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SICH MEHRGENERATIONALER VERWUNDUNGEN BEWUSST WERDEN

Ein Hinweis, dass sich eine alte Verletzung bemerkbar macht, kann folgende Situation sein: Wir sind schon im Stress und reagieren zur eigenen Überraschung in einer Weise, wie wir es überhaupt nicht von uns kennen – sondern von unseren Eltern, mit einem Satz oder einer Geste, die wir überhaupt nicht von ihnen übernehmen wollten. Und die Heftigkeit der Reaktion ist dem Anlass überhaupt nicht angemessen. Für die meisten Klienten sind es solche Erlebnisse, die sie zum ersten Mal stutzig werden lassen und die sie dazu bewegen, ihr Verhalten im Umgang mit den eigenen Kindern zu hinterfragen.

MARIA: WIE UNTER STRESS URALTE MUSTER HOCHKOMMEN

»Mein Partner bat mich darum, den Autoschlüssel auf die Ablage zu legen. Er wollte am nächsten Morgen die Kinder in die Schule fahren. Eine einfache Bitte. Aber er sagte es ziemlich genervt und ich fühlte mich sofort angegriffen. Ich hatte einen langen Arbeitstag hinter mir, versuchte gerade endlich mal für fünf Minuten Ruhe zu bekommen und einen Tee zu trinken. Ich hatte das Gefühl, ich dürfte mir überhaupt keine Zeit für mich selbst nehmen und müsste alles immer sofort machen. Da ist es aus mir herausgeplatzt. Superhart sagte ich: ›Du hast mir gar nichts zu befehlen. Hör auf, mich zu kontrollieren.‹ Mein Partner war richtig verdutzt. Schließlich hatte er mir nichts befohlen. Als er das zur Sprache brachte, ist unser Streit so richtig eskaliert. Ich bin schließlich ins Schlafzimmer gestürzt und habe die Tür hinter mir zugeknallt, schrecklich. Da saß ich nun und dachte: ›Ich wollte doch einfach nur fünf Minuten Ruhe. Was war denn jetzt los?‹ und da merkte ich plötzlich – ich hatte genauso reagiert, wie mein Vater früher auf meine Mutter oder mich reagiert hat. Sogar der Tonfall war der gleiche. Ein Ton, der einem keine Chance lässt, wie ein Messer, das in einen reinfährt.«

Was sie hier erlebt hatte, war eine Wunde, die sie mitgeschleppt hatte und die in einer Stresssituation ihren Ausdruck fand. Die Umgangsweise ihres Vaters hatte sie als Kind oft verletzt und sie hatte sich das Versprechen gegeben, nie in dieser Art mit anderen zu kommunizieren. Aber als sie sich angegriffen fühlte und selbst keine andere Möglichkeit des Schutzes für sich realisieren konnte, griff sie unbewusst auf ein uraltes erlerntes Muster zurück.

»Bin das wirklich ich?«

Vielleicht kennen wir ähnliche Situationen. Manche Menschen formulieren das auch ganz klar: »Ich will niemals so werden wie meine Mutter« oder »Oje, ich werde schon wie mein Vater«. Manchmal ist es uns auch nicht ganz so bewusst. Trotzdem bereiten uns Situationen, die diese Gefühle gar nicht verursachen müssten, große Angst, Panik oder Wut. Und eine kleine innere Stimme flüstert: »Moment mal. Was mir hier gerade passiert, die Art, wie ich gerade reagiere – das sind gar nicht meine Gefühle. Das ist gar nicht meins.«

Ein Teil von uns wehrt sich nun mal dagegen, dass die Eltern falsch liegen könnten – falsch im Sinne unserer eigenen Maßgaben.

In einigen Fällen lassen sich derartige »Fremdgefühle« leicht zuordnen. Dann erleben wir zum Beispiel, dass wir die Angst der Mutter in uns tragen. Wir hätten in einer bestimmten Situation vielleicht gar nicht so viel Angst. Aber wir haben familiär so oft eine angstgeprägte Reaktion in vergleichbaren Situationen erlebt, dass uns Angst als angemessene Reaktion erscheint. Nicht ängstlich zu reagieren könnte bedeuten, dass unsere Mutter immer »falsch« reagiert hat.

Die Spuren von traumatischen Erlebnissen

Auch über Generationen können Wunden weitervererbt werden. Diese sind allerdings wesentlich schwieriger zurückzuverfolgen. Besonders traumatische Erlebnisse, verbunden mit einem hohen Hormonüberschuss, etwa an Adrenalin oder Cortisol, können sogar die Verpackung unserer DNA verändern (siehe > f.). Bestimmte Gene werden dadurch quasi abgeschaltet, andere wiederum angeschaltet. Diese Veränderungen können über Generationen weitergegeben werden.

Es ist mittlerweile wissenschaftlich nachgewiesen, dass besonders traumatische Erfahrungen wie Kriege ihre Spuren in der DNA hinterlassen und ihre Nachkömmlinge damit schon vor deren Geburt codieren. So können sich Angst und damit verbundene Stressreaktionen auch über mehrere Generationen hinweg in unserem Erbgut einprägen und unser Verhalten mitbestimmen.

Jedes Kind darf glücklich sein

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