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EIN LEBENSLANGER WEG

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Ich sitze nicht mehr in Thailand auf dem Boden, sondern im Schwarzwald am Schreibtisch im Haus meiner Eltern und bin dabei, mit dem Schreiben dieses Buches zu beginnen. Diese Wände kennen mich. Hier habe ich getanzt, geweint, geschrien, vor Wut gegen Wände geschlagen, bis mir meine wunderbaren Freunde einen Boxsack geschenkt haben. Diese Wände können erzählen von durchwachten Nächten, von Schmerz und Traurigkeit. Sie kennen einen Teil meiner Geschichte besser als meine Eltern und meine Freunde, sie erinnern sich besser als ich mich selbst. Dieses Buch ist als Kreislauf geplant und da macht es Sinn, dass ich selbst dort beginne, wo ich vor vielen Jahren familiären Schmerz erlebt habe und von wo aus ich aufgebrochen bin, um mein Leben nach meinen Wünschen zu gestalten.

Seit ich denken kann, hatte ich die Sehnsucht, in einer heilen und liebevollen Familie zu leben. Mit 18 schien mir das kaum vorstellbar.

Ich habe keine Vernachlässigung erlebt, keine Schläge, keinen Missbrauch. Ganz im Gegenteil: Ich bin mit Singen, Kuscheln und Vorlesen groß geworden – drei wunderbaren Dingen, mit denen jedes Kind beschenkt werden sollte. Mir wurde sehr viel Liebe entgegengebracht. Meine Eltern haben sich das Beste für mich gewünscht und sie haben es mir auf vielfältige Weise immer wieder gegeben. Nur bin ich in prägenden Kernsituationen eben auch verlassen worden, mehrmals. Und weil das menschliche Gehirn sich solche Situationen leider so viel besser merkt als die vielen alltäglichen schönen Momente, entwickelten sich auf dieser Grundlage über die Jahre bei mir tief sitzende Glaubenssätze. Ich dachte, alles allein schaffen zu müssen und auf niemanden zählen zu können. Meine Angst vor Trennungen war groß und ich tat alles dafür, sie zu vermeiden. Nach außen war ich ein »Sonnenschein«, mit meiner Traurigkeit war ich meist allein. Nicht weil meine Eltern das so gewollt hätten. Sondern weil es sich im Familiengeflecht so ergab. Ich bildete mir meine eigene Welt um meinen Schmerz herum.

Mein Bruder war der Sohn meines Vaters und wuchs zwischen zwei Familien auf. Der Nähe unserer Beziehung als Kinder tat dies keinen Abbruch. Der Schmerz und die Scham über den Verlust meines Bruders erschütterte meine Familie derart, dass alle Traurigkeit unter den Teppich gekehrt wurde, um irgendwie weiterleben zu können. Als ich in der Pubertät war, gab es dann ein Zuwenig an echter Kommunikation und ein Zuviel an harten Worten. Wie viel Mut muss es meine Eltern gekostet haben, weiterzuleben! Wie viel Liebe haben sie für mich empfunden, um mich dabei zu unterstützen, gut aufzuwachsen und die Frau zu werden, die ich heute bin! Dabei haben sie selbst viel Schmerz in ihrer Kindheit erlebt. Sie haben unbewusst alte Familienmuster weitergetragen – zum Beispiel, dass sie über schlimme Dinge nicht sprechen.

Mit 17 Jahren schien es mir unmöglich, mit meinem Vater jemals ein wahrhaftiges, warmherziges Gespräch zu führen. Wenn mir damals jemand gesagt hätte, eines Tages werdet ihr zusammen in Urlaub fahren, du wirst mit deinen Eltern über deinen Bruder sprechen, ihr werdet euch eure Liebe zueinander sogar mitteilen – ich hätte es nicht geglaubt. Heute sitze ich in diesem Haus und spüre: Meine Sehnsucht nach einer liebevollen Familie und einem ehrlichen, warmen Miteinander hat sich erfüllt. Und das lässt mich jeden Tag dankbar sein.

Wenn ich hier Geschichten aus meinem Leben teile, dann mit Achtsamkeit, Respekt und Liebe meinen Eltern gegenüber. Wir sind, jeder für sich und alle zusammen, einen langen Weg gegangen und ich bin froh, dass heute Liebe, Verbundenheit, Ehrlichkeit und Vertrauen unsere Beziehung prägen.

Ich kann heute sagen, dass ich mit allem, was geschehen ist, dankbar dafür bin, dass diese beiden meine Eltern sind. Wenn ich hier über unsere schwierigsten Momente schreibe, dann, um begreiflich zu machen, dass eine Versöhnung mit der eigenen Geschichte immer möglich ist. Ich danke meinen Eltern für ihr Vertrauen in mich, meine und damit auch einen Teil ihrer Geschichte teilen zu dürfen. Sie haben es wunderbar gemacht. Ich bin glücklich, dass dies meine Familie ist.

Wir könnten niemals dort stehen, wo wir stehen, wenn unsere Eltern nicht den ganzen langen Weg vor uns gegangen wären. Mag sein, dass sie es gelegentlich nicht optimal gemacht haben. In manchen Fällen haben Eltern nicht viel für uns getan. Doch selbst dann gilt: Sie haben uns das Leben geschenkt. Auch dafür können wir ihnen danken. Elternsein ist der schwerste und undankbarste Job der Welt. Ja, vielleicht gab es Situationen, die uns auf eine nicht förderliche Weise tief geprägt haben. Wir können den Eltern dafür die Schuld geben. Oder wir übernehmen selbst die Verantwortung und erkennen die Glaubenssätze, die sich in uns in frühester Kindheit und Jugend entwickelt haben, und machen uns daran, sie zu lösen und einen neuen Umgang mit uns selbst und unseren Eltern, Großeltern und Ahnen zu schaffen.

Jedes Kind darf glücklich sein

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