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Man-Made Weather

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Um 1900 liefen die Druckerpressen der Sacket-Wilhelm Company in Brooklyn, New York auf Hochtouren. Die Geschäfte der Druckerei florierten. Man druckte mehrere auflagenstarke Zeitschriften, darunter das damals sehr populäre Magazin Judge.1 Aber die Luftfeuchtigkeit in den Räumen bereitete den Inhabern der Druckerei große Schwierigkeiten. Stieg die Feuchtigkeit zu stark an, setzten sich winzige Wassertröpfchen auf das zu verarbeitende Papier. Die frisch gedruckte Tinte verschmierte und trocknete langsamer. Der Produktionsprozess zögerte sich unnötig hinaus. Nach einer Lösung für das Problem suchend, traten die Geschäftsführer des Unternehmens an die Buffalo Forge Company heran, die als Spezialist auf dem Gebiet der gewerblichen Heiztechnik galt. Dort vertraute man dem jungen Elektroingenieur Willis H. Carrier das schwierige Projekt an. Seine Aufgabe bestand darin, eine Apparatur zu entwickeln, die in der Lage sein würde, die Feuchtigkeit aus der Luft herauszufiltern. Seine Firma wusste, wie man Heizungssysteme baute, aber mit der Entwicklung eines Systems, das Luft trocknen konnte, betrat man Neuland. Man war froh, einen jungen, ehrgeizigen Absolventen der Cornell University in seinen Reihen zu haben, der sich voller Enthusiasmus der Herausforderung stellte. Carrier kannte den Effekt, wenn die Feuchtigkeit, die in warmer Luft enthalten ist, plötzlich abkühlt und an Gegenständen beschlägt. Er lässt sich zum Beispiel sehr gut an kalten Getränkegläsern beobachten. Brillenträger können ein Klagelied singen, wenn sie im Winter von draußen in warme Räume treten und plötzlich wie im dichten Nebel stehen. Carrier musste also eine Technik entwickeln, wie man sich diesen Effekt mechanisch zunutze machen konnte. Er tüftelte eine ganze Weile, bis er es schließlich schaffte, eine Apparatur zu entwickeln, in der gekühltes Wasser durch Spiralen geleitet wurde, an denen sich die Feuchtigkeit der Umgebungsluft absetze und anschließend auffangen ließ. Dabei trat ein weiterer Effekt auf: Die Raumtemperatur kühlte sich ab. Carrier erahnte sofort, welche Bedeutung seine Beobachtung hatte. In den folgenden Tagen experimentierte er mit Hilfe von Taupunkttabellen des Wetteramtes, bis sich die Ergebnisse verlässlich reproduzieren und die Leistung der Maschine genau kalibrieren ließ, sodass eine konstante Luftfeuchtigkeit und Temperatur in Abhängigkeit der jeweiligen räumlichen Gegebenheiten zu bewerkstelligen war.2 Er nannte seine Entwicklung den Apparatus for Treating Air.3 Es war die erste Klimaanlage der Welt.

Nach der erfolgreichen Installation bei der Sacket-Wilhelm Druckerei folgten zunächst weitere gewerbliche Kunden, die die Maschine verwendeten, um ihre Produktionsprozesse zu optimieren. Erst in den 1920er Jahren, als man Carriers System um einen Ventilator ergänzte, konnte man die Klimaanlage auch in Wohn- und Geschäftsgebäuden sinnvoll einbauen. Zu den ersten und populärsten Kunden zählte der Madison Square Garden in Manhattan. Dort verwendete man die Anlage nicht nur, um die Raumtemperatur zu regulieren, sondern auch um Eis für die Eislaufbahn herzustellen. Zum üblichen Standard in Bürogebäuden wurden Klimaanlagen aber erst in den 1950er Jahren. Lange Zeit nach dem Bau der La Cité de Refuge in Paris.


Abb. 11: Arbeitsplätze ohne Nähe zum natürlichen Licht in einem open space des Union Carbide Corporation Building, erbaut: 1957-60; Quelle: U-M Library Digital Collections

Zwei weitere, technische Entwicklungen setzten sich etwa zur gleichen Zeit wie die Erfindung der Klimaanlage durch: zum einen energiesparendere Neonlampen, zum anderen die Verwendung von abgehängten Decken, hinter denen man die technische Infrastruktur des Gebäudes kaschieren konnte. Zusammen mit der neuen Klimatechnik war man praktisch unabhängig von natürlicher Belichtung und Belüftung. Besonders in den USA, wo die arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen kein Recht auf einen Fensterplatz gewährleisten, nutzte man dies aus. Hier konnte man einen Großteil der Arbeitsplätze auch weit im Inneren der Büroetagen platzieren. Das erhöhte entscheidend die Rentabilität der Immobilien. Jede noch so ungünstig gelegene Fläche ließ sich verwerten.4 Es freute Investoren, Vermieter und Unternehmer. Es traf die einfachen Büroangestellten. Viele von ihnen sollten den ganzen Arbeitstag über kein einziges Mal das Sonnenlicht erblicken.

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