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11 – Western-Beisl

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Wieder zurück im Jeep, waren sich Frasther und Garstmuth schnell über ihre weitere Vorgehensweise einig; da dieser Brackatsky im Moment nicht aufzutreiben war, hingen sie ein wenig in der Luft. Da war eine kleine Zechtour wohl immer noch das sinnvollste, was man machen konnte – vor allem, wenn man gerade einen Haufen Kohle in der Tasche und sonst nichts zu tun hatte. Später würden sie dann den Rest von Prag-Luis Weibern abkassieren, aber erst würde man sich das eine oder andere Trankerl hinter die Binde kippen. Es war kurz nach Mitternacht, die ideale Zeit, um ein wenig auf den Putz zu hauen.

So landeten sie erstmal im 'Sheriff’s Arrest', einem modern eingerichteten Western-Beisl. Mit Befremden stellte Frasther fest, dass moderne Einrichtung und Western-Stil optisch nicht wirklich gut zusammenpassten – aber solange das Bier schmeckte, was das Drumherum ja nicht so wichtig. Hier waren jede Menge junger Leute, die tanzten, miteinander laberten, lachten und Spaß hatten. Manche hatten sogar Western-Kleidung an, man sah Jungs mit Cowboyhüten und Mädels mit diesen riesigen Röcken, deren genaue Bezeichnung ein richtiger Mann nicht zu wissen brauchte.

Als Türsteher fungierte offenbar ein Kerlchen Anfang zwanzig, das zuviel Anabolika schluckte. Diesen Steroidbombern sah man immer gleich an, was los war – durch das Verhältnis der muskelbepackten Oberarme, an denen die berühmte Arnold-Ader sich abzeichnete, zu den vom vielen gespritzten Dreck pickeligen und vernarbten Visagen konnte man unschwer den Missbrauch von Anabolika ableiten, wenn man sich ein wenig auskannte. Frasther kannte sich gut genug aus, um zu wissen, dass ein Bodybuilder kein Gegner war; wenn der Kerl ihm blöd gekommen wäre, hätte er ihm dies sehr schnell demonstriert. Doch der Türsteher musterte die beiden zwar argwöhnisch, machte aber ansonsten keinen Pieps.

Von der Musik schien das ganze in Richtung älterer Rock- und Bluessachen abzugehen. Garstmuth schnippte ein wenig mit den Fingern im Takt, während er auf einen Barhocker zusteuerte. CCR wurde gespielt, als sie Platz nahmen und jeweils ein Bier orderten. Als das Bier dann kam, schwenkte der DJ auf die langsamere Schiene um und brachte „Ride on” von AC/DC. Synchron griffen sie nach einem Tschick – es war einer dieser Songs, der sich einfach noch besser anhörte, wenn man mit einem Tschick in der Pappn im Takt mitwippte. Das Bier war überraschenderweise nicht so teuer, wie sie zuerst befürchtet hatten; es gab sogar große Biere, die im Verhältnis immer billiger waren als die kleinen.

„Netter Schuppen”, merkte Garstmuth an, der bereits seinen gierigen Blick auf die anwesende Weiblichkeit gerichtet hatte und angestrengt die Ärsche musterte.

„Brauchst dich aber nicht lange mit Drinks zahlen und ewigem Gelaber aufzuhalten – wenn du bumsen willst, können wir dir eines von Prag-Luis' Hühnern organisieren. Profis machen das immer noch am besten”, sagte Frasther lapidar, als er den Blick seines Kumpels sah.

Doch Garstmuth hatte bereits einer zugezwinkert und mit einladender Geste auf den Barhocker neben sich gedeutet; langsamen, unsicheren Schrittes kam das Mädel angepirscht. Ein süßes, junges Ding in weißem Westernkleid, hellblauer Jeansjacke, einem schwarzen Stirnband in den langen, goldblonden Haaren und mit den obligatorischen Cowboystiefeln an den Hufen.

„Na, Blondie, magst du dich ein wenig zu mir setzen?”, brummte Garstmuth die Kleine mit seinem einlullendsten Bass an.

Das Mädchen blickte auf die Tätowierungen an Garstmuths gewaltigen Unterarmen: „Oh wow, du hast aber viele Tätowierungen. Sind die ausm Knast?”

„Nein, die sind nicht aus dem Knast, sondern von einem richtig guten Tätowierer in Amsterdam”, erklärte Garstmuth sülzend. „Hab' ich mir über die Knast-Tattoos drübermachen lassen”, fügte er dann etwas geheimnisvoll hinzu. Die Kleine kicherte schüchtern.

„Und was bedeutet: KRPR?”, fragte sie weiter, diesmal mit einem unschuldig-fragenden Augenaufschlag.

Garstmuth räusperte sich.

„Ist die Abkürzung für 'Krepier!' Ist das einzige Tattoo an dem Knaben, das KEIN Profi gestochen hat – das hab' nämlich ich gestochen”, schaltete Frasther sich in das Gespräch ein, nicht ohne einen dezent stolzen Unterton.

„Krepier?”, fragte sie ungläubig.

„Ja, weißt', Mädel, das ist meine Schlagfaust, und als der Frasther hier und ich”, Garstmuth deutete mit präsentierender Geste erst auf Frasther neben ihm und dann auf sich selbst, „früher noch junge Spunde waren, ham' wir das immer gebrüllt, wenn wir einen ausgeknockt ham'. Ist aber schon lange her…”

„Und weswegen warst du im Knast, wenn ich fragen darf?”, hakte sie nach.

„Na, eh nix besonderes, nur ein paar Kleinigkeiten wie Körperverletzung, gefährliche Drohung, Widerstand gegen die Staatsgewalt und Fahren in alkoholisiertem Zustand, Fahren ohne Führerschein, Fahren trotz gerichtlich angeordneter Fahrzeug-Betriebssperre…”, zählte Garstmuth die ganze Litanei auf.

Die Augen der Kleinen wurden immer größer. „Und jetzt im Moment – darfst du fahren oder nicht?”

„Natürlich nicht, aber wenn ich fahren muss, dann fahre ich, basta. Doch jetzt setz dich endlich her, Kleine, und trink was mit mir. Was magst 'n haben?”

Das Blondchen setzte sich zögerlich und mit scheuem Blick: „Eine Cola, aber die möchte ich gern selber zahlen.”

„Cola?”, fragte Garstmuth ungläubig.

„Eine Cola!”, schüttelte Frasther ungläubig den Kopf. Er konnte sich nicht mehr erinnern, wann er diese grässlich süße, nach Dünnschiss aussehende Pampe zum letzten Mal getrunken hatte. Während die beiden ob dieser Bestellung in eine Art Schockstarre verfallen waren, ergriff das Mädel selber die Initiative und orderte sich ihr Getränk.

„Und ich heiße übrigens Donna und studiere Sozialarbeit. Nebenher tanze ich aber auch noch in einer Square-Dance-Gruppe, und die meisten Leute von der Gruppe treffen sich immer hier…”

„Square Dance?”, erkundigte sich Garstmuth. Vor seinem geistigen Auge erschien Donna, nur in einer Leder-Korsage, wie sie sich um eine Stange räkelte.

„Kennst du nicht? Das ist ein Westerntanz, ein Gruppentanz – und das hier…”, sie deutete auf ihr Kleid, „ist das traditionelle Kleid, das die Ladies dazu tragen. Ich finde das Kleid aber so angenehm, dass ich es eigentlich sowieso fast immer trage, wenn ich ausgehe…”, salbaderte Donna weiter, während das tolle Bild vor Garstmuths innerem Auge wie eine Seifenblase zerplazte.

Frasther drückte seinen Tschick aus und blendete das Geseiere der Kleinen, die jetzt munter weiter Garstmuth zutextete, einfach aus. Er ergriff sein Bier, nahm einen köstlichen, großen Schluck und ließ dann seinen Blick ein wenig durch das Lokal schweifen.

Der Billardtisch zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Eine Partie Billard wäre jetzt nicht schlecht, überlegte er sich. Doch dann erspähte er in einem Winkel einen Tischfußballkasten, an dem ein paar jugendliche Burschen rumlümmelten; vier, die spielten und einer der zusah. Er erhob sich von seinem Barhocker und steuerte breitspurig auf den Kasten zu. Wie eine antike Statue stellte er sich daneben und sah den vier Kerlchen beim Kicken zu. Könner, das sah man auf den ersten Blick. Er beobachtete noch zwei Bälle lang genau die einzelnen Aktionen – Könner, aber keine Profis, grinste er hämisch in sich hinein.

„He, du!”, blaffte er den einen Kerl an, der ihm gegenüber am Tisch stand und ebenfalls beim kickern zusah.

Das Bürschchen, ein dünner, blasser Knabe in viel zu weitem Peruanerpulli und mit einer dieser doofen Rasta-Wollmützen über dem halblangen, unfrisierten Wuschelhaar, blickte mit großen fragenden Augen zu ihm auf.

„Kannst du des da?”, Frasther deutete auf den Tisch. Das Bürsch' nickte stumm, keine Regung im Milchgesichtchen.

Mit dramatischer Geste knallte Frasther eine Münze auf die Tischplatte. „Wir fordern!”

Vier Augenpaare richteten sich unisono auf ihn, um dann sogleich wieder zum Spiel zurückzukehren. Es stand fünf zu vier für den kleinen fetten Skater und seinen ziemlich bekifft wirkenden Hungerturm von Kumpel; die beiden spielten gegen einen ebenfalls äußerst eingerauchten Rothaarigen und dessen Kumpel, der als einziger der fünf wie jeder normale Mensch Jeans und ein Hemd trug. Vor allem gefiel Frasther seine Kappe mit dem Abzeichen eines englischen Fußballvereins, der für seine prügelnden Hooliganhorden berühmt war.

Er steckte sich eine Kippe an und wartete gespannt auf den Ausgang des Spieles; der Rothaarige knallte aus der Verteidigung heraus den Ausgleich rein, doch dann, nach ewigem Geplänkel im Mittelfeld, bekam der kleine fette Skater den Ball ruhig in Abdrückposition und nutzte seine Chance.

Frasther machte sich sofort an den beiden Hebeln für Mittelfeld und Angriff zu schaffen.

„Äh, soll ich nicht lieber vorn spielen? Ich bin hinten nicht so gut…”, meldete sich sein junger Mitspieler nun erstmals zu Wort.

„Du bringst mir nur die Bälle nach vorn, den Rest mach’ ich dann schon”, beruhigte Frasther ihn.

Das Bürsch' blickte ihn zweifelnd an und nahm zögerlich die Hebel für Torwart und Abwehr in die Griffel.

„Ohne Mitte, eh klar”, sagte der kleine fette Skater und blickte zu Frasther hoch, während er den ersten Ball hochbugsierte.

„Was, ohne Mitte?”, fragte Frasther verblüfft. Er kannte natürlich diese bescheuerte neumodische Regel, wonach man mit dem Mittefeld nicht direkt aufs Tor abziehen durfte, doch er hätte sich nie gedacht, dass diese hoffnungsvollen Jungspieler hier nach dieser spielverderberischen Regel spielen würden.

„Das ist ja langweilig dann…”, wandte der kleine fette Skater ein.

„Was glaubst du, wozu diese fünf in der Mitte da sind, Kerl?” Frasther gestikulierte wild in Richtung Mittelfeld. „Na, sicher zum Abziehen, wie alle anderen auch! Man schießt ja auch mit dem Goalie und der Abwehr seine Tore, oder etwa nicht? Wie’s halt im richtigen Fußball auch so ist”, erklärte er laut genug, dass das auch ja alle mitkriegten.

„Aber dann kann einer, wenn’s blöd läuft, mal ein paar Tore hintereinander mit einem einzigen Schuss machen…”, ließ der kleine fette Skater nicht locker.

„Hör mal, wir spielen hier MIT MITTE, ist das klar? Wenn’s dir nicht passt, kannst du ja deinen Platz für einen der anderen hier freimachen, der damit nicht so’n Problem hat, hast' mich*?!”, wurde Frasther noch um eine Spur lauter. Seine Halsadern schwollen ganz leicht an.

Das Spiel begann und schon nach den ersten beiden Bällen zeigte sich, dass die vielen tausend Trainingsstunden mehr, die er auf dem Buckel hatte, schwer zu Frasthers Vorteil waren. Er spielte elegant mit der Mitte zum Angriff, nur um den Rotzaffen zu zeigen, dass er das sehr wohl auch konnte, wenn er wollte. Dann legte er sich die Kugel vor und zog ab, noch bevor der gegnerische Torwart reagieren konnte. Den dritten Ball versenkte der kleine fette Skater, ohne mit der Wimper zu zucken, gleich nach dem Einwurf aus der Mitte heraus. Frasther revanchierte sich sofort auf die gleiche Art und Weise und ließ ein dröhnendes „Hö-hö-höö” ertönen. Minuten später war die Sache geritzt und Frasther und sein Mitspieler hatten neun zu zwei gewonnen.

„Seitenwechsel!”, skandierte der kleine, fette Skater und legte eine Kröte auf die Tischplatte.

„Von mir aus”, brummte Frasther.

Diesmal dauerte das Spiel um einen gerauchten Tschick länger, doch das Ergebnis war fast dasselbe – Team Frasther gewann mit acht zu drei. Frasther führte das darauf zurück, dass es ihm gegen diese Gegner keinen rechten Spaß machte – seine spielerischen Fähigkeiten waren denen der Jungs einfach zu überlegen. Darum überließ er die Bürschchen auch wieder ihrem Schicksal, obwohl sie ihn beinahe anflehten um ein weiteres Spiel.

„Übt noch ‘n paar Jahre, dann spielen wir wieder mal”, brummelte er und ließ sie stehen. Mit dem Bier in der Hand stakste er durch das Lokal; aus den Augenwinkeln heraus erspähte er kurz Garstmuth, dem von dieser Kleinen immer noch das Ohr abgekaut wurde. Naja, so wie die beiden inzwischen grinsten, würde sie ihm heute sicher auch noch was anderes abkauen. Er stellte sich am Flipperkasten auf, parkte sein Bier auf der dafür vorgesehenen Ablage und begann, ein wenig herumzuflippern.

Eine Viertelstunde und einige investierte Kröten später war er fuchsteufelswild; dieser Mistkasten hatte einige kaputte Federn, was das Spielen nicht gerade leichter machte – und Frasther war sowieso nicht gerade der beste Verlierer. Mit einem mächtigen Tritt brachte er das Ding zum tilten und schwor sich zum x-ten Mal in seinem Leben, nie wieder Kohle in so einen Dreckskasten reinzustecken. Schnaubend ergriff er sein Bier und leerte es mit einem großen Schluck. Dann drehte er um und latschte zur Bar hinüber, um Nachschub zu holen. Garstmuth war verschwunden.

Gut, überlegte er, dann ist er mit der Kleinen auf das Scheißhaus, das heißt, dass wir sie nachher nicht mitschleppen müssen. Ein Vorteil.

Inzwischen hatte der DJ auf Rainbow umgeschaltet, „Man on the silver mountain” dröhnte durch die Bude. Er steckte sich einen Tschick an und blies eine dicke Rauchwolke in das schummrige Barlicht. Der viele Alkohol, den er heute bereits wieder zu sich genommen hatte, versetzte ihn nun in einen angenehm benebelten Zustand; gemütlich an der Bar hängend, kam er ins Grübeln und dachte an den nächsten Tag.

Den Bumsti im Häfn besuchen, gut, das war eine Sache. Und dann erstmal abwarten und schauen, ob dieser Assl auch wirklich Wort hielt und alles wie vereinbart klappen würde. Er persönlich hielt ja nicht viel von bewaffneten Auseinandersetzungen – Knarren waren was für Weicheier, Männer, die etwas auf sich hielten, regelten ihre Probleme mit den Fäusten – und doch hatten sich die verfluchten Bleispritzen schon gelegentlich als nützlich erwiesen.

Krachend kam eine Holztür in den Raum geflogen, die Splitter stieben nur so in der Gegend herum. Frasther blickte verwundert, aber nicht besonders überrascht auf und drückte seinen Tschick aus. Es schien sich um die Scheißhaustür zu handeln.

Durch die Tür kam jetzt ein Prolet hereingetorkelt, ein Stammgast im 'Sherriff’s Arrest', wie unschwer an den Cowboystiefeln und dem lächerlichen Hut zu erkennen war. Der Kerl hatte den Rückwärtsgang eingelegt und wirkte besoffen. Doch als er hintüber fiel, konnte man deutlich sehen, dass er nicht durch übermäßigen Alkoholkonsum, sondern vielmehr durch einen mächtigen Bock*, den er übernommen und der eine riesige Platzwunde an seiner Unterlippe verursacht hatte, ins Trudeln gekommen war.

Jetzt ging das übliche Getue los: Die Weiber kreischten hysterisch auf, die Musik hörte auf zu spielen, hektisches Stimmengewirr erhob sich, ein paar Typen rannten planlos durcheinander und suchten mit blutunterlaufenen Blicken jemanden, dem sie in die Goschn hauen konnten. Vom Scheißhaus her kam derweil lautes Gebrüll von zwei, drei Kerlen und noch lauteres Gezeter von etwa ebenso vielen Weibern. Dann ertönten Kampfgeräusche, ein paar Pracker, Gefluche, Gerumpel, noch ein paar Pracker.

„Du Drecksau! Krepier!!!”, erfüllte Garstmuths Bass, zornig wie Donnergrollen, auf einmal die Kneipe. Ein weiterer Schlag klatschte, das Geräusch von geballten Fingerknöcheln, die mit massiver Wucht auf ein Nasenbein oder einen ähnlichen Knochen trafen.

„Woouuuhh…”, wimmerte eine männliche Stimme. „Aaah! Hiilfää!”, kreischte eine weibliche Stimme. Seelenruhig erhob sich Frasther von seinem Barhocker.

Vom Scheißhaus her rumpelte es erneut und ein weiterer Knabe in Cowboy-Outfit kam hervorgekrochen. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes – der Kerl versuchte auf allen Vieren, im blitzartigen Krabbelgang wie ein zu groß geratener Mistkäfer, Garstmuth zu entkommen, der den Burschen an einem Zipfel seines Hemdes festhielt..

„Hiergeblieben, du perverse Drecksau!”, brüllte er und verpasste ihm einem mächtigen Tritt in den Arsch, ohne jedoch den Hemdzipfel loszulassen. Japsend brach der Kerl nieder und versuchte nun, sich schlängelnd und robbend irgendwie von Garstmuth wegzubewegen. Frasther grinste und genoss das Schauspiel.

„Steh auf, du Schleimscheisser, damit ich dich niederhauen kann!”, brüllte Garstmuth und zerrte den Burschen mit aller Gewalt hoch. Jetzt kam Donna hinter ihm her aus dem Loch, wo einst die Scheißhaustür gewesen war und hüpfte wie ein dressierter Pudel an Garstmuth hoch. „Lass ihn, die haben genug!”, kreischte sie aufgeregt, doch Garstmuth schien sie nicht einmal zu bemerken. Er drehte das Kerlchen herum, schnappte ihn sich an der Gurgel, damit er nicht gleich wieder niedergehen konnte und verpasste ihm mit dem Handrücken eine weit ausholende Watschen. Einige klatschende Schläge später ließ Garstmuth den Typen aus; er sackte in sich zusammen wie ein verfaulter Kürbis.

„Jetzt ist aber genug! Raus hier, sofort!”, mischte sich auf einmal das Stimmchen des Türsteherchens ein, gerade als der Cowboy auf dem Boden aufschlug. Garstmuths Augen hatten dieses ganz spezielle Funkeln, das Frasther nur zu gut kannte und von dem er wusste, dass es gefährlich war; jemand musste seinen alten Kumpel offenbar wirklich bis zur Weißglut gereizt haben. Doch er kam nicht dazu, weiter zu überlegen, denn das Anabolika-Knäblein von Türsteher war gerade im Begriff eine Riesendummheit zu machen – es trabte nämlich entschlossen wirkend auf Garstmuth zu. Mit zwei schnellen Schritten war Frasther zwischen den beiden und versperrte dem Kerl den Weg.

„Schau lieber, dass hier keine Perversen in deinem Lokal herumrennen, du Anfänger, dann kommt’s erst gar nicht soweit!”, knurrte Garstmuth.

„Dieser Spanner hat uns gefilmt!”, quiekte Donna von hinten und setzte zu einer langatmigen Erklärung an. Die konnte sie aber nicht weiter ausführen, denn der Türsteher versuchte nun ernsthaft, Frasther auf die Seite zu schieben, um an Garstmuth heranzukommen.

„He, Jungchen, nimm deine Griffel von mir!”

„Aus dem Weg, aber sofort!”, befahl der Steroidbomber und versuchte Frasthers Hand umzudrehen. Kannte sich offenbar mit Aikido oder so ‘nem ähnlichen Scheiß aus, die Ratte, dachte Frasther und verpasste dem Kerl eine Kopfnuss, dass es schepperte. Der Türsteher hatte gute Reflexe; es schaffte es, gerade noch den Kopf irgendwie zurücklegen, aber Frasthers Stirn prallte auf seinen Kehlkopf. Es gab ein röchelndes Geräusch von sich. Frasther trieb ihm seine Linke tief in die Eingeweide, federte mit dem Oberkörper zurück und verpasste ihm mit der Rechten noch einen knallenden Haken auf den Unterkiefer. Das reichte; die Lichter des Türstehers erloschen und er ging zu Boden.

Garstmuth bedachte den am Boden liegenden Muskelberg mit einem verächtlichen Blick. „Weniger Zeugs spritzen, mehr Sparring machen”, empfahl er, doch der Angesprochene war nicht in der Lage, die Information aufzunehmen.

Im 'Sheriff’s Arrest' war indes höchste Betriebsamkeit ausgebrochen, alle laberten durcheinander, gestikulierten aufgeregt in Richtung Frasther und Garstmuth; einer der Barkeeper telefonierte, fuchtelte dabei hektisch mit der freien Hand in der Luft herum und Donna redete auf die Umherstehenden ein. Sie versuchte offenbar, den plötzlichen Wutausbruch Garstmuths zu rechtfertigen.

„Wird langsam Zeit, um weiterzuziehen”, murmelte Frasther und sie verließen das Lokal, ohne sich großartig um das entstandene Chaos zu kümmern.

„Was war’n los?”, erkundigte er sich bei Garstmuth, als sie in den Jeep einstiegen.

„Der kleine Perversling hat mit seinem Handy Fotos oder ein Filmchen von Donna und mir gemacht – im Prinzip is’ mir das ja egal, aber man kann verdammt nochmal fragen, bevor man in die Intimsphäre fremder Leute einbricht, oder? Ich sag' ihm also, er soll damit aufhören, doch was macht die Mistratte? Grinst nur dämlich, filmt weiter und dabei läuft im fast schon der Sabber aus der Schnauze. Tja, er hat wohl meine Tentakel unterschätzt. War auf jeden Fall eine böse Überraschung für ihn, als ich ihn zu fassen bekam, obwohl ich noch in der Donna drinsteckte…naja, und dann ging das Gezeter eh schon los.”

Apropos Gezeter, dachte sich Frasther im Stillen, als auf einmal eine kreischende und wild mit den Armen fuchtelnde Donna auf dem Parkplatz auftauchte.

„He, du kannst mich jetzt doch nicht einfach hier stehen lassen!”, quietschte sie zur bereits halbgeschlossenen Autotür herein.

„Kann ich wohl”, gab Garstmuth knapp zurück und knallte die Tür zu.

Frasther gab augenblicklich Gas und legte eine saubere Gummispur hin. „Bist du wenigstens noch fertig geworden mit der?”, fragte er. Garstmuths zufriedenes Grinsen, als sich dieser den nächsten Tschick ansteckte, war ihm Antwort genug.

Was ihn jetzt jedoch immer noch ein wenig stresste, war der Umstand, dass er jetzt immer noch die Kontrolltour vom Luis abzufahren hatte; dabei hatte er für heute eigentlich genug. Aber was soll’s, dachte er, ein knappes Stündchen und dann war das auch erledigt, immerhin hatte ja den Mutl zum Quatschen dabei. Also drehte er den Hardrock ein wenig lauter, lehnte sich im Fahrersitz zurück und versuchte, die kürzestmögliche Route zu fahren.

Nachdem sie die restlichen von Prag-Luis’ Strichkatzen abkassiert hatten, waren sie beide geschlaucht und konnten sich kaum noch vorstellen, wie der Luis diesen Hühnerhaufen zusammenhielt. Praktisch jede einzelne hatte gezickt und ein Theater gemacht, als sie dahergekommen waren. Sie wussten inzwischen nicht mehr genau, welche jetzt mit Kündigung gedroht oder den Luis einfach nur so bis in die tiefste Hölle hinab verwünscht hatte. Mehr als einmal hatten sie ihr ganzes diplomatisches Geschick aufbringen müssen, um eine besonders rabiat kreischende Schnepfe wieder halbwegs auf den Boden der Vernunft zurückzuholen. Und jede einzelne hatte drauf bestanden, dass sich die beiden eine ganz bestimmte Botschaft für den Luis merkten; ihnen surrte schon lange der Schädel von dem ganzen Weibergekeife, das sie sich zu merken hatten. Vermutlich würde es den Luis eh nicht interessieren – der war sowieso schon am Rotieren vor lauter nervös. Ob der Gfüllte an die vielen Scheine denken würde, die Frasther von all den keifenden Weibern bekommen hatte?

Als sie endlich zurück bei Prag-Luis' Herrschaftssitz angekommen waren, fabrizierte er erst einmal eine schöne, dreckspritzende Bremsung in dem Erdhaufen, der einmal ein Blumenbeet gewesen war. Dann taumelten sie, beide ziemlich erledigt vom langen Abend, aus dem Jeep hervor. Es war inzwischen tiefste Nacht und in der gutbürgerlichen Gegend, in der der Prag-Luis hauste, war es außerordentlich ruhig. Frasther hörte nichts weiter außer seinem eigenen und Garstmuths keuchendem Atem, ihren schlurfenden Schritten auf dem Kies und das Brummen seines eigenen Schädels, während sie auf die Haustür zusteuerten. Frasther drückte die Klingel, woraufhin im Hausinneren eine klassische Melodie ertönte.

Gerumpel und Gepolter, dann hörten sie schwere Schritte zur Tür schlurfen. „Frasther, bist du das?”

„Nein, hier ist die Mutter Theresa! Ich bin gekommen, um dir deinen verfluchten Sünderarsch zu versohlen!”, brüllte er vergnügt.

Metallisches Geklimper ertönte, Schlüssel drehten sich, die Tür ging auf. Ein ziemlich erledigt dreinschauender Prag-Luis stand vor ihnen und starrte sie mit offenem Mund abwechselnd an.

„So Luis, sag nett 'Hallo' zu deinem neuen Söldner!”, lallte Frasther.

„Servus, Luis”, nickte Garstmuth.

„Servus, Mutl. Mitten in der Nacht kommt ihr beiden daher… Mein lieber Schwan, ihr schaut aber sauber bedient aus. Ich würd' sagen, ihr haut euch auf die Couch im Wohnzimmer und schlaft erstmal euren Dampf aus.” Er wies ihnen den Weg in Richtung Wohnzimmer. Doch Frasther kramte, sobald er im Flur stand, jede Menge Scheine aus seiner Lederjacke hervor.

„Das is’ alles von deinen Weibern und die haben alle ein Theater gemacht von wegen du sollst gefälligst selber deinen Arsch zu ihnen rausbewegen…„

Garstmuth fiel im ins Wort: „Ja Mann, Gekeife ohne Ende! Echt Luis, ich frag' dich, wie hältst du's mit denen bloß aus?”

Der Prag-Luis stand da und sah zu, wie Frasther umständlich wild zerknitterte Geldscheine hervorzauberte und ihm umständlich auszuhändigen versuchte. Büschelweise fiel das Zeug zu Boden, der Luis sah nur ungläubig zu. „Komm, Frasther, lass das, zieh einfach deine Jacke aus und hau dich auf die Couch, ich mach das schon…” Mit sanfter Gewalt schob der Luis ihn weiter. Als Garstmuth, der bereits auf der Couch lag, anfing herumzugrölen, hatte auch er es geschafft, sich seiner Lederjacke zu entledigen und ließ sich dumpf daneben hinplumpsen.

„Na, servus“, sagte der Luis, stellte ihnen noch jeweils eine kleine Dose Bier und eine Flasche Mineralwasser hin, schaltete ihnen die Glotze auf einen Sportkanal und trollte sich dann wieder.

Sie kamen an diesem Abend nicht mehr dazu, das Bier noch aufzureißen, zu schnell übermannte sie der Schlaf.

Am nächsten Morgen wurde Frasther irgendwann mal von seinem Harndrang geweckt; er schlich sich aufs Scheißhaus und pumpte eine gefühlte Ewigkeit lang mit Hochdruck den Gülletank ab. Trotzdem fühlte sich sein Magen etwas komisch an, da zwickte und stach ihn etwas; vermutlich brauchte er noch eine Mütze voll Schlaf, um wieder voll da zu sein. Etwas geschwächt kroch er wieder zurück auf die Couch, wo Garstmuth immer noch selig schnarchte. Er steckte sich einen Tschick an, machte sich lang, nahm den Aschenbecher auf seine Brust und starrte ins Halbdunkel. Wenig später war er wieder eingeschlafen.

Das Nächste, das er wahrnahm, war Gebrummel im Hintergrund, das sich in seinem Bewußtsein immer mehr nach vorn drängte. Bis es schließlich so deutlich war, dass er es identifizieren konnte. Ein munter klingender Luis und ein sich nur mit Krächzlauten verständigender Garstmuth parlierten miteinander.

„Na egal, jetzt hab' ich jedenfalls Druck auf dem Boiler!”, hörte er Garstmuth sagen. Dann Geraschel und Schritte, die sich entfernten.

„Frasther…?”

„Ja, Luis, mich hast du auch geweckt.”

„Na, dann is' ja gut. 's is' nämlich schon Mittag durch, genug gepennt jetzt! Heute sollte ja unsere Lieferung kommen.“

„Ah so?“, gähnte Frasther und streckte sich. Sein Schädel brummte wie ein ganzes Bärengehege, doch langsam nahm sein Gehirn wieder die Arbeit auf. Er hörte die Kaffeemaschine – die wieder infernalischen Lärm verursachte – arbeiten und roch den köstlichen Kaffeeduft in der Luft. Und er hörte ein weiteres Gerät, vermutlich eine Mikrowelle, ein beständiges, intensives Summen.

Der Luis zappelte noch nervöser als sonst in der Gegend herum. „Was heißt hier 'ah so'? Du warst ja dabei, wirst dich wohl noch erinnern können…“, schnappte er.

„Lass mich doch erst mal wieder lebendig werden, Herrgott!“, knurrte Frasther, setzte sich auf und wurstelte einen Tschick aus der Packung.

„Gleich gibt’s Kaffee und ein paar Baguettes hab' ich euch auch warm gemacht.“

„Du bist wie eine Mutter zu uns“, sagte Frasther und fing an zu husten.

Der erste Zug vom Tschick haute voll rein, er grunzte und röchelte, dass der Luis fragend die Augenbrauen hob. Schließlich parkte Frasther den Tschick im Aschenbecher und latschte in die Küche, wo er unter heftiger Geräuschkulisse einen ordentlichen Brocken Schleim hochwürgte, den er dann ins Waschbecken spuckte.

„Du lieber Gott, das war vielleicht ein Friedhofsjodler“, stellte der Luis fest, als Frasther wieder ins Wohnzimmer zurückkehrte.

Dann wurde getafelt: Der Luis servierte zwei Jumbotassen Kaffee und je zwei Mikrowellen-Baguettes für seine Gäste; er selber genehmigte sich nur ein Kaffeechen aus einer kleinen, noblen Tasse. Frasther stellte fest, dass – wie hieß sie noch? Moni oder Mona, soweit er sich erinnerte – das mit dem Frühstück wesentlich besser im Aug' hatte als ihr Chef; lustlos kaute er auf einem der kleinen Baguette-Dinger herum. Dieser Mist schmeckte wie erhitzter Kunststoff. Garstmuth radierte seine Ration in Windeseile aus und starrte dann solange gierig auf Frasthers übriges Baguette, bis dieser es ihm rüberschob. Der Luis saß ihnen gegenüber, rauchte eine nach der anderen und versuchte ununterbrochen, ein Gespräch in Gang zu bringen, was beim Grad der Verkaterung seiner beiden Gegenüber nicht gerade einfach war.

Schließlich erzählte ihm Frasther nach und nach mit brüchiger Stimme, was er von der vergangenen Nacht noch so im Kopf hatte: Er hatte Garstmuth für das Team gewonnen – an dieser Stelle hob Besagter grinsend seine riesige Tatze und sagte „Hallo!“, der wiederum einen sehr guten Mann namens Watschlav empfohlen hätte, welchen man jedoch nicht hatte finden können und der deshalb auch noch nicht für das Team gewonnen sei; weiters hätten ihre Beratungen ergeben, dass es zwecks Informationsgewinnung sinnvoll wäre, den Bumsti im Knast zu besuchen. Zu guter Letzt standen die Damen, die der Luis als seine Angestellten bezeichnete, aufgrund diverser widriger Zwischenfälle kurz vor einer Revolte.

Dass sie, sogar durch eine von Luis' Angestellten, auf die Spur von diesem Brackatsky gekommen waren, verschwieg er lieber; vermutlich hätte sich der Luis durch diese Information zu einer Kurzschlusshandlung hinreißen lassen – doch für Kurzschlusshandlungen war es noch zu früh, fand Frasther.

Der Luis hörte sich das Ganze an und blickte zum hundertsten Mal innerhalb von fünf Minuten auf die Uhr. „Wieso sind wir da nicht selber drauf gekommen? Klar, Infos kriegt man im Knast…“

Garstmuth lachte sein kehliges Lachen. „Siehst – war nämlich meine erste Idee. 'n Superhirn wie ich ist eigentlich so gut wie unbezahlbar. Apropos, Luis, über das haben wir noch gar nicht geredet – wie sieht es denn mit der Bezahlung aus? Aus reiner Nächstenliebe mach' ich nämlich nicht gerade viel, und das was ich rein aus Nächstenliebe mache, das mach' ich garantiert nicht mit 'nem Kerl…?“

So wurde vereinbart, dass Garstmuth genau den gleichen Satz wie Frasther erhalten sollte; Frasther konnte sich zwar nicht mehr genau an ihre Vereinbarung erinnern, aber er hatte noch im Kopf, dass 500 Kröten pro Tag so quasi der Grundlohn waren. Also signalisierte er Garstmuth auf dessen fragenden Blick hin, dass das sehr wohl passen würde. Dann schlug Frasther vor, dass er und Garstmuth sich nach dem Kaffee gleich aufmachen würden, um den Bumsti zu besuchen, woraufhin der Luis erst einmal herumzickte und darauf bestand, einer seiner Gorillas müsse von jetzt an immer um ihn herum sein.

Geduldig erklärte Frasther dem Luis, dass er ohnehin hier auf den Antiquitätenhändler warten müsse und dass er zuhause, in den eigenen vier Wänden, ja wohl für ein paar Stunden auf persönlichen Schutz verzichten könne.

„Ja, und wer hilft uns beim Ausladen?“, meckerte der Luis.

„Das wird wohl der Kerl übernehmen, der das Zeug liefert! Zwei erwachsene Männer werden doch wohl ein paar Gewehre aus einem verdammten Auto ausladen können, ohne dass sie dafür 'n Heer von Arbeitern brauchen!“, empörte sich Frasther.

Das sah der Luis dann widerstrebend ein; so packten sich Frasther und Garstmuth nach dem kläglichen Frühstück zusammen und machten sich auf den Weg, um den Bumsti im Häfn zu besuchen, während der Luis weiterhin nervös seine Kreise durchs Wohnzimmer zog und auf seine Lieferung wartete.

Malleus Proletarum - Der Proletenhammer

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