ohrfeige hatte sie definitiv nicht kommen sehen.

»Annabella ist tot, finde dich endlich damit ab, Jackson«, zischte Mrs. Payne. »Ich will mein Kind endlich begraben können, auch wenn es sich um einen leeren Sarg handelt.«

Payne funkelte seine Frau an. »Die Polizei hat nichts getan, um sie zu finden! Noch gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass Annabella am Leben ist.«

Mrs. Payne seufzte und wandte den Blick ab. Frost wünschte sich, dass sie statt des Tees ein Glas Whisky vor sich hätte.

»Gut, ich glaube, wir haben das Wichtigste geklärt«, sagte sie und faltete geschäftlich die Hände. »Meine Arbeit ist damit beendet.«

Mrs. Payne nickte und brachte ein Lächeln zustande. »Vielen Dank, Miss Frost.«

»Sorgen Sie dafür, dass Ihr Mann die nächsten Tage das Bett hütet, Mrs. Payne. Er ist verletzt.«

»Es ist nur ein Kratzer«, versicherte Payne wenig glaubhaft, als seine Frau ihn alarmiert anschaute.

Frost stand auf und streckte Mrs. Payne über den Tisch hinweg die Hand hin. »Es war mir ein Vergnügen, mit Ihnen Geschäfte zu machen.«

In diesem Moment tauchte Helen aus der Küche auf. »Miss? Ich weiß nicht, ob es wichtig ist, Miss, aber da steht seit einiger Zeit ein Mann vor dem Haus und beobachtet Sie alle. Ich sehe ihn durch das Küchenfenster.«

Frost hob die Augenbrauen und ließ die Hand sinken. Sie beugte sich nach rechts, um durch die Frontscheibe sehen zu können. Durch die vorbeigehenden Fußgänger sah sie einen dunkel gekleideten Mann mit Hut, der beim Haus gegenüber an die Wand gelehnt stand. An sich nichts, was ungewöhnlich war. Sie wollte sich gerade wieder den Paynes zuwenden, als sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm.

Der Mann hielt eine Waffe in der Hand und hatte sich von der Wand gelöst. Das war sehr ungewöhnlich.

»Payne!«

Er drehte sich um und sah den Mann sofort. »Cecilia, runter!« Mrs. Payne schrie auf, als er sie unsanft aus dem Stuhl schob.

»Payne, fangen Sie«, rief Frost und warf ihm seinen Revolver zu, den sie in der Schreibtischschublade verstaut hatte. Ihren eigenen nahm sie selbst zur Hand.

Mit wenigen Schritten war sie bei der Tür und riss sie auf. Eiskalte Luft wehte ihr entgegen. Wie in Zeitlupe sah sie, wie der Mann den Arm hob und zielte. Payne stand wie aus dem Nichts neben ihr. Gemeinsam traten sie ins Freie, sprangen die kurze Treppe hinunter und nahmen den Mann ins Visier.

Zwei Schüsse knallten, und die Zeit schien wieder ihren gewohnten Gang zu nehmen. Der Mann ging tödlich getroffen zu Boden und blieb im dreckigen Schnee der Straße liegen. Passanten, die in der Nähe waren, wichen schockiert zurück, als Frost und Payne zur Leiche gingen.

»Das war hoffentlich der Letzte«, brummte Payne und hielt sich die Seite.

Frost starrte auf den leblosen Fremden. Sie hatte sein Gesicht noch nie gesehen, doch sie kannte seine Sorte. Auftragsmörder. Normalerweise machten diese allerdings einen besseren Job.

Sie wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und grinste den Pinkerton an. »Wir sind ein gutes Team, Sie und ich. Was halten Sie davon, wenn Sie für mich arbeiten, Mr. Payne?« Payne hob die Augenbrauen und schaute fragend auf sie herab. Frost zuckte mit den Schultern. »Nun, Sie brauchen offensichtlich einen neuen Job, und ich kann jemanden gebrauchen, der besser schießen kann als ich.«

»Sie bieten mir einen Job an.«

Frost legte den Kopf schief. »Sie interessieren mich, Pinkerton. Ich schlage Ihnen einen Deal vor: Sie helfen mir bei meiner Arbeit, und ich helfe Ihnen dabei, Ihre Tochter zu finden.«

Payne wandte den Blick ab und auf die Leiche vor ihnen auf dem Boden. Frost konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten, doch er brauchte nicht lange, bis er sich entschieden hatte.

»Einverstanden.«

Sie grinste zufrieden und drehte sich auf dem Absatz um. Gedanken darüber, wie sie den Pinkerton bezahlen wollte, würde sie sich später machen. »Whisky?«, rief sie über die Schulter und ging zurück in die Agentur.

Frost & Payne - Die mechanischen Kinder  Die komplette erste Staffel

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