Читать книгу Jahresabschluss nach dem Schweizer Rechnungslegungsrecht - Marco Gehrig - Страница 68
3.4.3 International Financial Reporting Standards IAS/IFRS
ОглавлениеDas International Accounting Standards Committee (IASC), aus dem das heutige International Accounting Standards Board (IASB) hervorgegangen ist, wurde 1972 als privatrechtliche Organisation durch eine Vereinbarung mit den Berufsverbänden der Wirtschaftsprüfer aus zehn Ländern mit dem Ziel errichtet, die Rechnungslegungsgrundsätze von Unternehmungen und anderen Organisationen durch die International Accounting Standards (IAS) weltweit zu harmonisieren und zu verbessern. Das Regelwerk der IAS wurde – vor allem in den 1990er Jahren – nach und nach umfangreicher wie auch engmaschiger, insbesondere durch eine spürbare Einschränkung von Alternativen bei der Behandlung identischer Geschäftsfälle.
Ab 2001 erfolgte eine grundlegende Neuausrichtung der IAS-Organisation, insbesondere im Hinblick auf die angestrebte Anerkennung durch die US-Börsenbehörde. Um die Unabhängigkeit von der Gründerorganisation IFAC (Weltverband der Wirtschaftsprüfer) zu lockern und die Fachkompetenz des IASC als professionellen, globalen, nicht mehr im Milizsystem arbeitenden Standardsetter zu gewährleisten, wurde das IASC in eine Stiftung (IASC Foundation) überführt und damit organisatorisch wie konzeptionell neugestaltet.
An der Spitze steht das Board of Trustees (22 Mitglieder) als Vertreter der verschiedenen an der Rechnungslegung interessierten Gruppen. Dieses ernennt das aus 14 Mitgliedern bestehende Board (IASB), von denen 12 hauptamtlich tätig sind. Als beratendes Gremium steht dem Board das aus rund 50 Mitgliedern zusammengesetzte Standard Advisory Council zur Seite. Seit 2001 erfährt zudem das gesamte Regelwerk des IASB eine fortlaufende Überarbeitung. Neu hinzukommende Standards werden nunmehr jedoch als International Financial Reporting Standard (IFRS) veröffentlicht. Für die durchweg mehr oder weniger stark revidierten «alten» Standards bleibt hingegen die Bezeichnung IAS erhalten. Die International Financial Reporting Standards (IFRS) als Oberbegriff umfassen sowohl die bislang bestehenden IAS als auch die neu veröffentlichten IFRS.
Zu Interpretations- und Anwendungsfragen nimmt nun das International Financial Reporting Interpretations Committee (IFRIC), ehemals Standing Interpretations Committee (SIC), Stellung. Die Bearbeitung einzelner Projekte wiederum obliegt einem Steering Committee (Lenkungsausschuss). Nachdem die EU seit 2005 weltweit die grösste Anwenderin der Normen ist, soll künftig Vertretern der EU-Kommission im Board of Trustees und im IASB ein verstärkter Einfluss eingeräumt werden.
Als privatrechtliche Organisation hat das IASB keine Möglichkeit, die Standards rechtsverbindlich durchzusetzen. Ein entscheidender Durchbruch zur weltweiten Akzeptanz der IFRS wurde jedoch durch die Verbindung mit der internationalen Organisation der Börsenaufsichtsbehörde International Organisation of Securities Commissions (IOSCO) erreicht, deren einflussreichstes Mitglied die amerikanische SEC ist. Die IOSCO empfiehlt ihren Mitgliedern, im Rahmen der Börsenzulassung von ausländischen Emittenten, die Rechnungslegung nach IFRS zu verlangen, nachdem das IASB die Anforderungen an Inhalt und Umfang spürbar erhöht hat.
Der Einfluss des amerikanischen Finanzmarktes äussert sich in den letzten Jahren in einer deutlichen Annäherung der Anforderungen an die finanzielle Berichterstattung nach IFRS an jene der amerikanischen Rechnungslegungsstandards (US GAAP). Mit der IAS-Verordnung der EU vom 16. Juni 2002 zur verbindlichen Anwendung der IFRS ab 2005 ist dem IASB jedoch in der langen Auseinandersetzung um die Anerkennung der IFRS als anerkannten Rechnungslegungsstandard auf allen wichtigen Börsenplätzen ein entscheidender Durchbruch gelungen. Durch die starke Einbindung des Financial Accounting Standard Board (FASB) ist eine zunehmende Konvergenz von IFRS und US GAAP festzustellen.
Nach bisheriger Regelung mussten ausländische Gesellschaften, die in den USA Wertpapiere registrieren lassen, ihre Rechnungslegung den amerikanischen Normen mittels einer entsprechenden Reconciliation angleichen. Dieses aufwändige und für potenzielle Interessenten abschreckende Prozedere der Überleitungen von IFRS nach US GAAP ist seit November 2007 nicht mehr erforderlich.
Nach einer anfänglichen Zurückhaltung legen seit Mitte der Neunzigerjahre die meisten grossen Schweizer Konzerne unter dem Druck der Investoren auf den internationalen Finanzmärkten ihre Konzernrechnung nach IFRS ab. Selbst mittelgrosse kotierte Gesellschaften haben in den letzten Jahren, bereits bevor sie durch das KR dazu gezwungen wurden, den konsolidierten Abschluss auf IFRS umgestellt. Diese nehmen den mit der erstmaligen Umstellung und der laufenden Anpassung von IFRS verbundenen, nicht zu unterschätzenden Aufwand auf sich, weil nach Auskünften aus der Praxis ein im Ausland allgemein bekannter und anerkannter Rechnungslegungsstandard bei Beziehungen mit ausländischen Geschäftspartnern als hilfreich betrachtet wird. Zudem erleichtern Jahresabschlüsse nach IFRS der Unternehmen bei Mergers- und Acquisition-Transaktionen (in einer aktiven wie passiven Rolle) die finanzielle Due Diligence.
Wie sich die Umstellung der bisher nach nationalem Recht erstellten Konzernabschlüsse börsenkotierter Gesellschaften auf IFRS auf die Börsenbewertung dieser Gesellschaften auswirkt, kann zurzeit noch nicht abschliessend beurteilt werden. Obwohl bei manchen Gesellschaften die erstmalige Anwendung der IFRS zu erheblichen Abweichungen gegenüber den bisher publizierten wichtigen Schlüsselgrössen wie Konzerngewinn, Eigenkapital oder Verschuldung geführt hat, sind ungewöhnliche Reaktionen der Finanzmarktteilnehmer weitgehend ausgeblieben.
Den IFRS liegt eine vierstufige Ordnung zugrunde:
• das Conceptual Framework (Rahmenkonzept): Mit dem Framework werden Zielsetzungen und qualitative Merkmale der Rechnungslegung festgelegt,
• die Standards zu einzelnen Fragen der Rechnungslegung (IFRS bzw. IAS),
• den Basis for Conclusions und die Guidance on Implementing (BC bzw. IG),
• die Auslegungsbeschlüsse (International Financial Reporting Interpretations Committee und Standing Interpretations Committee, IFRIC bzw. SIC).
Die Beschlüsse des IFRIC haben die gleiche bindende Wirkung wie die einzelnen Standards selbst. Im Jahr 2009 hat das IASB einen neuartigen Standard für Klein- und Mittelunternehmen entwickelt und in Kraft gesetzt (International Financial Reporting Standard for Small and Medium-sized Entities; kurz: IFRS for SME oder IFRS für KMU). Der IFRS für KMU enthält Vereinfachungen, die die Bedürfnisse der Nutzer von KMU-Abschlüssen sowie Kosten-Nutzen-Erwägungen widerspiegeln. Es ist offen, welche Bedeutung dieser Standard für die Rechnungslegungspraxis bei schweizerischen KMU erhalten wird, steht er doch in Konkurrenz zu Swiss GAAP FER.
Als Stärken der IFRS/IAS sind:
• die weltweite Akzeptanz und die Annäherung an die US GAAP,
• die Regelungsdichte bei hoher inhaltlicher Qualität und Kohärenz,
• die damit verbundene, vor allem für Investoren wichtige Vergleichbarkeit von Finanzinformationen von börsenkotierten Gesellschaften.
Die Schwächen des Regelwerkes sind hingegen:
• die schwierige Verständlichkeit für Nicht-Spezialisten, nicht zuletzt aufgrund der angelsächsischen Methodik und Darstellungsweise sowie des
• komplexen Fachenglisch als Originalsprache,
• die vergleichswiese hohen Implementations- und Fortführungskosten
• die unablässig voranschreitenden Änderungen und Differenzierungen (in den vergangenen zehn Jahren ist das Regelwerk von 500 auf 2500 Seiten angewachsen, eine Folge der Angleichung an die ausgesprochen regelbasierten US GAAP),
• die fehlende Eignung für kleinere Unternehmen.
Die wesentlichen Merkmale der IFRS sind:
• True and Fair View/Fair Presentation,
• Ausführliches Rahmenkonzept (Conceptual Framework),
• Orientierung am Schutz der Investoren,
• Pflichtbestandteile mit Bilanz, Erfolgsrechnung, Anhang, Geldflussrechnung und Veränderung des Eigenkapitals,
• Gliederung durch Mindestvorschriften.