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Islam als Identität

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Im Arabischen ist islam ein Verbalsubstantiv und bedeutet die Hingabe des Selbst im Angesicht Gottes, wie er sich durch die Botschaft und das Leben seines Propheten Muhammad geoffenbart hat. In seiner Grundbedeutung, wie sie zum Beispiel im Koran und anderen grundlegenden Texten verwendet wird, bezieht sich das Wort »Muslim« auf eine Person, die sich hingibt (vom aktiven Partizip des Verbs aslama ›sich hingeben‹). Jedoch gibt es eine zweite Bedeutung von »Muslim«, die in die erste mit hineinspielen kann. Demzufolge ist ein Muslim das Kind eines muslimischen Vaters, wobei er oder sie die konfessionelle Identität des väterlichen Elternteils übernimmt, ohne notwendigerweise die Glaubensgrundsätze und Praktiken der Religion zu befolgen – genau wie ein Jude oder eine Jüdin sich als »jüdisch« definieren kann, ohne die Gebote und Verbote der Halacha zu beachten. In nichtmuslimischen Gesellschaften kann die Identität solcher Muslime sowohl vom Selbstverständnis wie auch von der Rechtsposition her säkularer Natur sein. So sind die Muslime in Bosnien – Nachkommen von Slawen, die unter osmanischer Herrschaft konvertiert sind – nicht immer dafür bekannt gewesen, dass sie regelmäßig in der Moschee beten, sich des Alkohols enthalten, die Frauen von den Männern absondern und andere gesellschaftliche Praktiken befolgen, die gemeinhin mit gläubigen Muslimen in anderen Teilen der Erde in Verbindung gebracht werden. Sie wurden unter dem früheren kommunistischen Regime Jugoslawiens seitens der Behörden als [19]Muslime bezeichnet, um sie von den (orthodoxen) Serben und den (katholischen) Kroaten zu unterscheiden. Das Etikett »Muslim« kennzeichnet also ihre Zugehörigkeit zu einer ethnischen Bevölkerungsgruppe, ohne notwendigerweise etwas über die religiösen Überzeugungen der Mitglieder auszusagen. In diesem engen Bedeutungszusammenhang (der auch für andere muslimische Minderheiten in Europa und Asien gelten mag) ist es nicht zwangsläufig unmöglich, sowohl Muslim als auch Atheist oder Agnostiker zu sein – genau wie es ja auch jüdische Atheisten oder Agnostiker gibt. Im Gegensatz dazu verweist das Wort »Christ« oder »Christin« mittlerweile im normalen Sprachgebrauch auf eine rein konfessionelle Bindung: Auch wenn besonders fortschrittliche Theologen sich des Begriffes ab und zu bedienen mögen, ist ein »christlicher Atheist« für die meisten ein Widerspruch in sich, und das, obwohl wir nach wie vor von der westlichen als einer überwiegend christlichen Kultur sprechen können. Allerdings sollte nicht übersehen werden, dass diese säkulare Definition des Begriffes »Muslim« (zuweilen begegnen auch die Bezeichnungen »kultureller Muslim« oder »nomineller Muslim«) keineswegs unumstritten ist. Genau wie die fundamentalistischen Christen in Amerika den Terminus »Christ« für sich reklamieren und damit ausschließlich diejenigen bezeichnen, welche ihre ganz bestimmte (für gewöhnlich enge) Version des Glaubens teilen, tendieren auch die muslimischen Aktivisten unserer Tage dazu, die begrifflichen Grenzen zwischen sich und den anderen Muslimen neu zu ziehen und alle auszuschließen, die ihre Ansichten nicht teilen. In extremen Fällen kann das so weit gehen, dass sie diese dann als »Ungläubige« bezeichnen. Alles in allem ist die Verwendung der verschiedenen Bezeichnungen wenig konsistent. Dort, wo Muslime, gleich wie verweltlicht oder lediglich »kulturell muslimisch« sie sein mögen, mit dem Rücken zur Wand stehen, werden sie, wie es in Bosnien geschah, wo 1995 tausende vielfach nicht praktizierende Muslime von Serben ermordet wurden, in der [20]politischen Rhetorik großzügig zu den Gläubigen gezählt. In Ägypten oder Tunesien dagegen, wo manche Eliten, die westlichen Wertvorstellungen zugeneigt sind, als zu säkularisiert betrachtet werden, wird nicht praktizierenden Muslimen möglicherweise der Stempel »Ungläubige« aufgedrückt«. Allerorts bezeichnen die Wörter »Islam« und »Muslim« ein Territorium, auf dem die Gebietshoheit heftig umstritten ist.

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