Читать книгу Malleus Proletarum - Der Proletenhammer - Marcello Dallapiccola - Страница 10

5 – Unterwegs im Ersatz-Benz

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Frasther wusste, er musste sich nur ein wenig in der Nähe der Nutten herumtreiben, die sich für den Prag-Luis die Beine in den Bauch standen und darauf warten, dass ein fetter Kerl in einer weißen Karre auftauchte. Also gurkte er gemächlich in Prag-Luis' Revier herum, bis er eine genervt wirkende Blondine mit Pelzmantel und überkniehohen, weißen Stiefelchen erblickte. Er suchte sich einen Parkplatz in der Nähe, zündete sich einen Tschick an und beobachtete gelangweilt die Blondine bei der Arbeit.

War schon ein komischer Kauz, dieser Prag-Luis, sinnierte er. Immer voll unter Strom, immer gestresst, immer am Rande des Nervenzusammenbruchs – soviel wie der herumzappelte, hätte er eigentlich gertenschlank sein müssen. Doch seine Geschäfte hatte er unter Kontrolle, auch wenn man es ihm auf den ersten Blick nicht zugetraut hätte.

Es dauerte fast zwei Stunden, bis endlich ein verfluchter weißer Benz mit einem Schwabbel am Steuer auftauchte. Frasther hatte schon fast keine Tschicks mehr und ohne rauchen zu können, hätte ihn das Warten dann aber wirklich angeschissen. Sowieso hatte er sich sich die längste Zeit dafür verflucht, dass er vergessen hatte, ein paar Dosen Bier zu organisieren. Der Schnaps fuhr langsam aus und das drohte ihn müde zu machen. Immerhin – das Weib hatte in diesen knapp zwei Stunden fünf Typen gemacht, der Prag-Luis musste höchst zufrieden sein.

Er wartete ab, bis der weiße Benz zu dem Mädchen herangefahren war. Eine fleischige Pranke streckte sich der Kleinen entgegen. Diese holte brav ein Bündel Zaster aus ihrer Handtasche und legte es in die fordernd ausgestreckte Kralle. Ein kurzer Smalltalk folgte, das Weibsbild kicherte, was der Prag-Luis tat, konnte Frasther nicht erkennen. Also stieg er aus und schlenderte gemütlich auf den Benz zu. Er grinste und hob beschwichtigend seine Hände, als er sah, dass der Prag-Luis gleich hektisch in seinem Jackett nach der Puffn wühlte.

Als der Luis ihn erkannte, hörte er damit auf und ließ das Fenster herunter. „Na, du hast mir einen Schreck eingejagt, Frasther! Solltest besser aufpassen – wenn ich nervös bin kann das durchaus auch ins Auge gehen…”

Frasther baute sich breit grinsend vor dem offenen Autofenster auf und trompetete ins Wageninnere hinein: „Hab' dir doch gesagt, dass ich dich heut Abend abfange. Was dachtest du denn, einer der's auf dich abgesehen hat, kommt frontal von vorne auf dich zu?”

„Wenn ein großer, breitschultriger Kerl aus dem Dunkel auftaucht, greif' ich zur Sicherheit nach der Knarre, man kann ja nie wissen. Hab' dich im Dunkel ja kaum erkannt“, schnaufte der Luis. „Komm, steig ein, wir haben zu tun!“

Frasther nahm auf dem Beifahrersitz von Prag-Luis’ Ersatz-Benz Platz und zündete sich gemütlich einen Tschick an. „Wie gehen die Geschäfte, Luis? Hat das Mädchen brav angeschafft?“ Er deutete auf die Strichkatze, die der Prag-Luis soeben abkassiert hatte.

Der Gfüllte war mit dem Verkehr beschäftigt und antwortete nicht, also überlegte Frasther laut weiter: „Dem Pelzmantel nach zu urteilen, nagt sie jedenfalls nicht am Hungertuch…“

„Das ist doch kein echter Pelz, Frasther. Geht schon lange nicht mehr, wegen der Tierschützer. Die haben schon einige der Mädchen mit Farbe angeschüttet, um die Pelze zu versauen, drum tragen die heute alle nur noch Kunstpelz…“

„Tierschützer?“, staunte Frasther.

„Ja, durchgeknallte, militante Idioten, die glauben, wenn sie möglichst viele Pelze versauen, retten sie die Käfig-Viecher… sobald links-alternativ aussehende Spinner auf die Mädels zugehen, schreien die alle panisch: 'Kunstpelz, Kunstpelz!' um nicht wieder mit Farbe angeschüttet zu werden!“, erklärte der Prag-Luis verärgert.

„So was!“, staunte Frasther, dem dieser Umstand komplett neu war.

Der Prag-Luis steuerte nervös seine Karre durch den dichten, nächtlichen Verkehr und wechselte das Thema: „Und? Hattest du schon Zeit, dich ein wenig umzuhören, was dieses Gesindel betrifft, das mir das Leben schwer macht?”

„Umgehört hab' ich mich, aber rausgefunden hab' ich nicht viel – niemand scheint diese Typen zu kennen. Auch unsere Verschrottungsaktion von gestern Nacht hat sich noch nicht überall rumgesprochen…“

„Was? Wie kann das sein? Steht in der Morgenzeitung… Ich hatte die größten Schwierigkeiten, meine Hampel dazu zu bewegen, die Sache geradezubiegen. Kann doch nicht sein, dass sich das noch nicht herumgesprochen hat.”

„Was hast du da für Typen geschmiert? Bullen?“, fragte Frasther.

„Logisch Bullen! Und Typen von der Stadt, damit sie das Wrack verschwinden lassen… man hat mir zu verstehen gegeben, dass wir den Ball etwas flacher halten sollen, so eine Sauerei ließe sich vielleicht einmal kaschieren, aber nicht, wenn es öfters passiert.“

„Die sollen nicht rumjammern, immerhin werden sie gut bezahlt fürs Wegschauen. Zwei Autowracks sind doch schnell verschwunden, notfalls versenkt man sie einfach im See…“, brummte Frasther.

„Die Wracks sind nicht so das Problem, eher die Leichen“, führte der Prag-Luis aus.

„Die sind im See auch gut aufgehoben, haben die Fische mal was Feines. Man kann auch alles unnötig kompliziert machen, Luis!“

Der Prag-Luis schnaubte und kam dann auf einen anderen Teilaspekt des Ganzen zu sprechen: „Im Moment ist die Sache jedenfalls erledigt – mir macht nur Sorgen, dass es doch eine Weile gedauert hat, bis die Wracks weggeschleppt wurden. In der Zeit hätte jemand erkennen können, dass es mein schöner Benz ist, der da in Flammen aufging.“

„Ach, um die Zeit waren doch alle im Bett, das hat keine Sau mitgekriegt. Die Taxifahrer haben einen Obolus bekommen und halten die Schnauze, der Bertl sowieso – das will ich ihm zumindest geraten haben!“, wiegelte Frasther ab.

„Hast du ihm das so gesagt?”

„Nein, hab' ihn ja nicht mehr gesehen. Aber ich krieg' noch Geld von ihm, also wird er mir die nächsten paar Tage übern Weg laufen…“

„Wenn du ihn triffst, mach ihm klar dass er zu niemandem ein Sterbenswörtchen sagt!“

„Der wird nix sagen, der hängt ja selber mit drin. Der Bertl hatte vermutlich genug Probleme, ein Geschichtchen für die Kugel in seinem Haxen zu erfinden, das er dem Doktor erzählen kann. Und überhaupt sind die Halbseidenen rund um den Bertl selber dran interessiert, dass hier kein neuer Spieler auf den Markt drängt, dann könnt' es nämlich für sie auch eng werden… also, zerbrich dir nicht den Schädel wegen dem.“

„Du hast leicht reden, dein Arsch ist ja nicht in der Schusslinie…“, meckerte der Luis weiter herum.

„Jetzt jammer nicht wie ein Mädchen!“, brüllte Frasther ihn an. „Soweit ich weiß, haben wir seit gestern einen Deal, oder? Für fünfhundert Kröten pass' ich auf deinen Fettarsch auf, drum ist mein Hintern genauso in der Schusslinie, wenn ich dir den Gorilla mach'! Also hör auf rumzuplärren, oder ich verlang' das Doppelte!“

Der Prag-Luis stieß Verwünschungen aus, als ein Motorradfahrer ihn schnitt. Dann sagte er: „Wir müssen unbedingt rausfinden, wer diese Typen sind und wo sie sich verkrochen haben. Die werden sich das von gestern Nacht nicht gefallen lassen und sich rächen wollen, also sollten wir einen Präventivschlag gegen sie führen, bevor sie uns die Ärsche aufreißen.”

Frasther ließ seinen Tschickstummel durch das zu einem Schlitz geöffnete Autofenster auf die Straße fallen und sprach: „Nur die Ruhe, Luis. Die haben jetzt erstmal die Schockstarre zu überwinden und dann werden sie sich Zeit lassen mit ihren Vorbereitungen, um nicht nochmal ins offene Messer zu laufen. Bis dahin wissen wir, mit wem wir es zu tun haben und können uns entsprechend wappnen.“

„Was heißt hier 'wappnen'?!?“, fauchte der Luis. „Sobald ich weiß, wo diese Ratten ihr Nest haben, miete ich noch ein paar Jungs wie dich dazu und dann blasen wir denen den Marsch, dass ihnen Hören und Sehen vergeht!“

Frasther runzelte die Stirn. „Dir sollte schon klar sein, dass du nicht der richtige Typ für einen Bandenkrieg mit der Ostmafia bist, Luis. Die kommen von woher, wo ein rauher Wind weht. Diese Burschen mussten wahrscheinlich schon als Kinder lernen, wie man Bären und Wölfe mit bloßer Hand umbringt, um zu überleben; was glaubst du, wieviele Leute du hierzulande finden wirst, die sich mit denen anlegen wollen?”

Der Prag-Luis winkte ab. „Übertreib nicht, mit den beiden Kerlen sind wir ja ohne weiteres fertig geworden. Du wirst doch wohl zwei, drei Männer finden, die da mit einer ordentlichen Ausrüstung und der Aussicht auf eine großzügige Prämie reinmarschieren und mal so richtig Kleinholz machen!” Er unterstrich seine Aussage mit wildem Herumgefuchtel.

Während Frasther noch nach Worten suchte, um seine Entgegnung zu formulieren, fluchte Prag-Luis weiter: „Scheiße nochmal, jetzt bin ich doch glatt an ihr vorbeigefahren… warte mal, ich muss irgendwo umdrehen, mitten in diesem Scheißverkehr!” Er schnaubte und schwitzte und lenkte die Karre mit wildem Blick an eine Bushaltestelle, um umzudrehen.

Vor lauter Diskutieren war er doch glatt an einem seiner Hühner vorbeigefahren – Frasther sah auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine ausgezehrte Rothaarige in hohen Pumps und einem billigem Kunstpelzmantel, die gelangweilt durch die Gegend glotzte. Der Prag-Luis parkte die Karre und winkte das Mädchen her. Wie in Zeitlupe kam sie herangestöckelt und wiederkäute mechanisch wie eine Kuh auf einem Kaugummi.

„Kann die ihren fetten Hintern nicht schneller bewegen, verflucht?”, schimpfte der Prag-Luis und steckte sich eine Kippe an. „Das ist alles Arbeitszeit, die hier verludert wird, Teufel noch eins…”

„So fett ist der Hintern von der doch gar nicht. Ich find’ eher, die ist viel zu dünn zum Ficken, die bricht ja auseinander wenn ich g'scheit losleg'…”, überlegte Frasther vor sich hin, während er die Tussi begutachtete.

„Ich sag' ja nur so! Übrigens hab' ich ja auch Dickere im Sortiment, wenn du's gern handfest hast – aber dieser verdammte Kaugummi, wie sieht denn das aus!?!”

Endlich war das dürre Huhn auf Brüllweite heran – also etwa drei Meter, bei dem dichten Verkehrsaufkommen – da kurbelte der Prag-Luis auch schon sein Seitenfenster herunter. „Beweg deinen Arsch hierher, aber sofort, verdammt nochmal! Und spuck augenblicklich den verdammten Kaugummi aus!”, schnauzte er sie an. Das Weib zuckte nicht mal mit einer Wimper und machte auch keinerlei Anstalten, den Schritt zu beschleunigen; sie senkte lediglich den Kopf ein wenig zur Seite und ließ geräuschlos den Kaugummi aus dem Mund fallen.

„Nun komm schon oder soll ich aussteigen und dir Beine machen!?!” Es klang wie ein Befehl, nicht wie eine Frage, schien aber zu wirken. Das Mädchen trippelte ein klein wenig schneller. Sie beförderte eine beträchtliche Menge Bargeld aus dem Inneren ihres Mantels hervor, das sie artig dem Luis übergab.

„Irgendwelche Vorkommnisse?”, fragte er mürrisch, während er die zerknautschten Scheine glatt strich und zu zählen begann.

„Nix”, sagte die Dürre.

Der Luis war mit Zählen fertig und fuchtelte dem Mädchen mit dem Bargeld-Bündel vor der Nase herum. „Die Bella hat fünf Scheine mehr gemacht als du, was soll das? Du liegst unter dem Schnitt, verdammt! Hast noch fünf Stunden Zeit bis Schichtende, mach vorwärts, dass du das hereinbringst!”, herrschte er die Schnepfe an. „Und schau mich an, wenn ich mit dir rede!”

Die Alte vollführte einen Augenaufschlag, der irgendwo zwischen gelangweilt und genervt lag, und erwiderte Luis' Blick: „Keine Panik, Luis. Meine Kundschaft kommt erst noch.”

„Dann ist ja gut“, schnaubte der Luis. „Und jetzt verschwinde, hopp, an die Arbeit mit dir!”

Er scheuchte sie mit wedelnden Handbewegungen hinfort. Frasther grinste und schüttelte den Kopf. Respekt hatte die jedenfalls nicht viel vor dem Luis, dachte er sich. Minuten später waren sie wieder auf Prag-Luis' Kontrollroute unterwegs; der Luis schien jedoch einen kleinen Abstecher einzulegen, denn er bog von der Hauptstraße ab und parkte den Benz vor dem 'Beisl'.

Das 'Beisl' war eigentlich ein Privathaus, wurde jedoch von der ortsansässigen Halbwelt als Rückzugspunkt genutzt. Bewirtschaftet wurde das 'Beisl' von Herrbert, einem ziemlich in die Jahre gekommenen Ex-Preisboxer und Ex-Zuhälter, der aussah wie die heruntergewirtschaftete Version eines Giftgasangriffe befehlenden Brigadegenerals aus dem Ersten Weltkrieg.

Es gab Getränke fast zum Selbstkostenpreis, einen Billard- und vier Kartentische und wenn man Hunger bekam, schob der Herrbert einem auch eine Pizza oder ein Baguette in die Mikrowelle. Es wurde in moderatem Rahmen gezockt, Geschäfte wurden angebahnt und abgewickelt und es störte sich auch niemand daran, wenn man das eine oder oder andere illegale Substänzlein konsumierte, solange nichts aus dem Rahmen fiel. Es gab drei Hinterzimmer – zwei für Damenbesuch und eines für ganz spezielle Geschäfte. Für den Fall, dass sich irgendwer nicht zu benehmen wusste, gab es neben Herrbert – den man trotz seines Alters nicht unterschätzen sollte – auch noch den bulligen Glatzkopf Prackob, der stets den ganzen Abend reglos am Fleck hockte, grimmig dreinschaute und kaum ein Wort sagte. Eintritt selbstverständlich nur nach erfolgter Gesichtskontrolle.

Außer Herrbert und Prackob waren lediglich drei Knastrologen* anwesend, die an einem der Kartentische saßen und rauchend sowie biersaufend eine Motocross-Übertragung im Fernsehen verfolgten.

„Holla, der Hauinger als Schatten vom Luis unterwegs”, grüßte Herrbert grinsend. „Wenn da mal nix im Busch ist.“

Frasther nickte zufrieden. Der Herrbert wusste also etwas, sonst würde er nicht so daherlabern.

Prackob saß an seinem Platz und starrte grimmig ins Leere – er schien nicht mal zu bemerken, als sich Frasther und der Prag-Luis durch sein Blickfeld hindurch bewegten.

Sie nahmen am Tresen Platz; Frasther bestellte ein Bier, der Luis einen doppelten Weiß-Süß*, zwei Magenbitter sowie zwei dreifache Whiskey für sich und nochmal drei Schnäpse extra, zum Anstoßen.

„Hast' was Gröberes vor heute, oder was?”, fragte Frasther, amüsiert über diese Großbestellung.

„Erstens hab' ich einen Durscht wie ein Viech und zweitens muss ich meine Nerven unter Kontrolle bringen”, antwortete der Prag-Luis. Dann wühlte er seine Geldbörse hervor, holte einen Fux* für Herrbert hervor und ein paar Scheine, die er Frasther rüberschob. „Hier schon mal eine Anzahlung, für heute und für morgen.“

Dann nestelte er weiter in seinem Jackett herum und beförderte einige Utensilien zutage, die Frasther nur vom Wegschauen kannte. In Windeseile schaufelte er ein weißes Pulver vor sich auf den Tisch, zerdrückte und zerhäckselte das Zeugs mit einer Kreditkarte, zog ein Spürchen damit und rollte sich genüsslich einen Geldschein zusammen.

Frasther verzog angeekelt das Gesicht und fragte zweifelnd: „Und das Zeug soll deine Nerven unter Kontrolle bringen?“

Herrbert war inzwischen mit einem Tablett voller Getränke heranspaziert: „Da hat halt jeder so seine eigenen Methoden“, meinte er.

Wieso machst denn das nicht mit ‘nem großen Schein, wär das nicht stilvoller als mit ‘nem läppischen Fünfer?”, erkundigte sich Frasther; in den Filmen zogen sich die Kokser ihren Mist immer mit Tausendern in die Nase.

„'n Schein ist zu groß, da bleibt zuviel Zeugs drin hängen”, belehrte ihn der Luis, schob sich den zusammengerollten Fünfer in ein Nasenloch und rüsselte das weiße Spürchen mit einem pfeifenden Sauggeräusch weg. Danach legte er den Kopf in den Nacken, schnupfte und grunzte und zog sich die Nase hoch, als ob er eine Erkältung hätte.

„Als ob dein Herz nicht eh schon genug zu pumpen hätte. Gesund kann das nicht sein”, moralisierte Frasther, dem Drogen immer schon suspekt gewesen waren.

„Was heißt hier gesund? Erstens bist du nicht mein Arzt und zweitens hab' ich ganz andere Sorgen im Moment…“

Er griff nach dem Magenbitter und prostete Frasther zu. Herrbert hatte sich ebenfalls ein Bier gezapft und stieß mit den beiden an.

„Ah, tut das gut, so ein Kräutertrankerl! Da wird einem doch glatt warm ums Herz!”, philosophierte der Prag-Luis, nachdem er seinen Kräuterschnaps hinuntergestürzt hatte. Langsam stahl sich ein seliges Grinsen in sein schwabbeliges Gesicht.

„Was hast' denn für Sorgen, Luis? War die Karre nicht versichert?“, fragte Herrbert und kam damit zur Sache. Es hätte Frasther auch gewundert, wenn der Beisl-Wirt noch nichts von ihrer Verschrottungsaktion gehört hätte.

„Ich hatte keine Zeit, mit den Typen zu reden, deshalb weiß ich jetzt nicht, was für ein Rattenschwanz da noch dranhängt. Man weiß nicht mal, wer die Kerle sind und wo sie ihr Hauptquartier aufgeschlagen haben. Das macht's natürlich schwierig, mit denen zu verhandeln“, setzte der Luis den Wirt über den Stand der Dinge in Kenntnis.

„Ich glaub', verhandeln musst' mit denen nicht mehr. Dürfte denen genauso klar sein wie dir, worauf das hinausläuft.“

„Komm schon, Herrbert! Du hast sicher was gehört – spuck's aus, wenn du was weißt“, jammerte der Luis entnervt.

„Haben die angefangen rumzuballern oder wart ihr das?“, erkundigte sich der Herrbert ungerührt.

„Es war reine Notwehr, wir wollten ihnen erst nur ein bisschen folgen, um zu sehen, wohin sie fahren, aber die haben gleich angefangen mit der Knarre zu fuchteln!“, entrüstete sich der Luis ein wenig zu laut, kriegte sich jedoch gleich wieder ein, als Herrbert wie zur Warnung einen prüfenden Blick in Richtung der Knastrologen warf.

„Is' wahr, die ham' zuerst geschossen“, bestätigte Frasther.

Herrbert wischte mit dem Lappen gedankenverloren auf dem Tresen herum. Er schien zu überlegen. Schließlich brummte er: „Man hört ja so allerhand. Die Geschichte von der Russenmafia glaub' ich jedenfalls nicht. Mal ehrlich, was sollen die hier? Vor allem – wenn die Russen kommen, dann mit Krawall. Also, ich mein', ich hab' noch von keinem Giftler gehört, dass sich wer in sein Geschäft drängen würde – oder von den Casinofuzzis. Oder Sicherheitsbranche, oder Warenverkehr. Nix, nada, niente. Deren Geschäfte gehen wie eh und je. Also keine Russen. Da scheint's rein um den Strich zu gehen und offenbar haben sie sich grad dein Revier ausgesucht. Tja, das ist blöd für dich.“

Frasther grinste; mit dieser Aussage von Herrbert war sein Marktwert für den Prag-Luis soeben ordentlich angestiegen.

„Der Joe, Schlawinski und Renato – keine Probleme?“, bohrte der Luis nach. Vermutlich hätte er nur zu gern gehört, dass seine alten Konkurrenten ebenfalls in Schwierigkeiten steckten.

Doch Herrbert enttäuschte ihn: „Wie gesagt, bis jetzt nix gehört. Scheint alles normal zu laufen bei denen. Vielleicht irgendwelche alten Freunde von dir, Luis?“

„Ich hab' keine alten Freunde…“ Der Luis glotzte mit großen Augen und dämlichen Grinsen auf das Getränkebord hinter der Bar. Er hatte seine vielen Getränke inzwischen fast alle geleert – seit er sich das Zeug in die Nase gezogen hatte, hatte sich seine Trinkfrequenz enorm erhöht.

Frasther sah es an der Zeit, sich einzuschalten. „Was meinst', was tun?“, fragte er den Wirt.

Der wischte erneut mit seinem Lappen auf dem Tresen herum. „Nix gegen dich, Frasther, aber wenn ich der Luis wär', würd' ich mir noch ein paar Kerle mehr von deiner Sorte organisieren. Und eine professionelle Ausrüstung – ich könnt' dir da was vermitteln, Luis.“

„Okay, dann mach das! Ausrüstung für mindestens vier, fünf Jungs – wie lange brauchst', um das zu organisieren?“ Der Luis nickte hektisch und steckte sich eine Kippe an.

„Organisieren tu' ich gar nichts. Du kommst in ein zwei, drei Tagen wieder vorbei, und ich sag' dir dann Bescheid. Organisieren musst du dir das Zeug aber schon selber.“

„Kein Problem, kein Problem – Frasther wird mich dann halt begleiten, aber das wird ja wohl kein Thema sein. Mach das fix, ich komm' übermorgen wieder vorbei“, sagte der Prag-Luis, der inzwischen ziemlich aufgekratzt wirkte. Da er seine Getränke leer hatte, machte er Anstalten, das Beisl wieder zu verlassen; Frasther musste sich mit seinem Bier beeilen.

Als er das eilig geleerte Bierglas abstelle, blickte Herrbert ihm scharf in die Augen: „Pass auf, dass der nicht zu sehr am Rad dreht“, er deutete mit dem Kopf auf den Luis, der auf seinem Weg zum Ausgang ein paar Worte mit Prackob wechselte. „So nervös wie der is', kann leicht ein Scheiß passieren“. Mit dieser kryptischen Aussage schlurfte er davon.

Eine halbe Stunde später waren sie wieder unterwegs im Ersatzbenz; die Nacht war inzwischen tief und dunkel, nur das Schimmern der Straßenlaternen und das Glimmen der Tschicks spendete Licht. Der Prag-Luis fuhr noch seine Tour zu Ende und kontrollierte die Einnahmen seiner Damen, Frasther saß gelangweilt daneben, rauchte eine nach der anderen und soff Dosenbier. Der Schwabbel tschickte auch nicht wenig, zog sich billigen Automatenkaffee mit Schuss in die Birne und fluchte ununterbrochen über den Verkehr. Schließlich bog er bei einer belebten Kreuzung links ab, in eine etwas ruhigere Seitenstraße hinein. Außer ein paar Besoffenen, die hier von einer Bar in die andere torkelten, war in dieser Straße nichts los und Frasther begann sich gerade zu wundern, als der Prag-Luis die Karre vor einem Hydranten parkte.

„Muss mal den Kaffee abladen“, schnaufte er, wand seine Masse aus dem Sitz und spazierte in eine Seitengasse, um sich an einer Hauswand zu platzieren. Kaum hatte der Prag-Luis seinen Schwanz in der Hand und war damit beschäftigt, den Strahl zu kontrollieren, da öffnete sich plötzlich die Fahrertür und ein verlaust aussehender junger Mann huschte gewandt neben Frasther auf den Fahrersitz. Breit grinsend ließ der Kerl den Motor an und haute die Autotür zu.

Der Prag-Luis, immer noch pissend, drehte erstaunt den Kopf herum. Offenbar hatte der Möchtegern-Autodieb vor lauter Freude über den Benz mit steckendem Zündschlüssel vergessen nachzuschauen, ob da auch sonst niemand im Auto hockte; dieser Umstand wurde ihm jetzt schmerzhaft gewahr, als Frasthers Faust, gewaltsam wie eine Strafe Gottes, in seinem Gesicht einschlug.

„Autos klauen tust du also?”, sagte Frasther höhnisch.

Sein Faustschlag hatte den Kopf des Würstchens wie ein Mobile mehrmals wild hin- und herpendeln lassen, bevor er wieder in seine normale Position auf der Wirbelsäule einrastete.

„Humppfff…”, machte der Kerl und sabberte ein bisschen mit Blut vermischten Speichel.

Frasther prackte* ihm noch ein paar leichte, aber wohlplatzierte Schläge; gegen die Rippen, auf die Nase und so, aber gerade so fest, dass der Kerl beschäftigt war. Er grinste breit, als er die verzweifelten Versuche des Würstchens sah, sich aus seiner misslichen Situation zu befreien.

Als er den Kerl dann kurz ausließ, griff der panisch nach dem Schließmechanismus der Autotür, riss verzweifelt den Schlag auf – Frasther ließ ihn jetzt seelenruhig gewähren – und rollte sich fluchtartig vom Autositz. In dem Moment, als er den Kopf in die vermeintliche Freiheit hinaus streckte, knallte auch schon der Griff von Prag-Luis’ Puffn auf den Schädel. Das Bürschchen, das so halb aus dem Auto herausgekommen war, sank ächzend zusammen, ein dickes Rinnsal Blut sprengte aus einer klaffenden Wunde an seiner Stirn. Der Prag-Luis lachte laut auf und zog den Kerl am Krawattl* ganz aus dem Benz heraus.

„Dass du mir mit deinem verseuchten Rattenblut ja nicht die Karre versaust, Bürschchen!”, sagte er und trat dem Kerl mehrmals mit seinen Straußenleder-Schlüpfern in die Fresse. Als der Kerl sich nicht mehr rührte und nur noch elend röchelte, zwängte sich der Luis, grimmig schnaubend, wieder auf den Fahrersitz und fuhr quietschenden Reifens davon. Frasther bog sich auf dem Beifahrersitz vor Lachen und der Prag-Luis konnte nicht umhin, sich ebenfalls ein Schmunzeln abzuringen.

„Wollt' der doch glatt meinen schönen neuen Benz klauen – so eine Mistratte!”

„Du hättest sein Gesicht sehen sollen, als er bemerkt hat, dass ich auch im Auto hocke – er hat’s erst bemerkt, als es PRACK gemacht hat…” Frasther hielt sich den Bauch vor lachen.

„Wart ab, wie sein Gesicht morgen aussieht, mein Lieber – bist du deppert, hab' ich dem eingeschenkt“, triumphierte der Luis.

Frasther steckte sich, immer noch kichernd, den x-ten Tschick an. „Was steht denn jetzt noch alles an, Luis? Von der Herumfahrerei zwickt mir langsam der Arschmuskel…?“

„Wir fahren jetzt noch die letzten drei Hühner ab, dann schnappen wir uns eine Nutte und verziehen uns in ein lauschiges Separee im 'Crazy', was hältst du davon?”, fragte der Prag-Luis.

Die Vorstellung, den Prag-Luis nackt sehen zu müssen, behagte Frasther überhaupt nicht. „Meinst' schon, das is'ne gute Idee, so öffentlich im Partytempel abzufeiern? Ich mein', wenn der Feind doch irgendwo da draußen ist?”

Der Prag-Luis überlegte kurz. „Aber ich geh' immer noch ein wenig abhängen nach der Arbeit – das gehört mit zum Job. Kontakte pflegen und so. Und wenn ich mich jetzt verkrieche, sieht es so aus, als ob sie mir den Schneid abgekauft hätten; nein, das geht nun wirklich nicht. Die sollen nur sehen, dass ich einen Gorilla hab' und mich einen Dreck um sie scheiße!”

Da hatte der Luis nicht mal so Unrecht, fiel Frasther auf. Die Kontakte und ob das zum Job gehörte oder nicht, interessierte ihn zwar wenig; jedoch den Schwanz einzukneifen, das kam gar nicht in die Frage, da musste er ihm zustimmen. Schon gar nicht, wenn er mit an Bord war.

„Da is' was dran, Luis“, murmelte er. „Jetzt bringen wir erstmal den Job hier zu Ende und dann seh'n wir weiter. Wir sollten uns sowieso beeilen, ich hab’ nur noch eineinhalb Biers*…”

„Das ist ja auch nicht normal, wieviel Bier du säufst, und das ohne jemals wirklich besoffen zu werden. Du hast jetzt einen Sechserpack in zwei Stunden vertilgt und wirkst noch genauso wie vorher…”, stellte der Luis anerkennend fest.

„Das ist für mich wie Benzin für deine Karre – ohne läuft es nicht. Wenn ich mich besaufen will, dann schlucke ich was Härteres, das Bier trink’ ich so wie andere Wasser trinken. Oder so wie du Automatenkaffee säufst”, erklärte Frasther ihm.

Der Prag-Luis antwortete nicht, denn er war gerade damit beschäftigt, die Karre zu verlangsamen und an den Bordstein heranzumanövrieren. Dort hatte sich eine Dame platziert, die soeben aus einer Luxuskarosse ausgestiegen war. „Netten Job gehabt, Baby?”, begrüßte er salopp die Kleine.

„Die Gstopften* sind immer die Kranken, das weißt du genau!”, sagte sie emotionslos und machte sich daran, Kohle aus ihrer Handtasche hervorzuschaufeln.

„Sind aber auch die Ertragreichsten, oder? Sieh nur die vielen schönen Scheinchen an… brav hast du gearbeitet, Mädel!”, der Prag-Luis jubilierte, offenbar war er mit der Ausbeute mehr als zufrieden. Wie üblich steckte er die Scheine in die Ablage an der Autotür. „Zwei Scheine machst du mir heute noch, dann darfst du nach Hause gehen, klar?”

„Zwei Scheine, geht klar.”, antwortete die Schnepfe und stöckelte davon.

Der Benz beschleunigte mit aufheulendem Motor von ihrem Standplatz weg. Frasther zündete sich einen Tschick an. „Da kommt ja ganz schön was an Kohle zusammen. Wusst' nicht, dass dieses Nutten-Ding heutzutage noch so gut läuft…. schon klar, dass es dir auf die Eier geht, wenn dir da welche in die Suppe spucken wollen.“

„Die Kohle ist auch hart genug verdient! Komm du mal mit dem Hühnerhaufen klar!“, begehrte der Prag-Luis auf, um gleich wieder in eine sanftere Tonart zu wechseln: „Frasther, hör mir zu! Ich bin hier seit über zehn Jahren schon der Chef im Viertel. Ich hab' mir das hier aufgebaut, mit Blut, Schweiß und Tränen. Und das war nicht leicht, du warst damals bei den Revierkriegen dabei, ich muss dir nichts erzählen. Doch jetzt ist Ruhe, und das schon sehr lange – ich mach' meine Geschäfte, kann ganz anständig davon leben und ich will, dass das gefälligst so bleibt!”

„Schon klar! Warum redest du nicht mit den anderen Knilchen deines Kalibers, ob ihr da nicht gemeinsam was machen könnt?”, fiel Frasther ihm ins Wort.

„Mit wem soll ich denn da reden? Schlawinski, der Bsuff, der den ganzen Tag nur am Kartentisch lungert? Oder mit Don Renato, diesem Spinner, der hauptsächlich mit seinen Mädels Party feiert, anstatt sie anschaffen zu schicken?”

„Aber der Joe, der macht schon was her?”, unterbrach Frasther.

„Naja, das Verhältnis zwischen dem Joe und mir war nie gerade das Beste, verstehst du?”, versuchte der Prag-Luis zu erklären. „Ich könnte mir sogar vorstellen, dass der Joe da dahintersteckt…“

„Ach was, der Joe ist doch genauso eine Lusche wie du! Der ist froh, wenn's keinen Stress gibt und er in Ruhe abkassieren kann. Dass die es im Moment nur auf dein Revier abgesehen haben, muss andere Gründe haben; wenn's vom Joe ausginge, wüsst' ich was davon.“

„Na, ist ja auch egal. Wir machen's wie Herrbert gesagt hat, organisieren uns anständige Knarren und dann nehm' ich die Sache in die Hand…“, schnaubte der Luis.

„Was heißt hier 'wir'? Noch sind wir nicht verheiratet, mein Guter!”, ermahnte ihn Frasther.

„Ich hab’ doch extra gesagt: Dann nehm’ ICH die Sache in die Hand…!”, brüllte der Prag-Luis ihn an.

„Schon gut, schon gut, reg dich nicht auf, Luis! Du hast ja Recht. Knarren sind schon mal eine gute Idee. Aber dann müssen wir erst noch rausfinden, wo die Kerle sich verkrochen haben – so hauruck, wie du dir das vorstellst, funktioniert das nicht!”, belehrte Frasther ihn.

Der Prag-Luis nickte, als er mit dem Benz am Bordstein ankerte, doch in Gedanken schien er aber bereits wieder am Kassieren zu sein. Diesmal war es eine etwas dickliche Schnepfe um die dreißig. Sie hatte ein Pfannkuchengesicht, ein beachtliches Dekolletee und ein etwas dämlich wirkendes Grinsen aufzuweisen. Der Prag-Luis raunzte sie an, dass sie unter dem Schnitt wäre und rüffelte sie gleich weiter, dass das kein Wunder wäre, weil sie so verdammt fett sei und dass sie gefälligst ein wenig abnehmen solle. Frasther grinste, als ausgerechnet der Prag-Luis eine Predigt gegen das Fettsein hielt.

„So, und was funktioniert nicht hauruck?”, kam der Luis wieder zum eigentlichen Thema zurück, als er dem Benz erneut sie Sporen gab.

„Ich hab' nur gemeint: Nicht aus der Hüfte schießen, sondern langsam, in aller Ruhe und systematisch vorgehen. Du musst einen Haufen Zeugs bedenken, zum Beispiel, wo du die Leichen entsorgst…”

„Ha!”, brüllte der Prag-Luis auf. „Ha! Na, du wirst schauen – die paar Knochen sind wir immer noch losgeworden! Da wirst du dich wundern, Frasther, das sag’ ich dir!”

„Sag schon, was hast'n da für ‘ne Wunderidee?”, erwachte Frasthers Neugier.

„Nein, das wirst du dann schon sehen, wenn’s so weit ist. Auf dein blödes Gesicht freu’ ich mich jetzt schon…”

„Sag jetzt schon, verdammt, ich mag es gar nicht, hingehalten zu werden!”, knurrte Frasther ihn an.

„Nein, das sag' ich dir nicht, das würde dir ja komplett die Überraschung verderben!”, strampfte* der Prag-Luis.

Frasther bebte auf einmal vor Zornesröte und brüllte ihn an: „Hör mal, Gfüllter, treib’ es nicht zum Äußersten, ja! Du sagst mir jetzt, wie du diese Scheißleichen entsorgst oder du wirst eine Überraschung erleben…!!!” Um seine Forderung zu unterstreichen, donnerte er seine Faust mit voller Wucht in das Armaturenbrett. Da machte es einen lauten Schnalzer* und der Airbag kam ihm entgegen geschossen.

„Ghrrmpf!”, machte Frasther, als das Ding ihn mit einer Mordswatschen in den Sitz hineindrückte. Der Prag-Luis erschrak dermaßen, dass er die Karre gerade noch mit Müh' und Not unter Kontrolle halten konnte. „Scheiße, verdammt!”, brüllte er und fuhr an die Seite.

Der Airbag gab mit einem leisen “Pfff” langsam wieder Luft ab, worüber Frasther froh war, denn so konnte er wenigstens wieder besser atmen. „So eine Scheiße, verdammt nochmal! Ich dachte, das wär’ ein alter Benz, ohne solchen Schnickschnack drin?”, grunzte er.

„Den alten Benz haben wir zerlegt, das hier ist nur ein Nachbau… und jetzt muss ich diese Dreckskarre schon wieder reparieren lassen, verflucht!” Der Luis schien gar nicht erfreut darüber zu sein, dass die Airbags seines Ersatz-Einsatzgefährts offenbar tadellos funktionierten.

„Ich kenn’ da ‘ne sehr gute Tankstelle, 'n Kumpel von mir, der ist spezialisiert auf solche Fälle; aber da ist um diese Zeit natürlich auch kein Mechaniker da… aber wenn die Luft ganz raus ist aus dem Ding, geht’s schon noch, fahren kann man ja… der verdammte Sack hier nervt aber elendig, verflucht!”, sagte Frasther und mühte sich nach Kräften ab, den immer noch laut zischenden Airbag wegzuräumen, ohne den Prag-Luis zu sehr beim Schalten zu behindern. Der fluchte immer noch wüste Verwünschungen vor sich hin. Dann steuerte er den ramponierten Ersatzbenz auf den Standplatz des endgültig letzten Mädels zu, das sie abzukassieren hatten.

„Nanu, was führt denn ihr da auf?”, begrüßte sie den grimmig das Fenster herunterkurbelnden Prag-Luis.

„Geht dich 'n Scheiß an, her mit dem Zaster!”, herrschte der Prag-Luis sie an.

Die Tussi – eine rassige Dunkelhaarige mit ultragrell geschminkten Lidern und monströsen Ohrringen in kitschigen Pastellfarben – begann, die Kohle aus ihrem Handtäschlein zu baggern und fragte ungerührt weiter: „War der Airbag kaputt, oder habt seit ihr wo gegen gedonnert, dass er losging?”

„Ich hab’ draufgedonnert – wußte nicht, dass der Luis in seiner Karre diese Scheißdinger noch drin hat”, informierte Frasther das Mädel. Irgendwas an der erweckte seinen Fortpflanzungstrieb, stellte er fest, als er sie eingehender betrachtete.

„Aha”, antwortete die Schnepfe, so als ob damit alles klar wäre und hakte dann doch nach: „Warum hast du draufgedonnert?” Sie bedachte Frasther mit einem kecken Augenaufschlag. Ihre Kriegsbemalung war eindeutig etwas übertrieben, zumindest für seinen Geschmack.

„Hör mal, wirst du hier fürs plaudern bezahlt oder was?!?”, brauste der Prag-Luis, der umständlich die Kohle glattstrich und in sein Geldfach beförderte, schnaubend auf.

„Ein bisschen Konversation zwischen Dienstgeber und Arbeitnehmer wird ja wohl das Mindeste sein, oder?”, gab die Schnepfe zurück.

Der Prag-Luis, fertig mit Geld einräumen, richtete sich im Fahrersitz auf und sagte: „Erstens bin immer noch ICH dein Arbeitgeber, und nicht der da, und zweitens steigst du jetzt ein, Püppchen, jetzt ist nämlich Feierabend und wir geh'n noch einen draufmachen!”

„Ich würd’ lieber mit dem schnuckligen Typen neben dir einen draufmachen – wie heißt denn du?”, sülzte die Tussi in Frasthers Richtung.

„Das ist Frasther, mein neuer Gorilla, der zerreißt sowas wie dich jeden Morgen zum Frühstück; und jetzt steig ein und lass uns hier nicht ewig rumquatschen, okay?”

„Kann der nicht für sich selber sprechen, dein Gorilla?”, grinste sie liebreizend.

„Steig schon ein!”, sagte Frasther und zwinkerte ihr zu. Eindeutig, die hatte was.

Artig stieg die Tussi ein. „Wohin fahren wir?”

„Ins 'Crazy Town', einen draufmachen”, sagte der Prag-Luis in versöhnlichem Tonfall.

„Oooh ja, tanzen“, quietschte das Mädel von hinten vergnügt. „Lass uns ein bisschen eng tanzen, Frasther, was meinst du?”

„Seh' ich aus wie ein Tanzaffe, oder was?”, tat Frasther das unausgegorene Fantasiechen sofort ab.

„Ach, ein wenig mit dem Hintern wackeln, ist doch nichts dabei…“

„Keine Angst, Monalein, deine Hüften wird er schon zum Wackeln bringen, wenn auch nicht auf der Tanzfläche“, grinste der Luis.

„Na, das will ich doch schwer hoffen“, schnurrte Mona und ließ ihre Krallen über Frasthers Bizeps scharren.

„Erst später, Süße. Zuerst muss ich noch auf den Arsch von deinem Boss aufpassen“, vertröstete er sie.

„Ach?!? Na, da hast du ja einiges, um drauf aufzupassen…“

„Ja, ja, wir wissen alle, dass ich nicht gerade der Schlankste bin, können wir jetzt gefälligst die Schnazue halten, bis wir im 'Crazy' sind?“, fuhr der Luis genervt auf. Frasther steckte sich einen Tschick an, drehte sich zu Mona um und bot ihr grinsend auch eine an. Das Mädchen grinste zurück und rollte vielsagend die Augen in Richtung Luis. Dann rauchten sie schweigend, bis der Benz zum Stehen kam.

Das 'Crazy Town' war eine Animierbar, also eine Mischung aus Puff und Disco und bot etwa hundert Nachtschwärmern Platz. Es war die typische billige, auf stilvoll machende Abschleppbude, in der die Übriggebliebenen der Nacht sich noch eine Wichsfantasie für daheim abholten. Der Prag-Luis war in solch einem Schuppen natürlich ein gern gesehener Gast; von dem Zeitpunkt an, als er durch den Eingang trat, dauerte es genau solange wie er brauchte, um gemütlich zum besten Tisch im Lokal zu schreiten, bis ebendieser Tisch geräumt, gesäubert und mit frischen Aschenbechern ausgestattet für ihn hergerichtet war.

Schwer setzte sich der Luis auf die Couch und orderte beim demütig wartenden Kellner eine Buddel Whiskey, drei Gläser, jede Menge Eis und ein Bier für Frasther. Dieser ließ sich gemütlich in einen der riesigen Plüschsessel fallen und deutete der Schnepfe, sich neben ihm auf die breite Lehne zu setzen. Diese ließ sich bereitwillig auf den ihr zugewiesenem Platz nieder, legte ihre langen Nuttenbeine über Frasthers Schoß und begann, das Fell an seinem Genick zu kraulen.

„Soso, du bist also der neue Gorilla vom Luis… Wieso braucht der denn auf einmal einen Gorilla, gibt’s irgendwelche Probleme?”

„Ich sorge dafür, dass es keine Probleme gibt, also zerbrich dir nicht den Kopf…”

„Bist du ein gelernter Gorilla, ich meine mit Ausbildung? Oder ein Ex-Soldat oder sowas?”

„Viel Neugier in deinem hübschen Köpfchen, Mädel. So genau musst du’s nicht wissen – ich mach' nur brav meinen Job, so wie jeder von uns, mehr nicht. Wie lange stehst denn du schon für den Luis in der Gegend ‘rum?”

„Kommt jetzt das typische Nutten-Freier-Gespräch, oder was? Können wir uns das nicht ersparen? Komm, trink aus und dann lass uns tanzen gehen; später blas’ ich dir dann einen, dass du mich niemals vergessen wirst…”

„Ich hab' dir schon im Auto gesagt, dass ich nicht zu den Tanzaffen gehöre. Geh von mir aus allein tanzen, soviel du willst – und danach werd’ ich dich mal duchziehen, dass du mich niemals vergessen wirst”, grinste Frasther die Tussi an und verpasste ihr einen saftigen Klaps auf den Hintern.

Sie schenkte ihm mit ihr nuttigstes Lächeln, nahm noch schnell einen Schluck Whiskey-Soda und hopste dann in Richtung Tanzfläche davon.

Frasther verzog angeekelt das Gesicht als er sah, dass die Schickse den leckeren Whiskey mit ekligem Soda verdünnt hatte. Er selbst schenkte sich einen Dreifachen ein, genau wie der Prag-Luis, im Gegensatz zu diesem verzichtete er jedoch auf Eis.

„Das ist doch was, so ein Feierabend!”, freute sich der Prag-Luis und wippte mit seinem pomadisierten Schädel im Takt der Musik mit. Frasther spülte den Whiskey mit einem anständigen Schluck Bier hinunter und sah der Schnepfe zu, die sich so aufreizend wie nur möglich über die Tanzfläche wand.

„Tanzen kann die aber schon, was?”, fragte ihn der Prag-Luis, der das Schauspiel offenbar ebenso genoss.

„Warten wir ab, was sie in der Waagerechten bringt!”, sagte Frasther vergnügt und steckte sich einen weiteren Tschick an.

Malleus Proletarum - Der Proletenhammer

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