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8 – Überfall

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Während der Fahrt zum 'Charley's' informierte Dietmar ihn über die neuesten Entwicklungen in der Regionalliga, was Frasther einen Scheiß interessierte. Doch für die knappe halbe Stunde Fahrzeit, die mit einem Taxi ein kleines Vermögen verschlungen hätte, erlaubte er dem frustrierten Druckereiarbeiter, ihn mit seinen Ideen bezüglich Aufstellung, Taktik und Einkaufspolitik zu langweilen. Schließlich überraschte Dietmar ihn aber doch noch, indem er seinen schepprigen, alten Alfa mit einer eleganten Neunziger direkt vor dem Eingang zum Lokal zum Stehen brachte.

Es war schon ein Stück nach Mitternacht, schien nicht mehr viel los zu sein; neben dem Auto des Wirts stand nur ein einziger, heruntergekommener Blechhaufen auf dem Parkplatz. Frasther war sich jedoch sicher, dass er Charley noch zu einem Bierchen oder zwei überreden könnte und so öffnete er frohen Mutes die Kneipentür.

Da kam ihm ein Prolet in hohem Bogen rückwärts entgegengeflogen. Von drinnen war ein Krachen und Gebrüll zu hören. Hier stimmte etwas nicht – Frasthers Nervensystem schaltete in Windeseile in den Kampfmodus um. Trotz des vielen Whiskeys waren seine Reflexe voll da und so fing er den jungen Kerl geschickt ab und ließ ihn sanft zu Boden. Der Typ blieb liegen und machte keinen Rührer mehr. Eine kurze Analyse der zerschlagenen Schnauze des Knaben vermittelte Frasther die Gewissheit, dass der Kerl wahrscheinlich schon K. o. gewesen war, als er im freien Flug in Richtung Ausgang unterwegs gewesen war. Er spürte Adrenalin und Testosteron durch seinen Körper dampfen. Geduckt und im Zickzack stürmte er vorwärts und erkundete dabei die Umgebung: Charley, der Wirt, lag zusammengesackt über dem Tresen – höchstwahrscheinlich bewusstlos gehauen. Das ging schon mal gar nicht, dachte Frasther grimmig. Außer dem Jungen an der Tür und Charley lag noch ein Bewusstloser herum, um den die Trümmer eines Barhockers verteilt lagen.

Sonst schien niemand mehr im Lokal zu sein, bis auf einen Pulk von drei Personen, die vor der Tür zum Scheißhaus in ein wildes Gerangel verwickelt waren. Frasther sah einen Kerl mit Gipshaxe, der sich mit einer Krücke in der Hand verbissen gegen zwei Angreifer zur Wehr setzte. Die Typen waren noch jünger, Mitte bis Ende zwanzig vielleicht, mit schwarzen Lederjacken und gammligen Jeans, versandelte Möchtegernrocker also. Und der Kerl, der wie ein Berserker seine Krücke schwang und sich die beiden damit vom Leib hielt, war der Bertl.

Frasther machte einige flinke Schritte, schnappte sich unterwegs einen Stuhl und drehte sich dabei im Laufschritt um die eigene Achse, um Schwung zu holen. Dann war er bei ihnen. Krachend sauste der Stuhl auf den Rücken des ersten Typen nieder. Dem Kerl blieb die Luft weg und er landete, alle Viere von sich gestreckt, auf dem Boden. Der Kumpel des Kerls machte natürlich den dummen, alten Anfängerfehler und versuchte, seinem Freund zu Hilfe zu eilen. Während er fäusteschwingend auf Frasther losging, mähte der Bertl ihn von hinten mit seiner Krücke nieder, die er mit einer Vehemenz schwang wie der Sensenmann persönlich. Als der Hieb den Hinterkopf des Kerls traf, sank er augenblicklich in sich zusammen, als wäre ihm die Seele entrissen worden.

„Wow, hast du gehört, klang fast so, als hättest du ihm den Schädelknochen zertrümmert! Das hat jetzt richtig schön KNACK gemacht!“, freute sich Frasther. Der Kerl am Boden zappelte und zuckte, eine tiefrote, dickflüssige Blutlache breitete sich aus.

„Er atmet mal noch, also was soll’s?!? Du hättest ruhig fünf Minuten früher auftauchen können, verflucht!“, begrüßte Bertl ihn ebenfalls. Der rattengesichtige Halbweltler schwitzte wie eine Sau und zitterte am ganzen Körper.

„Was ist denn hier eigentlich los, zum Henker?“, fragte Frasther und kramte nach der Tschickschachtel.

„Na, diese beiden Idioten wollten den Charley ausrauben…“

„Waaas? – Das is' jetzt aber nicht wahr, oder?“

Bertl sah Frasther mit einem ganz speziellen Blick an, schnaufte schwer und krückte in Richtung Bar, auf eine Sitzgelegenheit zu.

„Okay, aber wer sind die? Die sind nicht von hier, was? Ich kenn’ die nicht…?“, stammelte Frasther, der diese Unglaublichkeit erst einmal verdauen musste. 'Charley's Beiz' ausrauben, man stelle sich das einmal vor! Das mussten Junkies auf der Durchreise sein, anders konnte man sich diese Blödheit kaum erklären.

Bertl erklomm auf komplizierte Art einen Barhocker. Er schnaufte immer noch wie eine Dampflok, brachte aber hervor: „Keine Ahnung, wer die sind. Komischer Dialekt, sicher nicht von hier. Auf jeden Fall wollten sie die schnelle, coole Tour abziehen, rein, raus, du weißt schon…“

„Wo ham' sie die Knarren?“, warf Frasther ein.

„Ohne Knarren, das ist ja das Irrwitzige!“, brüllte Bertl ihn an und rutschte dabei vom Barhocker.

Der Kerl, dem Frasther den Stuhl über die Rübe gezogen hatte, grunzte und machte Anstalten aus seiner Bewusstlosigkeit zu erwachen.

Frasther ging neben ihm in die Hocke und zog ihn an den Haaren hoch: „Was seid denn ihr für verdammte Anfänger? Wenn man 'n Überfall macht, dann auf 'ne Bank oder auf 'n Fünfsternehotel, aber doch nicht hierher! Idiot!“ Er haute dem Kerl links und rechts je eine Schallende herunter. Dann fuhr er fort: „Und überhaupt macht man sowas gefälligst nicht ohne Knarre! Denn wie du grad merkst, du Vollkoffer*, ist die Welt voll von bösen Leuten, wie mir zum Beispiel!“ Er haute dem Kerl zwei weitere kräftige Ohrfeigen herunter. Der Typ sackte stöhnend zusammen, doch Frasther trat ihm zur Sicherheit noch ein paarmal kräftig in die Seiten.

Bertl war derweil hinter den Tresen gehumpelt und hatte für sich und Frasther zwei Schnäpse eingeschenkt. Sein Nervenkostüm flatterte immer noch ganz ordentlich, weshalb er kräftig was vom leckeren Seelentröster verschüttete. Frasther tapste derweil zu Charley, der immer noch wie ein erlegter Hirsch über dem Tresen hing und tastete unbeholfen an dessen Hals herum.

„Entweder isser hin oder ich find' den Scheißpuls nicht“, grunzte er.

„Hör auf, an ihm rumzufummeln, der kommt schon wieder in Ordnung. Komm, lass uns erstmal einen trinken auf die ganze Aufregung!“

„Gute Idee!“, fand Frasther, machte es sich auf einem Barhocker gemütlich, krallte sich den Schnaps und prostete Bertl zu. Nachdem sie das Stamperl geleert hatten, machte der Bertl sich dran, zwei Bier für sie zu zapfen. Als sie schließlich genießerisch einen Schluck genommen hatten, eröffnete Frasther das Gespräch: „Siehst du, das ist ein guter Zufall, dass ich ausgerechnet dich treffe…“

„Kein Zufall, Frasther – Absicht! Hab' dich nämlich gesucht. Ihr habt mich das letzte Mal ganz schön zurückgelassen, der Prag-Luis und du…“

„Wir haben dich in ein Taxi gesetzt!“, protestierte Frasther.

„Ja, ja, schon gut, um das geht’s jetzt gar nicht. Hör mir zu: Nach dem Spital hab' ich mich mit meinen Jungs getroffen und der Gachner und der Zwutschgerl haben mir ein paar Geschichten erzählt, die mir gar nicht gefallen.“

„Ja und, was für Geschichten?“, fragte Frasther.

„Die ham' mir erzählt, dass diese Typen, du weißt schon, offenbar nur so eine Art Vorhut waren, Scouts gewissermaßen…“

„Worauf willst du hinaus, Bertl?“

„…und dass die einige recht mächtige Freunde haben – beziehungsweise hatten – denen das gar nicht gefällt, was wir mit denen angestellt haben. Jetzt haben die so eine Art Kopfgeld ausgesetzt, stell dir das vor! Der Gachner und der Zwutschgerl haben beide, unabhängig von einander, Typen getroffen, die herumgeschnüffelt haben; angeblich gibt’s zehn Riesen für Hinweise, die zu unserer Ergreifung führen…“

„Halt die Luft an mit dem Bullenjargon!“, mahnte Frasther, dem das Wort „Ergreifung“ gar nicht gefiel. Das mit dem Kopfgeld hatte er, dank seiner gewissenhaften Nachforschungen, zwar schon selber gehört, aber die Höhe der ausgesetzten Prämie überraschte ihn schon.

Doch er hatte keine Zeit, länger darüber nachzudenken, denn der Bertl war jetzt in Fahrt gekommen. „Hörst du mir überhaupt zu? Mein Arsch ist heiß – und deiner und der vom Luis genauso! Und das, obwohl ich eigentlich gar nichts mit der Sache am Hut habe, verstehst du? Das stinkt mir irgendwie!“, regte er sich auf.

Frasther steckte sich einen Tschick an und überlegte. Der Bertl hatte also ein paar Infos erhalten und schiss sich jetzt logischerweise an bis übers Kreuz hinauf. Und irgendwie gar nicht mal so unberechtigt – zehn Riesen waren eine Menge Geld, da gab es genug Typen, die für einen geringeren Obolus ihre eigene Mutter den Taliban verkauft hätten.

„Wissen der Zwutschgerl und der Gachner, dass du…?“

„Ich werd' mich hüten, das an die große Glocke zu hängen!“, schnaubte der Bertl.

„Na, dann is' ja gut, lass es auch dabei. Der Luis und ich, wir sind gerade dabei, das Problem zu lösen. Halt einfach deinen heißen Arsch ein paar Tage aus der Schusslinie und alles wird gut.“

„Was soll das heißen, ihr seid’s gerade am Beseitigen? Wie darf ich das verstehen, verdammt? Ich habe von Kopfgeld gesprochen, das auf mich ausgesetzt ist, Frasther!“ Bertls Stimme nahm einen seltsam schrillen, fast schon hysterischen Tonfall an.

„Das ist nicht nur auf dich ausgesetzt, und mach' ich mir etwa ins Hemd? Oder der Gfüllte? Nein, also reiß du dich gefälligst auch zusammen!“

„Darf man wissen, was ihr vorhabt?“

„Na, was schon, wir finden raus, wer diese Typen sind und wo sie sich verkrochen haben, dann marschieren wir dort auf und schon bald herrscht wieder Ruhe in der Stadt. Dann geht alles wieder seinen gewohnten Gang.“

Bertl nahm nachdenklich einen großen Schluck Bier. „Wie wollt ihr das machen, verdammt? Der Prag-Luis und du – das sind Tschetschenen oder Russen, verdammt! Wir wissen doch nicht mal, wo die sich genau verkrochen haben, geschweige denn, wieviele Leute die haben und wie gut bewaffnet die sind – alles wichtige Details! – und du redest schon vom Beseitigen!“

Frasther zündete sich einen Tschick an und sagte beschwichtigend: „Scheiß dich nicht an, Bertl, so dramatisch wie du tust, ist das doch alles nicht…“

„Wenn ihr euch da nur nicht täuscht, du und deine Qualle von einem Boss“, stieß Bertl verärgert hervor. „Denn wenn wir ehrlich sind, Frasther, dann konnte der Luis bisher nur darum den großen Macker hier in der Stadt spielen, weil er keine ernsthafte Konkurrenz hatte und man ihn in Ruhe gelassen hat! Aber jetzt ist die Ost-Mafia mit Killertrupps und teuren Autos in der Stadt. Von denen man noch nicht mal weiß, wo sie ihr Hauptquartier haben, die also praktisch unsichtbar sind…“

Jetzt sah Frasther sich aber wirklich genötigt, einzugreifen: „Bertl, jetzt denk doch mal logisch nach! Wenn hier schräge Typen von egalwoher auftauchen, dann fallen die über kurz oder lang auf. Die gehen mal wo essen, müssen sich irgendwo 'ne Bude mieten, kommen also mit Leuten in Kontakt. Also werden wir sie viel früher finden als sie uns, weil wir hier mehr Leute kennen, das ist doch logisch. Und von wegen Killertrupps – eine von diesen Eliteeinheiten haben wir praktisch im Vorbeifahren ausgelöscht, wohlgemerkt. So gut können die also nicht sein. Also warten wir, bis wir wissen, wo wir sie finden, und dann werden wir sie höflich auffordern, sich gefälligst zu verpissen.“

Bertl, der eben noch mit immer größer werdenden Augen Frasthers Erläuterungen gelauscht hatte, sah überrascht zur Seite, als auf einmal Charleys Körper aus seiner Ohnmachts-Starre erwachte, über den Tresen zu Boden rutschte und klirrend und scheppernd ein paar Gläser und etwas Geschirr mit sich riss. Dann sah er wortlos zu Frasther, der das Schauspiel ebenfalls fasziniert verfolgt hatte.

„Sieht so aus, als ob wir uns langsam trollen sollten – der Charley wird nicht gut drauf sein, wenn er erstmal mitkriegt, was hier so vor sich gegangen ist…“

„'schätze, du hast Recht. Nimmst du mich mit?“ Bertl zog seine Geldbörse und ließ ein paar Kröten auf den Tresen klimpern – für die Bier, die Frasther und er gerade getrunken hatten. Dann wandte er sich dem Ausgang zu.

„Wie bist du denn hierhergekommen?“, fragte Frasther mit Blick auf Bertls eingegipste Haxe.

„Na, mit dem Auto, wie sonst? Ich kann schon fahren, aber ehrlich gesagt, wär's einfacher wenn du fährst…“

Bertls Karre war ein uralter japanischer Sechszylinder und innen drin genauso vergammelt wie außen herum. Während Bertl umständlich auf dem Beifahrersitz Platz nahm, versuchte Frasther die Zusammensetzung des Gestanks, der in der Karre herrschte, zu analysieren: Benzin, Motoröl, verschüttetes Bier, Tschick-Qualm. Und er hätte viel darauf gewettet, dass irgendwo unter einem Sitz ein Döner oder etwas ähnliches stumm vor sich hin gammelte.

Nach kurzer Beratschlagung entschied man sich, noch auf ein Trankerl zur Chefin zu fahren; Frasther wollte den Bertl in seinem aufgewühlten Zustand nicht sich selbst überlassen und er selber konnte auch noch ein Bierchen vertragen.

Die Beiz war ein winziges, aber sehr gemütliches Stehcafé genau in der Mitte zwischen Stadtkern und 'Charley’s Kneipe'. Eigentlich hieß das Ding 'Chicago Café', wie die schon längst erloschene und ausgebleichte Neonschrift über dem Eingang verkündete, doch man sagte allgemein nur, dass man „zur Chefin“ ging.

Die Chefin hieß Grimmgrid und war eine matronenhafte Erscheinung unbestimmten Alters, aber sicherlich dem Hunderter schon weit näher als die meisten Menschen, die Frasther kannte. Sie hatte ihre von grauen Strähnen durchzogenen Haare zu einem Dutt zusammengebunden; ihre Füße steckten in Gesundheitslatschen, sie trug ihrem Alter angemessene, schlichte aber elegante Kleidung und darüber eine riesige, graue Barschürze. Frasther konnte sich nicht erinnern, sie jemals ohne diese Schürze gesehen zu haben. Dadurch, dass sie so groß und breitschultrig war, wirkte sie irgendwie wie eine weibliche Version von Göring.

Grimmgrid war eine Institution in der Stadt, sie hatte den Status der absoluten Obermutti in der Szene und war damit sakrosankt. Um sie rankten sich wilde Gerüchte aus längst vergangenen Tagen, so hatte sie zum Beispiel einmal zwei frisch aus den Knast Entlassene, die sich nicht zu benehmen wussten, höchstpersönlich mit einem Stück Leitungsrohr krankenhausreif gedroschen. Ein anderes Gerücht besagte, dass ein Spirituosenlieferant, der die Grimmgrid um einen schönen Batzen Kohle beschissen hatte, wenig später mit aufgeschlitzter Gurgel auf der städtischen Mülldeponie gefunden worden war; wieder ein anderes Gerücht erzählte vom Besitzer des Hauses, in dem sich das 'Chicago Café' befand. Der hatte sie zwingen wollen, das Café an ihn zu verkaufen, jedoch wenige Tage, nachdem er ihr mit Kündigung und Rausschmiss gedroht hatte, wenn sie nicht an ihn verkaufen würde, war er schwerstverletzt auf der Intensivstation gelandet. Seither ging er auf Krücken und war immer ausnehmend freundlich und wohlwollend, nicht nur der Chefin, sondern auch all ihren Gästen gegenüber. So war Grimmgrid auch so ziemlich die Einzige in der ganzen Stadt, die kein Schutzgeld zahlte, weder an Bertls Konsortium noch an irgendeine andere Organisation – einfach aus dem Grund, weil sich kein Schwanz weit und breit traute, ihr mit sowas gegenüberzutreten. Trotz ihres Alters schmiss sie den Laden immer noch alleine und sie achtete streng drauf, dass es keine allzu vergammelten Bsuff in ihre gute Stube verschlug. Das Publikum bestand hauptsächlich aus Leuten wie Bertl, Taugenichtse, die sich irgendwie über die Runden brachten und jeweils die Ringpausen zwischen den einzelnen Runden des Lebens nutzten, um in solchen Beisln abzuhängen und sich wieder zu neuen Kräften zu saufen.

Frasther und Bertl grüßten flüchtig die Anwesenden – meist bekannte Gesichter – und flegelten sich auf einen Barhocker, wobei sich Bertl mit seinem Gipsbein etwas schwer tat. Grimmgrid, die die beiden neuen Gäste vermutlich aus dem Augenwinkel heraus bemerkt hatte, kam bereits mit je einem Bier in der Hand herangeschlurft.

„Sieh an, wer da hereinschneit: Der Bsuffowetsch Bertl und der Hauinger Frasther. Was hast denn du mit deinem Haxen angestellt, Bertlchen? Und du, Frasther, musst Babysitten weil der Arme nicht selber zum Saufen fahren kann?“, begrüßte sie die beiden und stellte ihnen ihre Biere hin.

„War ‘n Unfall, Chefin, nix weiter. Hast' uns gleich noch zwei Klare dazu? – Damit auch was weitergeht, weißt eh“, übernahm Bertl das Antworten und grinste die Alte an wie ein Honigkuchenpferd. Frasther zündete sich einen Tschick an und schwieg.

„Ich möcht' ja nicht wissen, was da wieder im Busch ist, wenn zwei Typen wie ihr die Nasen zusammensteckt“, bohrte die Chefin weiter, während sie ihnen ihre Schnäpse einschenkte.

„Wir war’n grad beim Charley; der ist ausgeraubt worden, stell dir vor! Beziehungsweise sie ham’ versucht, ihn auszurauben und drum sind wir jetzt hierher gefahren. Wir wollten gleich schauen, ob bei dir noch alles in Ordnung ist, man weiß ja nie…“, warf Frasther ihr einen Brocken hin.

Grimmgrid stutzte: „Was, der Charley ist überfallen worden? Um Herrgotts Willen – was ist passiert?“

Bertl übernahm es, die Geschichte zu erzählen: „Na, ich sitz' da und trink mein Bier, außer dem Charley und mir nur noch der Rüscherl-Wolfi da, total im Delirium wie immer. Ich geh' schiffen und hör' auf einmal draußen einen Wirbel. Also schiff' ich schnell fertig, marschier' raus – und seh' den Wolfi und den Charley zusammengeschlagen herumliegen. Den Forchinger-Bua ham' sie grad durch die Mangel gedreht, als ich dazu kam. Naja, das kann ich mir als Stammgast natürlich nicht bieten lassen, dass mein Wirt vor meiner Nase zusammengeschlagen wird. Da hab' ich dann meine Krücke geschnappt und mich zur Wehr gesetzt – Weicheier, die Typen! Wenn ich diesen verdammten Gipsfuß nicht hätte“, er klopfte auf seinen eingegipsten Oberschenkel, „dann wär’ ich’s den beiden schon geworden*…“

„Also bist du's ihnen nicht geworden?“, hakte die Chefin nach.

„Frasther ist überraschend dazugekommen…“, erklärte Bertl; Frasther nickte grinsend.

„Aha, ab da war’s dann nicht mehr so lustig für die Räuber, vermute ich“, ergänzte Grimmgrid weise. „Und wie geht’s dem Charley jetzt? Habt ihr die Rettung gerufen oder sowas?“

„Der Charley braucht die Rettung weniger als diese beiden Kasperln, das geb' ich dir schriftlich“, schmunzelte Frasther.

Dann krallte er sich sein Stamperl und prostete dem Bertl zu. Die Chefin spendierte den beiden Helden des Tages noch eine Runde Klare und so waren sie recht schnell damit beschäftigt, sich höher zu besaufen. Ein Bier folgte dem anderen, unterbrochen nur von einigen Schnäpsen und einer Pinkelpause alle Stunde mal. Die auf einmal fast fröhlich wirkende Grimmgrid karrte den Nachschub an Getränken immer rechtzeitig heran – die vielen Jahre im Service hatten in ihr einen untrüglichen Instinkt für das Trinktempo ihrer Gäste heranreifen lassen, deshalb stand stets ein neues Trankerl bereit, wenn das alte leer zu werden drohte.

Irgendwann sehr viel später – draußen begann es bereits, dem Morgen zu grauen – als Frasther und Bertl bereits laut lallend und sich gegenseitig auf die Schultern klopfend nur noch Blödsinn von sich gaben, begann auf einmal das Handy zu schrillen.

Es dauerte ein wenig, bis Frasther das Ding aus der Jacke herausgenestelt hatte und es dauerte noch ein wenig länger, bis er es schaffte, den Anruf auch anzunehmen. Natürlich war der Prag-Luis dran. „Frasther, verdammt, hörst du mich?“, seine Stimme klang wie fast immer, als ob er gerade unter großem Druck stehen würde.

„Was’n los, Lu-Lu-is?“, lallte Frasther.

„Bei Gott, du bist ja schon wieder ordentlich beinander…“

„Eh klar – na und?“

„Egal, hör mir zu: Ich hab' heut ein paar geschäftliche Dinge erledigt und ich brauch dich morgen unbedingt, um ein paar Sachen in die Wege zu leiten…“

„Wo biss’n du, Luis?“, fragte Frasther, der aus dem Kauderwelsch nicht schlau wurde.

„Na, daheim wieder, im Moment. Und wo bist du genau, wenn ich fragen darf?“

„Mit’m Bertl bei da Chefin...“

„Na, habe die Ehre.“

„Der Charley is' heut überfall’n wor’n, da staunss’du, was?“

„Charley? Du meinst 'Charley’s Kneipe'? Überfallen?“

„Sag' ich doch, Luis.“

„Verdammt, wer war das? Warst du drin? Ging's gegen dich? Waren’s die Russen?“, der Luis wurde augenblicklich wieder hektisch.

„Nä, keine Russ'n, irgendwelche Bsuff, junge Rotzaffen…“

„Bist du dir da ganz sicher, Frasther? Ich mein', dass die nix mit unseren Freunden zu tun haben?“, bohrte der Prag-Luis weiter.

„Sicher bin ich sicher, Mann! Ham’ die Kerle ja schließlich zusammengefaltet nach allen Regeln der Kunst, der Bertl und ich! Komplette Anfänger, war'n das, Nudlaugen, sag' ich dir!“

Das schien den Luis jetzt halbwegs zu beruhigen. „Du kommst bitte zu mir, wenn du mit saufen fertig bist, Frasther! Kannst deinen Rausch hier ausschlafen – ich brauch' dich morgen unbedingt. Und zwar in fittem Zustand!“

„Schon klar, lass mal Luft ab, Luis…“

„Also dann, klingel einfach, wenn du da bist, die Jacky macht dir dann auf! Bis später!“

Und wieder dauerte es eine Weile, bis Frasther dämmerte, dass das rote Hörer-Symbol vielleicht das Zeichen für „Auflegen“ war. Derweil er telefoniert hatte, hatte der Bertl wieder zwei Schnäpse bestellt – nein, korrigierte er sich, das waren keine Schnäpse, das waren Tequilas. Die Zitrone war ein untrügliches Zeichen. Sie prosteten sich zu und leerten das Zeug runter.

„Wo waren wir stehengeblieben, bevor diese Nervensäge angerufen hat?“

Bertl starrte Frasther mit glasigem Blick an: „Das weiß ich jetz' auch nich' mehr… egal. Ich wusste gar nicht, das du'n Handy hast…“

„Hat mir der Luis gegeben, damit ich immer für ihn erreichbar bin – der Blade steht auf mich, weißt?“, grinste Frasther und verstaute das Ding umständlich in der Jacke.

„Das nimmt noch ein dickes Ende mit dem Prag-Luis, das sag' ich dir“, murmelte der Bertl in verschwörerischem Tonfall.

„Wie meinst’n das?“

„Na, schau ihn dir doch an – ein dünnes Ende kann's mit dem ja wohl nicht geben!“, brüllte der Bertl und prustete los. Sofort verstand Frasther den Schmäh und fiel mit dröhnendem Gewieher in das Gelächter ein.

Etliche Bier, Schnäpse und Tschicks später baute sich auf einmal die Chefin wie der drohende Schatten eines Giganten vor ihnen auf: „So, ihr beiden, letzte Runde! Geht aufs Haus, aber dann ist Schluß für heute!“

„Wie spät…“, gragölte* Bertl, der bereits Mühe hatte, sich auf dem Barhocker zu halten.

„Is' doch wurscht wie spät oder musst' zuhause nach Mutti… oder so…?“, stammelte Frasther, der sich schlauerweise schon seit geraumer Zeit auf dem Tresen aufstützte, um seinen Gleichgewichtssinn ein wenig zu schonen.

„Es ist kurz nach vier und spätestens um fünf lieg' ich in meinem Bett, also könnt ihr euch ausrechnen, wie schnell ihr fertigsaufen müsst.“ Grimmgrids Tonfall ließ keinen Widerspruch zu und so beeilten sich die beiden, nach ihren Gläsern zu greifen und eifrig auszutrinken.

„Wie mach'ma denn das mit dem Heimfahren, magst bei mir pennen?“, erkundigte sich der Bertl. Gleichzeitig versuchte er, sich einen Tschick aus der Packung zu angeln und tat sich unheimlich schwer damit.

Frasther saß, am Tresen aufgestützt, auf seinem Barhocker und beobachtete die Chefin, wie sie hinter der Theke aufräumte, putzte und wischte. Dabei gab er sich ganz dem schummerigen Duselgefühl in seinem Kopf und der leichten Linksrotation seiner Optik hin. Er sinnierte über Bertls Frage nach. „Der Luis hat gemeint, wir soll'n bei ihm auftauchen, wenn wir hier fertig sind…“

„Ahso? Ich auch? Was will er denn von mir, der Klops?“

„Keine Ahnung, aber der hat sicher noch was zum Trinken im Kühlschrank…“

„Glaubs’ du, der Blade is' happy wenn wir da jetzt noch beide reinschneien?“

„Mir doch wurscht, ob der happy is'… er wollte, dass ich noch vorbeikomm', also komm' ich noch vorbei. Und weil ich dein Schofff… dein Fahrer bin, wirst du wohl oder übel mitkommen müssen.“

So verabschiedeten sie sich von der Chefin und torkelten mit schwerem Seegang aus dem 'Chicago Café', Bertls schrottiger Japsenkarre entgegen. Der Bertl hatte es mit den ganzen Promille im Schädel nicht mehr so ganz im Aug', mit den Krücken zu laufen und wäre ohne Frasthers Hilfe einige Male arg auf der Fresse gelandet. Doch als sie in der Karre saßen und in Richtung von Prag-Luis' Villa fuhren, begannen sie im Überschwang des Alkohols, laut und ausgelassen schmutzige Lieder zu singen.

Malleus Proletarum - Der Proletenhammer

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