Читать книгу Malleus Proletarum - Der Proletenhammer - Marcello Dallapiccola - Страница 9
4 – Ehe-Angelegenheiten
ОглавлениеAm nächsten Tag erwachte Frasther so gegen zehn, als sich Sonnenstrahlen zwischen den Gardinen hereinschlichen, die vermutlich Pinid zurückgezogen hatte. Er grunzte; normalerweise waren die Fenster immer dicht, er konnte es nämlich nicht leiden, von der Sonne geweckt zu werden – meist ging er ja erst ins Bett, wenn die dicke gelbe Tante am Himmel aufging. Die Glotze flimmerte immer noch, es lief eine Windsurf-Übertragung. Auch so ein Sport, den man eigentlich auf die paar Sekunden beschränken könnte, in denen die Typen wirklich auf mörderischen Brechern ritten. Auf das ganze Herumgepaddel davor war mehr oder weniger geschissen.
Er streckte sich; so früh war er schon lange nicht mehr aufgewacht. Zu seiner Verwunderung stellte er fest, dass er nur fünf Bier von seinem Sechserträger gepackt hatte. Einige Minuten aalte er sich auf der Pritsche und versuchte sich zu erinnern, was ihm am Vorabend durch den Kopf gegangen war. Der Fall war eigentlich ganz einfach – er musste unter die Leute, sich ein paar Informationen beschaffen. Dann würde er schon herausfinden, was es mit den Typen auf sich hatte, die sie gestern Abend aus dem Weg geräumt hatten.
Seufzend erhob er sich und schlurfte zur Kaffeemaschine. Sich einen Kaffee aufzusetzen war so ziemlich das Einzige, das er in der Küche konnte, und das auch nur auf seinem alten Filter-Kaffeekocher. Als das Ding endlich lief, schälte er sich aus den Klamotten und tapste in seine Nasszelle hinein. Eine Dusche konnte nicht schaden.
Nach der rituellen Waschung streifte er erstmal mit dem Handtuch um die Hüften auf der Suche nach frischen Kleidern durch die Wohnung; Pinid hatte die blöde Angewohnheit, das Zeug in irgendwelche Kästen zu schlichten und so dauerte es eine Weile, bis er eine Garnitur zusammengesucht hatte. Während er sich langsam anzog, zappte er bei einem Kaffee durch die Nachrichtenkanäle: Wieder einmal passierte auf der Welt offensichtlich nichts anderes als Scheiße. Kriege, korrupte Politiker, notleidende Banken, Umweltkatastrophen. Zum Glück ging ihn dieser ganze Mist nichts an.
Er hatte ganz andere Sorgen: Erstmal musste er sich ein Taxi rufen, um zu seiner Karre zu gelangen. Dann stand ein Besuch in der Näherei Stoffner auf dem Programm und am Abend musste er den Luis irgendwo erwischen. So viele Aufgaben auf einmal…
Nach dem Kaffee trieb es ihn aber erstmal ins Scheißhaus; nachdem das erledigt war, griff er nach seinem Telefon und wählte die Nummer des Taxlers seines Vertrauens. „Streiferl? – Ich bin's, der Frasther. Bis wann kannst' bei mir sein?“
Streiferl versprach, in spätestens zehn Minuten an Ort und Stelle zu sein. Frasther zog sich die Stiefel und seine Jeansjacke an und schlich sich still und heimlich aus dem Haus, so dass Pinid ihn nicht abfangen konnte. Er wollte sich nicht schon wieder ihren Wirbel um die Müllsäcke und das Leergut anhören, er hatte jetzt bei Gott Wichtigeres zu tun.
Streiferl kam dahergebraust, als Frasther sich gerade einen Tschick zur Überbrückung der Wartezeit angesteckt hatte. „Wo soll's denn hingehen, Frasther?“, fragte der feiste, ewig schwitzende Taxifahrer mit der hohen Stirn und den beachtlichen Hängebacken. Streiferl hieß deshalb so, weil er schon einige 'Streiferl'* überlebt hatte; seine Körpermasse, der stressige Job und seine Ernährung, die hauptsächlich aus billigem Automatenkaffee und Fertigpizzas bestand, hatten seinem Herz schwer zugesetzt.
„Zum 'Charley's' raus, hab' mein Baby dort stehen lassen.“
Streiferl schnaufte schwer und brauste los. „Na, Frasther, noch alles dran an dir?“, fragte er und musterte Frasther dabei im Rückspiegel.
„Na, logisch“, brummte Frasther und versuchte, so desinteressiert wie möglich zu klingen.
Natürlich wusste Streiferl von seinen Kollegen von der Nachtschicht, dass Frasther an der Geschichte mit den brennenden Autowracks beteiligt war. Aber immerhin hatte er den Anstand, nur indirekt danach zu fragen.
„War ja ganz schön was los letzte Nacht…“, setzte der Streiferl erneut an, als er von einer Ampel weg beschleunigte.
„Streiferl?“, unterbrach ihn Frasther.
„Ja?“
„Fahr einfach.“
„Okay, kein Problem, Frasther“, nickte Streiferl und verkniff sich jede weitere Intervention. Wenige Minuten später waren sie auf dem Parkplatz vom 'Charley's' angekommen. Frasthers Jeep stand noch immer brav dort, wo er ihn gestern abgestellt hatte; das blank gewienerte Kraftpaket bildete einen eigentümlichen Kontrast zur heruntergekommenen Fassade der Vorstadtkneipe. Nachdem er den etwas beleidigt dreinschauenden Streiferl bezahlt hatte, nahm Frasther auf dem Fahrersitz Platz. Er startete und ließ zugleich den Motor und den Hardrock aus den Lautsprechern aufheulen, dann fuhr er erstmal in Richtung 'Western Bar&Grill'. Er verspürte unbändigen Kohldampf, da half nur eine satte Portion Fleisch. Der Mittagsverkehr verlangte ihm wieder einmal alles ab; laut fluchend und die Faust schüttelnd staute er sich über eine halbe Stunde lang quer durch die Stadt, bis er endlich mit saurer Miene vor der Fressbude einparkte.
Frasther liebte Ferdls 'Western Bar&Grill', hier wurde man ordentlich bewirtet, das Essen schmeckte garantiert, das Preis-Leistungs-Verhältnis passte, im Großbildfernseher lief der Sportkanal und wenn einem der Sinn nach gepflegter Unterhaltung stand, konnte man hier immer den einen oder anderen Gesprächspartner finden und sich dabei auch noch halbwegs sicher sein, dass dieser den eigenen, nicht eben bescheidenen, intellektuellen Ansprüchen genügte. Frasther stieß die Flügeltüren, die einem original amerikanischen Saloon nachempfunden waren, auf und trat breitbeinig auf den Tresen zu, hinter dem er bereits den Ferdl werkeln sah.
„Servus, Ferdl, was gibt's Neues?”, schmetterte Frasther dem grobschlächtigen, rotgelockten Kerl hinter dem Tresen entgegen.
„Frasther – na, du hast Nerven, hier einfach so reinzutanzen und zu fragen. was es gibt!”, schüttelte Ferdl ungläubig den Kopf.
Frasther hockte sich nicht an den Tresen. „Wie meinst 'n das?“
Als der Ferdl Frasthers etwas verwunderten Blick bemerkte, setzte er an: „Du bist wohl gerade erst aus den Federn gekrochen, was? Hast' noch nichts davon gehört, was diese Saubande im Parlament heute wieder verbrochen hat?”
Frasther schüttelte den Kopf und schlug die Speisekarte auf. Der Geruch von frisch gebrutzeltem Fleisch, der aus der Küche herein wehte, veranlasste seinen Magen dazu, hörbar zu knurren.
„Diese Scheißpolitiker haben wieder einmal die Getränkesteuer UND die Tabaksteuer erhöht, jetzt schon zum vierten bzw. sechsten Mal innerhalb von zehn Jahren!”, schimpfte der Ferdl drauflos und haute mit der flachen Hand auf die Tischplatte, dass es klatschte.
„Was, die Tabaksteuer? Soll das heißen, die Tschicks werden wieder teurer?”
„Ja, und das Bier auch, verdammt!”, brüllte Ferdl ihn an. „Wovon soll denn unsereins überhaupt noch leben? Die Getränkesteuer, die ich zusätzlich abführen muss, die muss ich doch an meine Kunden weitergeben, sonst kann ich das ja gar nicht mehr bezahlen!”
„Apropos Getränke, du könntest mir schon mal ein Bier bringen; ich hab nämlich einen verfluchten Kohldampf, also brauch' ich Flüssignahrung, bis du mit dem Fleisch rüberkommst”, merkte Frasther an.
Ferdl machte sich am Zapfhahn zu schaffen und brüllte weiter: „Wie gefällt's dir, in Zukunft fünf Eier statt vier fuffzig für eine Schachtel Tschick abdrücken zu müssen? Was hältst du davon, bald für ein Bier drei fuffzig statt drei zwanzig hinzulegen? Wie toll findest du es, ab dem nächsten Ersten fast das Doppelte für einen Klaren zahlen zu müssen? Weißt', die hohen Herren verlangen umso mehr Steuer, desto hochprozentiger der Stoff ist!”
„Kruzifix, Ferdl, ich versprech' dir, dass ich dem ersten Politiker, der mir über'n Weg läuft, mit lieben Grüßen von dir einen Besenstiel in den Hintern stecke! Aber erst brauch' ich was zu futtern, um wieder klar denken zu können! Bring mir eine anständige Ladung Gegrilltes – wurscht was, Hauptsache, es geht schnell, aber stell mir erst das verdammte Bier her!”
„Ned bös' sein, Frasther, aber die regen mich so auf…“ Ferdl beeilte sich, seinem Gast das Bier zu servieren.
„Bin dir eh ned bös', Ferdl“, sagte Frasther und machte sich mit gierigem Zug über das Bier her. Ferdl verschwand in der Küche, nicht ohne laut weiterzuzetern, dass diese ganze verdammte Regierung endlich gestürzt gehöre; es bringe nichts, nur einzelne Minister umzulegen, nein, man solle gleich die ganze Bande geschlossen an den Laternenmasten rund ums Parlament herum aufknüpfen und ihre Kadaver dann dort verfaulen lassen, zur mahnenden Abschreckung für ihre Nachfolger. Frasther grinste; er kannte den Ferdl schon über zehn Jahre, und seit er ihn kannte, fantasierte der von seinem Lynchmob.
Einige Minuten später stand ein dampfender Teller mit gemischtem Grillgut, vor Fett triefenden Fritten und jeder Menge gefährlich scharf und kalorienhaltig aussehender Soßen auf dem Tisch; Frasther schaufelte gierig riesige Brocken in sich hinein. In einem Lokal wie diesem trieben sich mittags Proleten allerlei Couleur herum: Die Jungs in den verschiedenfarbigen Handwerkeruniformen, die sich Kalorien für die Schwerarbeit am Nachmittag reinschaufelten. Auch Arbeiter in Zivil – zerschlissene Jeans und Holzfällerhemden – die vermutlich in den nahegelegenen Fabriken zu schuften hatten, sowie einige Halbweltgestalten, die um diese Zeit ausschließlich mit Sonnenbrille herumsaßen und sich so wenig wie möglich bewegten, irgendwo zwischen dem Kater vom Vorabend und dem Aufgewärmten von heute schwebend. Und natürlich die allgegenwärtigen Vollbsuff, welche hier allerdings nicht so zahlreich vertreten waren, denn der Ferdl achtete darauf, dass seine Bude nicht zu sehr verkam. So saßen nur drei von der Sorte herum und zuzelten an ihren Bier, ein Kugelrunder um die vierzig, ein Graubärtiger im zerschlisssenen Parka und ein ausgezehrtes Würstchen, so Anfang fünfzig, mit Schnapsnase und rotem Schädel.
Als Frasther zwischen zwei enormen Bissen kurz rülpsen musste, nutzte er diese Gelegenheit, um nach dem Bier zu greifen und zwischen dem ganzen Schlingen mal einen ordentlichen Schluck zu nehmen. Da schien sich an einem der Nebentische langsam aber sicher ein Streit zu entzünden. Zwei der Proleten, die keine Arbeitsuniform trugen, stänkerten einen fetten, schon etwas älteren Kerl in blauer Monteurskluft an. Dieser kaute auf seinem Hähnchen herum und sagte gar nichts, doch einige seiner jüngeren Arbeitskollegen, die mit ihm am Tisch saßen, schimpften und drohten immer lauter in Richtung der beiden Aggressoren.
Frasther tunkte das letzte Stück Fleisch in einen Batzen Senf und schlang es dann hinunter. Das hatte gut getan! Die Essensreste spülte er mit dem letzten Schluck Bier hinunter und zündete sich dann einen Verdauungstschick an. Obwohl der eigentlich gar nicht nötig gewesen wäre, denn ihn hatte schon während des Essens ein allzu menschliches Bedürfnis zu drücken begonnen. Mit dem Tschick zwischen den Lippen verschwand er in Richtung Scheißhaus.
In aller Seelenruhe pflanzte er eine Kackwurscht kosmischen Ausmaßes an, die derartig stank, dass es ihn selber beinahe vom Hocker gehauen hätte. Als er danach wieder in den Gastraum zurückkehrte, war dort bereits ein heftiges Gerangel im Gange. Nur seinen durch jahrelange Kampferfahrung geschärften Reflexen verdankte er es, dass er sich gerade noch vor einem heranfliegenden Aschenbecher wegducken konnte, bevor dieser klirrend hinter ihm an der Wand zerschellte.
Da erblickte er die etwas verzweifelte Miene Ferdls hinter dem Tresen, der gestikulierend zu ihm rüberbrüllte: „Heast*, stopp mir diese Trotteln!“
Doch es hätte dieser Aufforderung gar nicht bedurft, denn Frasther war ohnehin bereits in Fahrt. „Welches Watschengesicht hat diesen Aschenbecher geworfen?”, herrschte er in die Menge.
Es hatte sich jedoch schon ein sich am Boden windendes Knäuel mit dem üblichen glotzenden Halbkreis drumherum gebildet und niemand beachtete ihn. Also entschied Frasther, welcher der sich prügelnden Proleten der Schuldige sein musste, suchte sich dafür einen großen Kerl mit krausen, schwarzen Haaren in einem Blaumann aus und trat ihm mit der Spitze seines Bikerstiefels in den Hintern, um dessen Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Da landete auch schon ein Leichtgewicht – vermutlich ein Lehrling – kopfvoran in Frasthers Bauch, von einem älteren, glatzköpfigen, stark schwitzenden Kerl in grauer Montur und mit riesigen Fellhölzlern an den Füßen dorthin gestoßen. Frasther ließ sein Knie gerade noch rechtzeitig hochschnellen und sah, wie der Junge die Augen verdrehte, als er zusammensackte.
Der Kerl mit den schwarzen Haaren kam inzwischen faustschwingend auf Frasther zu, doch bevor er ihn erreichte, landete ein gezielter Tritt in seinen Eiern und er ging jaulend nieder. Der ist erstmal versorgt, dachte Frasther, als ihn irgendetwas derart an der Seite des Schädels traf, dass es ihn um einen halben Meter versetzte. Kurz wurde ihm schwarz vor Augen und er spürte, wie er strauchelte; doch zugleich wallte auch der Zorn in ihm auf, jener unbändige Kampfeswille, der ihm schon oft in schwierigen Situationen die entscheidenden Kräfte verliehen hatte.
Er drehte sich in die Richtung, aus der der Schlag gekommen war und bekam gerade noch rechtzeitig die Rechte hoch, umeinen heransausenden Stuhl abzufangen. Der schwitzende Kerl mit den Fellhölzlern schaute verwundert auf, als das Niedergehen des Stuhles plötzlich abrupt gebremst wurde. Der Arm schmerzte, doch da Frasther Linkshänder war, leitete er blitzartig alle verfügbare Kraft plus Hilfsenergie inklusive Notstrom in die zum Zuschlagen notwendigen Körperteile seiner linken Seite und verlieh dem Schlag noch zusätzlich mit einer geschickten Körperdrehung Dampf.
Als seine Faust das verdatterte Gesicht des schwitzenden Typen traf, knackste das Nasenbein hörbar. Er hatte genau auf den ziemlich dämlich aussehenden Oberlippenbart des Proleten gezielt – einer dieser bescheuerten, schmalen Möchtegernschnauzer – und wenn sich hinter diesem belämmerten Gesichtsschmuck noch Zähne verborgen haben mochten, würde sich der Zahnarzt dieses Kerls sicher bald neue Chromfelgen für seinen Jaguar leisten können. Aber der Prolet war zäh; er schwankte zwar arg, aber er fiel nicht.
Frasther entriss ihm den Stuhl und schleuderte ihn in die sich nun schon langsam wieder lichtende Horde der sich Prügelnden, dann verpasste er dem heftig aus der Schnauze blutenden Oberlippenbart eine blitzartige Rechts-Links. Die ließ ihn dann endgültig wie einen gefällten Baum rückwärts wegkippen. Frasther besah sich die Ästhetik des Falls, wartete bis der Kerl ganz am Boden war und trat ihm dann heftig in die Nieren. Ein Strahl aus halbverdautem Hackbraten schoss ihm aus dem Mund, klägliches Geröchel ertönte.
Jetzt war Frasther auf Betriebstemperatur; er drehte sich um und erblickte den Blaumann mit dem Krauskopf, von dem der Streit vermutlich ausgegangen war. Inzwischen war das Gerangel zwar weitgehend eingestellt – auch weil der Ferdl inzwischen mit einem gemein aussehenden Gummiknüppel in der Hand aus der Küche aufgetaucht war – und der Blaumann sah auch nicht so aus, als ob er noch weiter Lust zu spielen hätte, doch Gerechtigkeit musste walten. Einige Schläge, Tritte und Flüche später war der Blaumann abgeschaltet und lag wie ein in den Seilen hängender Boxer auf einer der Sitzbänke.
„Wenn jetzt nicht sofort Ruhe ist, geb' ich dem hier den Knüppel in die Hand!“, drohte der Ferdl und deutete dabei auf Frasther. Da kehrte wieder Ruhe ein; die Verletzten bekamen vom Ferdl einen Schnaps und die Ermahnung, Lokalverbot auf Lebenszeit würde drohen, sollte es einem von ihnen einfallen, die Bullen zu rufen und ihn somit in Schwierigkeiten zu bringen. Frasther bekam auch einen Schnaps – den Kaffee, den der Ferdl ihm anbot, lehnte er dankend ab – bezahlte und machte sich wieder auf den Weg.
Als er über den Parkplatz zu seinem Jeep ging, stellte er fest, dass nicht nur sein Arm schmerzte, sondern auch seine Seite. Irgendwo war er wohl gegen einen Tisch geprallt – er überlegte, ob da wohl eine Rippe lädiert sein könnte, verwarf diesen Gedanken aber gleich wieder. Wenn er etwas absolut nicht gebrauchen konnte, dann war das ein nicht hundertprozentig einsatzfähiger Körper, schließlich war der sein bestes Kapital. Hirn hatte er zwar auch – Frasther wusste ganz genau, dass er ein schlaues Kerlchen war – doch um Theorie in Praxis umzusetzen, brauchte man immer noch Fäuste.
Aber schmerzende Rippen hin oder her, er hatte noch einen Auftrag auszuführen. Immerhin hatte Bertl ihm vertrauensvoll eine Anzahlung auf die Kralle geblättert – und Frasther war ein einer Position, in der er sich alles leisten konnte, nur keine schlechte Propaganda. Die hatte man in diesem Gewerbe zwar nicht allzu schnell, doch wenn man einmal als unzuverlässig verschrien war, bekam man diesen Makel kaum noch los. Und natürlich keine gewinnbringenden Aufträge mehr.
Also schwang er sich ächzend in den Fahrersitz und drehte den Hardrock voll auf.
Da jetzt, am frühen Nachmittag, die ganzen Idioten, die normalerweise die Straßen verstopften, sich an ihren Schreibtischen die Ärsche wundhockten oder auf irgendwelchen Baugerüsten herumturnten, kam er relativ problemlos vorwärts und bog schon knapp eine Viertelstunde später in das Hafengelände ein. Es dröhnte eine Schiffssirene, ein abgetakelt aussehender und ziemlich besoffen wirkender Penner mit Kapitänsmütze hockte auf einer Sitzbank und grölte irgendwelche Fischerlieder. Zwei Kinder, die Frasther aufgrund ihrer karamelldunklen Hautfarbe gleich als Asylantenkinder identifizierte, machten Jagd auf ein paar Tauben, offenbar mit dem Ziel, diese zu essen.
Er musste ein wenig herumgurken, weil er nicht genau wusste, welches dieser gleich aussehenden Gebäude die Nähfabrik beherbergte. Schließlich fand er jedoch einen verwitterten Treppenaufgang, der an den Seiteneingang eines Gefängnisses erinnerte, über dem ein ausgeblichenes Schild „Nähwerk Stoffner“ verkündete.
Frasther sammelte sich kurz, schnappte sich seinen Baseballschläger, sperrte den Jeep ab und machte sich auf den Weg. Die schlichte Metalltür war verschlossen, es hing jedoch kein „Komme gleich”, „Heute geschlossen” oder ein ähnliches Hinweisschild daran. Er nahm seinen Baseballschläger und klopfte damit mehrmals laut und forsch an. Nichts rührte sich. Er klopfte ein zweites Mal, noch lauter und noch forscher, doch wieder rührte sich nichts.
Nach zwei heftigen Fußtritten war das Problem überwunden und Frasther stand in einem Raum, in dem überall schwere Stoffballen herumlagen. Wie es schien, hatte niemand sein gewaltsames Eindringen bemerkt, das Rattern und Summen aus dem Nebenraum – vermutlich Nähmaschinen – riss nicht ab. Frasther packte als Erstes die Registrierkasse, rupfte sie aus der Verankerung und haute sie schwungvoll in hohem Bogen an die Wand. Befriedigt grinste er, als das nicht gerade robuste Teil scheppernd in tausende Teile zerbrach und ein Schwall klimpernder Münzen und knisternder Scheine sich auf den Fußboden ergoss.
Dann legte er die paar Schritte zurück, die zur Tür in den Nebenraum führten, nicht jedoch ohne dabei wie wild seinen Schläger zu schwingen und alles zu zerdeppern, was ihm in die Quere kam. Außer Stoffballen war jedoch nicht viel da, und die Stoffballen zeigten sich nicht besonders beeindruckt. Das ärgerte Frasther; mit einen heftigen Fußtritt trat er die Tür zum Nebenraum auf und enterte ihn in geduckter Kampfhaltung mit schlagbereitem Baseballschläger. Viele braune Gesichter sahen auf einmal mit großen, staunenden Augen zu ihm hoch. Der Raum war viel größer, als er erwartet hatte; etwa zwanzig ziemlich kompliziert aussehende Nähmaschinen standen in Reih und Glied, und hinter jeder hockte ein verschrecktes braunes Gesicht. Die meisten davon waren weiblich, manche jedoch trugen auch schwarze Oberlippenbärte. Wahrscheinlich saßen hier auch die Eltern der beiden Rotzaffen, die er eben bei der Taubenjagd beobachtet hatte. Mussten hier Drecksarbeit verrichten, hatten also keine Zeit, ihren Kindern etwas Anstand und Bildung hineinzuprügeln.
„Wer von euch hat den Stoffner gesehen?”, grunzte Frasther in die Runde, bedrohlich den Schläger schwingend.
„Du…Polizei?”, fragte ihn einer der Männer, der ganz in der Nähe saß und sah ihn furchtsam aus großen, dunklen Augen an.
Frasther ließ zur Antwort den Schläger mit voller Wucht auf die Nähmaschine, an der der Kerl eben noch gearbeitet hatte, niedersausen; Blechteile flogen in hohem Bogen in alle Richtungen davon, der Kerl hatte die Hände schützend über den Kopf gefaltet und sich zu Boden geworfen: „Bitte nix schlagen, politische Asyl…Bitte nix schlagen, politische Asyl…”, wimmerte er vor sich hin.
„Keine Angst, nix schlagen“, beruhigte Frasther ihn, „aber du mir sagen wo Schef?”
„Bitte nix schlagen, politische Asyl…”
Frasther holte schwungvoll aus und ließ den Schläger auf eine weitere Nähmaschine niedersausen, diesmal flogen sie mechanischen Teile des Gerätes noch weiter fort, man konnte das Scheppern von der gegenüberliegenden Wand her hören. Kreischend erhoben sich jetzt die ganzen Weiber, die bisher in stoischer Gelassenheit nur geschaut hatten und drängten sich in einer Ecke des Raumes laut plappernd zusammen; seltsamerweise sammelten sich die paar Männer ebenfalls, allerdings in genau der gegenüberliegenden Ecke des Raumes. Frasther schüttelte den Kopf, als er das sah: Weder die Männer, noch die Frauen waren auf die Idee gekommen, sich einfach durch die Türe, die in den nächsten Raum führte, zu retten. Nein, sie drängten sich lieber in toten Winkeln zusammen, von wo aus es nicht mal den Hauch einer Chance gab, zu entrinnen. Haben die ein Glück, dass ich nicht einem von ihnen ans Fell will, dachte er. Drum sind das auch Entwicklungsländer, wo die herkommen, schoss es ihm durch den Kopf. Kein Sinn für Organisation.
Dann packte er eine der Nähmaschinen – im ersten Moment war er überrascht, wie schwer so ein Ding war – hob es hoch und ließ es machtvoll zu Boden sausen.
„Wo Schef, verdammt nochmal? Du mir sagen wo Massa Stoffner, sonst nix politisches Asyl!”, brüllte er, während er mit seinen Bikerstiefeln auf die Überreste der Nähmaschine eintrat.
„Massa Stoffner – Büro! Büro!”, brachte endlich eine der Näherinnen mit entsetztem Gesichtsausdruck hervor, als Frasther bereits die Hälfte aller im Raum herumstehenden Nähmaschinen kaputtgeschlagen hatte. Sie deutete auf die fragliche Tür, von der sich Frasther schon gewundert hatte, dass sie diese nicht als Fluchtweg benutzten. Dahinter lauerte also etwas, das weit schrecklicher zu sein schien als er – der Chef dieser armen Würstchen. Also marschierte er hin und riss die Tür auf. Dahinter war lediglich ein enger, muffig riechender Gang, schummeriges Licht tauchte überladene Regale, voll mit Stoffmustern und ähnlichem Krempel, in ein trübseliges Licht. Er erklomm die vier Stufen am Ende des Ganges und stieß kraftvoll die nächste Tür auf. Dann betrat er ein sehr großes, lichtdurchflutetes Büro mit riesigen Fenstern, einem hellen Parkettboden und jeder Menge Zimmerpflanzen.
Ein Kerl, der so etwa Mitte vierzig, Anfang fünfzig zu sein schien, ziemlich groß, mit Stirnglatze und in einem teuer aussehenden Jackett, hatte sich am Schreibtisch in einem großen, sehr bequem wirkenden Ledersessel zurückgelehnt und die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Er fuhr sichtlich zusammen, als er Frasther und dessen Baseballschläger in sein Büro einmarschieren sah.
„Wer, zum Teufel…?”, setze er an, doch Frasther war mit wenigen schnellen Schritten bei ihm.
Im letzten Moment gingen ihm noch Bertls Worte durch den Kopf, dass er die Klienten gefälligst nicht zu verletzen habe; deshalb schwang er den Schläger nur lässig in Richtung der Rippen des Kerls, um ihm die Luft zu nehmen. Während der Schläger seine Bahn zog, stellte Frasther erstaunt fest, dass der Knabe die Hose bis zu den Knöcheln heruntergezogen hatte. Unter dem Tisch kniete ein ziemlich junges Mädchen – dem dunklen Gesicht nach eine der Näherinnen – die sich offenbar bis vor wenigen Sekunden noch mit dem Schwanz des Typen beschäftigt hatte.
Mit offenem Mund und staunendem Blick sah sie zu Frasther hoch, als der Schläger mit einem üblen, knackenden Geräusch am Torso ihres Bosses landete. Stoffners eben noch prachtvoll erigiertes Glied fiel in Sekundenschnelle in sich zusammen; sogar noch schneller, als Stoffner selber brauchte, um aus dem bequemen Ledersessel auf den Boden zu fallen. Als er am Boden aufknallte, stöhnte der laut und ein ein kleiner Strahl Kotze schoss ihm aus Mund und Nasenlöchern. Frasther beschloss, seinen Handlungsplan kurzfristig etwas abzuändern – man war ja fexibel – und hockte sich auf den Ledersessel.
„Du weitermachen, wo du gerade warst, ich jetzt neue Schef hier!”, befahl er dem ziemlich verdattert wirkendem Mädchen. Diese beeilte sich, seine Jeans aufzuknöpfen und seinen Schwanz aus der weißen Feinripp-Unterhose hervorzuholen. Angewidert verzog sie das Gesicht, als sie die herausströmende Geruchswolke erschnupperte; doch Frasther tätschelte lediglich kurz den Baseballschläger und blickte sie streng an, da stopfte sie sich auch schon brav sein Glied in den Mund und begann zu lutschen. Zwei Minuten später hatte er sie auch schon durch sanften Griff am Genick zum Schlucken gezwungen; er knüpfte sich die Jeans zu und verscheuchte das Mädchen mit den Worten: „Nach Hause gehen du, Ausländerpolizei gleich kommen!”
Dann schnappte er sich den immer noch um Atem ringenden Stoffner am Schlafittl, zog ihn hoch und haute ihm einige dezente Watschen herunter, damit der Bursche wieder zu sich kam. Sobald er sah, dass Stoffner wieder der wahrnehmungfähig war, rammte er ihm seine Faust in die Magengrube, woraufhin dieser erneut zusammensackte. Als nächstes packte Frasther den Ledersessel und haute ihn mit Schwung zum Fenster hinaus; das Krachen des Fensterglases ging beinahe unter in dem Radau, den Frasther machte, als er jede Schublade einzeln aus dem riesigen Schreibtisch herausriss und sich bemühte, damit die restlichen Fenster ebenfalls einzuwerfen. Stoffner saß nur mit gequältem Gesichtsausdruck auf dem Boden und hielt sich die Magengrube.
„So, du Arschloch!”, brüllte Frasther, als er den Raum wenige Minuten später in eine wüste Trümmerhöhle verwandelt hatte. „Das wär’ dir alles nicht passiert, wenn du ein schlauerer Geschäftsmann wärst! Denn ein schlauer Geschäftsmann würde sich und seinen Betrieb schützen, beziehungsweise schützen lassen, alles klar?” Er baute sich vor dem an der Wand kauernden Bündel Elend auf. Es roch streng nach Fäkalien – offenbar hatte Stoffner seinen Schließmuskel nicht mehr hundertprozentig unter Kontrolle.
„Ob das klar ist, hab' ich gefragt?”, fauchte er, schnappte sich den Stoffner und haute ihm mit einer knappen Bewegung ein blaues Auge. Als Antwort erhielt er lediglich ein Röcheln und ein Stöhnen.
Er zerrte den Kerl zu einer angrenzenden Türe, hinter der er ein Badezimmer vermutete. Doch es stellte sich lediglich als winziges Scheißhaus heraus; das Handwaschbecken war zu filigran gebaut, um den Mostschädel Stoffners drunterzuhalten. Also stopfte er den Knaben mit dem Gesicht voraus in die Muschel und spülte volles Rohr.
Stoffner begann zu blubbern und zu prusten; Frasther zog ihn am Schlafittl wieder hoch.
„Ob du den Inhalt meiner frohen Botschaft verstanden hast, hab' ich dich gefragt?”, brüllte er ihm ins Ohr und schüttelte ihn dabei durch.
„Ja...”, krächzte Stoffner. Seine Stimme klang brüchig und elend.
„Dann wiederhol mir den Inhalt!”, brüllte Frasther weiter.
„Schutz – ich brauche wieder Schutz!”, wimmerte Stoffner. Tränen kullerten über seine Wangen.
„Sehr richtig, Schutz brauchst du, und dein Betrieb auch. Die nächsten Tage kommen alte Bekannte von uns beiden vorbei, die werden dir Schutz anbieten. Ich würd' dir raten, freundlich zu ihnen zu sein, denn die können dich vor mir beschützen! Und du willst ja nicht, dass ich nochmal vorbeikomme, oder?“
„Nein…“, wimmerte Stoffner. Frasther gab dem Kerl noch einen Schubs und wandte sich dann zum Gehen. Auf dem Weg hinaus aus der Näherei zerschlug er noch hier und zertrat noch dort was, dann nahm er befriedigt im Jeep Platz.
Eigentlich könnte er, wenn er schon hier in der Hafengegend war, noch schnell zum 'Anker' rüberschauen, eine Spelunke die für ihre Kundschaft – raubeinige, wettergegerbte Fischer und pensionierte Lastschiffer – und für ihr Getränkeangebot – hochprozentiger Fusel zu phänomenal günstigen Preisen – bekannt war. Immerhin war erst Nachmittag, es galt noch einige Stunden zu überbrücken, bis sein Geschäftstreffen mit dem Prag-Luis anstand. Im 'Anker' könnte er auch die Ohren ein wenig aufsperren, was den Prag-Luis und dessen Probleme betraf; immerhin war der Hafen Bauchstich-Wiggerls Gebiet, hier saß also praktisch der Bodensatz der Gesellschaft, und wie alles andere sanken auch Informationen immer zu Boden.
Einen halben Hardrock-Song später parkte er quietschend vor dem 'Anker'; als er die schwere Eichentüre am Eingang aufstieß, drang ihm ein ziemlich aufdringliches Gemisch aus abgestandenem Alkohol, Schweiß, kaltem Rauch und gammeligem Fisch in die Nüstern. Die Spelunke war überraschend gut besetzt für diese Tageszeit. Die Klientel wirkte hier am Hafen noch um eine Ecke heruntergekommener als in der Vorstadt, und zusätzlich hingen noch einige besonders angesoffen wirkende, alte Fischer mit verfilzten grauen Bärten am Stammtisch und lallten miteinander.
Sonst war nur eine bereits ziemlich faltige, dafür aber umso nuttiger hergerichtete Schlampe zugegen, die mit hochgerutschtem Rock auf einem Barhocker lungerte und an einer Bloody Mary nuckelte. Der Barmann war kaum zu sehen im Halbdunkel der Spelunke – Frasther konnte nur einen plumpen Flecken in einer schmuddeligen Schürze ausmachen, der damit beschäftigt war, einige Gläser abzutrocknen. Er zündete sich einen Tschick an und ließ sich polternd auf einem Barhocker am Tresen nieder.
„Na, mein Süßer, wie geht’s denn so?”, sülzte ihn die alte Schlampe in einem Tonfall, der vermutlich verführerisch klingen sollte, an.
Doch Frasther zeigte sich desinteressiert. „Geht dich ‘n Scheiß an, lass mich in Ruhe!”, knurrte er sie an.
„Nun sei nicht gleich so angerührt, ich will mich ja nur ein bisschen nett unterhalten!”, gab sie zurück.
„Sei froh, dass ich nicht angerührt bin, denn dann bin ich nicht zu haben, klar? Und jetzt lass mich in Ruhe – wenn du jemanden zum reden brauchst, dann kauf dir einen Wellensittich oder sowas!” Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, haute Frasther mit der flachen Hand auf den Tresen.
Das Gemurmel im Lokal ebbte schlagartig ab, reduzierte sich herunter bis auf ein dezentes Raunen. Die Alte zuckte zusammen, seufzte und drehte sich weg.
„Einen ordentlichen Klaren, hätt’ ich gern!”, brüllte Frasther in Richtung Wirt. Jetzt kam der Wirt, mit einem kaum beherrschten Grinsen im Gesicht, auf ihn zu; seine Haut war teigig und er hatte Augenringe, die so tief waren wie alle Gläser, in die er schon reingeschaut hatte, zusammen. Der Geräuschpegel im Hintergrund schwoll langsam wieder an.
„Einen ordentlichen Klaren möchtest du, hast du gesagt?”, fragte der Wirt und musterte ihn. Frasther nickte. „Du wirst gleich die Ohren anlegen, Freundchen!”, sagte der Wirt und kramte eine Buddel unter dem Tresen hervor. Kein Etikett, nichts – und die Flüssigkeit darin war durchsichtiger als Luft. „Das ist ein Klarer, den wirst du nicht so schnell vergessen!”, prophezeite er und schob Frasther ein Stamperl rüber. Der schnupperte kurz prüfend daran, setzte dann an und kippte das Zeug weg. Eine Geschmacksexplosion am Gaumen war die Folge. Frasthers Alk-Sensoren tanzten erfreut und ein wohliger Schauer lief ihm den Rücken und die kräftigen Oberarme entlang hinab.
„Ahh!”, machte er, als er das Stamperl wieder abstellte und spürte, wie das Zeug sich in ihm setzte.
„Das ist wirklich der verdammt ordentlichste Klare, den ich seit langer Zeit getrunken hab'. Gleich noch einen, Wirt! Und trink gefälligst einen mit, setz ihn auf meine Rechnung!”
Der Wirt strahlte, beifälliges Gemurmel erhob sich in der Schenke. Zwei ältliche Schnapsdrosseln mit eindeutigen Gebrauchsspuren, die einen etwas jüngeren Sandler in die Mitte genommen hatten und offenbar auf in einsülzten, grinsten Frasther aufdringlich an. Mit freudigem Grinsen schenkte der Wirt nach, sie stießen an und tranken. Der Klare war wirklich von hervorragender Qualität: Auch beim zweiten Mal verursachte er noch genau dasselbe intensive, wohltuende Prickeln wie beim ersten Mal. Frasther strahlte und bestellte sich zum Abrunden noch ein Bier.
Da wurde polternd die Tür aufgestoßen und ein Prolet, auf den ersten Blick einer von Frasthers Schlag, nur kleiner, fetter, etwas älter und mit schüttererem Haar, betrat mit weit ausholenden, aggressiven Schritten die Schenke. Seine Fellhölzler klackerten auf dem Steinboden wie die Hufe eines Pferdes.
„Du hast Lokalverbot!”, bellte der Wirt, währenddessen eine der beiden ältlichen Schnapsdrosseln versuchte, sich unter dem Tisch zu verstecken.
„Hol' bloß meine Alte nach Hause, misch dich ja nicht in meine Ehe-Angelegenheiten ein!”, fauchte der Typ mit den Fellhölzlern zurück. Ohne ein weiteres Wort schnappte er sich die Schnapsdrossel, die sich versucht hatte zu verstecken, an an ihrer kitschigen Schulmädchen-Lederjacke. Dann zerrte er sie hinter der Bank hervor und legte ihr eine auf*. Der jüngere Sandler, der in der Mitte gesessen hatte, erhob schwach Prostest; auf einen scharfen Blick des Kerls hin steckte er jedoch augenblicklich auf.
Frasther beobachtete die Szenerie amüsiert; sein neuer Freund, der Wirt, brummelte hinter ihm: „Der drischt die Alte jetzt den ganzen Weg, bis nach Hause.“
Der Kerl zog die heulende Alte hinter sich her in Richtung Ausgang; als sie unterwegs einmal kurz richtig bockte und zu entkommen versuchte, schnalzte* er ihr links und rechts eine und zerrte sie dann an den Haaren weiter.
Als die Tür zufiel, erstarb auch das Gezeter der sich Wehrenden und es kehrte wieder Ruhe ein.
Frasther zog sich noch einige Biere rein, die er gelegentlich durch ein paar weitere Klare auflockerte, rauchte noch etliche Tschick und unterhielt sich mit dem Wirt, der ein intelligenter Mann zu sein schien, über die neuesten Motorsportsendungen im Fernsehen.
Er vergaß auch nicht, ein paar Anspielungen in Richtung ihrer Aktion von vergangener Nacht zu machen, doch hier erwies sich der Wirt als wenig hilfreich: Er hatte von der Sache noch nicht mal was gehört, schließlich hätte er in seiner Brennerei zu tun gehabt. So wurde es viel zu früh Abend, und als langsam die ersten Fischer und Hafenarbeiter auftauchten, um ihr Feierabendbier zu nehmen, bezahlte Frasther. Dabei vergaß er nicht, ein fürstliches Trinkgeld für die hervorragenden Klaren zu geben und torkelte dann aus dem 'Anker' heraus in Richtung Jeep.
Als er über den Parkplatz wankte stellte er fest, dass die Schnäpse ihm zwar ordentlich zugesetzt hatten, was unbedeutende Funktionen wie Gleichgewicht oder Sehschärfe betraf, dafür fühlte er sich wohl wie selten in seiner Haut und hätte am liebsten die sprichwörtlichen Bäume ausgerissen.
Die hohe Kunst des Schnapsbrennens konnte gar nicht zu überschwänglich gelobt werden, dachte er bei sich, als er fröhlich seinen Jeep aufsperrte und sich auf den Weg machte.