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3. Wissenschaftsaustausch und Propaganda: Indische Studenten und Dozenten in Italien und Deutschland 3.1 „Konstruktive Kooperation zwischen dem Osten und dem Westen“: Das IsMEO und die italienischen Bemühungen um kulturelle und Bildungspropaganda in Indien

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Zu Beginn der 1930er Jahre gab es verschiedene konkrete Initiativen, zwischen Italien und Indien Austauschbeziehungen im kulturellen und im Bildungsbereich aufzubauen. Zuvor hatte es schon verschiedene erste Bemühungen gegeben. So waren durchaus vereinzelt indische Wissenschaftler, Professoren, Politiker und Studenten in das faschistische Land gereist und italienische Forscher hatten Indien besucht.1 Ein gezielter, von der Regierung oder einer wissenschaftlichen Institution geförderter Austausch existierte aber noch nicht.2 Dies sollte sich erst 1933 durch die Gründung des IsMEO (Italienisches Institut für den Mittleren und Fernen Osten) durch die faschistische Regierung ändern. Die Initiative zur Etablierung dieses Institutes ging von dem italienischen Tibet- und Buddhismusforscher Professor Giuseppe Tucci, der zum stellvertretenden Direktor des IsMEO ernannt wurde, und von dem früheren italienischen Generalkonsul in Kalkutta, Gino Scarpa, aus. Erste Planungen reichten ins Jahr 1930 zurück.3 Der Gründung des IsMEO vorausgegangen waren ebenfalls Diskussionen über die Schaffung eines Italo-Indischen Institutes, das die wirtschaftlichen Beziehungen beider Länder stärken sollte. Diese Idee war erstmals 1929 von Benoy Kumar Sarkar und Corrado Gini, Professor für Statistik an der Universität Rom und erster Präsident des Istituto Centrale di Statistica del Regno d’Italia (Zentralinstitut für Statistik des Königreiches Italien), erörtert worden. In den nächsten Jahren beschäftigten sich verschiedene italienische Ministerien mit dem Vorhaben. Es wurde aber auf Betreiben Tuccis und des Außenministeriums zugunsten des IsMEO aufgegeben.4 Neben Benoy Kumar Sarkar gab es mit Kalidas Nag5 einen weiteren indischen Gelehrten, der sich schon vor der Gründung des IsMEO für den Aufbau enger Beziehungen im Wirtschafts-, Kultur- und Bildungsbereich zwischen Italien und Indien einsetzte.6 Nach verschiedenen Besuchen in Italien gründete Nag 1931 das India Bureau mit der Zielsetzung, die indische Bildungsarbeit mit dem faschistischen Staat und in anderen europäischen Ländern zu koordinieren. In der zu diesem Zweck ebenfalls gegründeten Zeitschrift India and the World schrieb und veröffentlichte Nag Artikel, die über die Geschichte Italiens, aber auch über seine Gegenwart als faschistisches Land berichteten. Durch Nags Initiative etablierten sich verschiedene Austauschbeziehungen zwischen italienischen und indischen Bildungseinrichtungen, an denen unter anderem die Universität Rom, die Universität Perugia, das Istituto Interuniversitario Italiano und von indischer Seite die Universität von Kalkutta beteiligt waren.7 Auch war er in die Auswahl indischer Studierender involviert, die mit finanzieller Unterstützung des italienischen Staates nach Italien kamen. So sandte Nag unter anderem für Pramatha Nath Roy und Monindra Mohan Moulik Empfehlungsschreiben an die italienische Regierung. Dabei lag ihm, Prayer zufolge, viel daran, dass solche jungen Menschen ausgewählt wurden, die begierig auf eine technisch-industrielle oder wirtschaftliche Ausbildung in Italien waren, um so einen Beitrag zur Reorganisation der indischen Wirtschaft im nationalistischen Sinne leisten zu können.8

Eine dritte Initiative zur Förderung der indisch-italienischen Beziehungen wurde von dem indischen Nationalisten und internationalen Gelehrten Taraknath Das9 in Angriff genommen. Das, der während eines langen Aufenthaltes in Europa von 1924 bis 1934 immer wieder für längere Zeit in Italien lebte, trat 1931 mit Professor Tucci in Kontakt. In einem Brief im März 1931 schlug er ein Programm vor, durch das italienische Wissenschaftler nach Indien reisen sollten, um dort Vorlesungen über Italien seit dem Ersten Weltkrieg an verschiedenen indischen Universitäten zu halten.10 Das zufolge brächte die Umsetzung des Programms großen Nutzen für Indien:

[…] because a large number of Indian scholars and students will have the opportunity to learn something about the great experiment in government and all walks of life, now being carried on in Italy. […] My point is that Italian Universities and Italian savants are doing so much in the field of the study of Indian culture; it is necessary for India’s own goodbreaking up of cultural isolationIndian universities and scholars should study about Italy and Italian contributions to world culture.11

Das schlug somit einen Wissenstransfer zwischen beiden Staaten vor. Das Studium des Faschismus bzw. der faschistischen Regierungsform in Italien stellte demnach für ihn ein wichtiges Mittel zur Überwindung der kulturellen Isolation Indiens und damit im weiteren Sinn einen Beitrag zur Erlangung der indischen Unabhängigkeit dar. Es scheint, dass das vorgeschlagene Programm in dieser oder einer ähnlichen Form durch Italien nicht umgesetzt wurde.

Die Initiative, die dann real für engere indisch-italienische Austauschbeziehungen sorgte, war das IsMEO, das sich als eine vorrangig kulturelle Einrichtung, interessiert an wirtschaftlichen Fragen, präsentierte. So formulierte die Satzung des Instituts dessen Zielsetzung wie folgt:

L’Istituto italiano per il Medio ed Estremo Oriente con sede in Roma ha lo scopo di promuovere e sviluppare i rapporti culturali ed economici fra I’Italia ed i paesi dell’Asia Centrale, Meridionale ed Orientale. 12

Als konkrete Aufgabenstellungen wurden in der Satzung die Etablierung direkter Beziehungen mit gleichartigen Institutionen, die Pflege persönlicher Kontakte mit bedeutenden Menschen aus dem Bereich Wirtschaft und Kultur in den genannten Regionen, das Treffen von Vereinbarungen mit interessanten nationalen Institutionen, die Förderung von Stipendien und die Errichtung von Unterkünften für ‚orientalische‘ Studenten sowie die Unterstützung eines Dozenten- und Studentenaustausches genannt. Darüber hinaus gehörte zu den Aufgaben des IsMEO das Anlegen einer systematischen Sammlung von Publikationen und Informationen über/aus Asien sowie die Veröffentlichung von Publikationen und die Organisation von Konferenzen, die der Beziehungspflege zwischen Italien und den asiatischen Ländern dienen sollten.13 Die starke Betonung der kulturellen Ausrichtung in der Satzung des IsMEO darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es ebenfalls politischen Zwecken diente und für das italienische Außenministerium von großem Interesse war. Prayer stellt in diesem Zusammenhang fest, dass die Expansionsbestrebungen des faschistischen Regimes auf Afrika und Asien zielten und Mussolinis Regierung eine Politik verfolgte, die im Falle eines Zusammenbruches des Britischen Imperiums auf die Übernahme von dessen Besitzungen abzielte. Aus diesem Grund, so schlussfolgert er, konzentrierte sich Rom auf die zukünftigen Führer Indiens, auf indische Studenten, die man von den guten Absichten Italiens überzeugen wollte.14

Das IsMEO zeigte trotz seines allgemein gehaltenen Namens von Anfang an ein besonderes Interesse für Indien.15 Die Aktivitäten des Institutes beinhalteten unter anderem die Bereitstellung von Stipendien für indische Studenten, die ihre Ausbildung an italienischen Universitäten fortführen wollten, und die Publikation von Artikeln und Büchern indischer Autoren.16 Darüber hinaus lud es indische Gelehrte zu Konferenzen oder für Vorträge nach Italien ein. So gab es beispielsweise 1934 eine Vorlesungsreihe in Rom zum Thema indische Kultur und Philosophie, gehalten von Professor Mahendranath Sarkar vom Presidency College in Kalkutta, über die auch in der indischen Presse berichtet wurde.17 Auch der Direktor des Sanskrit Colleges in Kalkutta, Surendranath Dasgupta, reiste auf Einladung des IsMEO nach Italien, wo er einen Monat blieb. In Rom hielt er verschiedene Vorlesungen, welche indische Auffassungen zu Philosophie, Religion, Kultur und historischem Wissen erläuterten.18 1938 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität Rom und traf im April 1939 mit dem italienischen Außenminister Galeazzo Ciano und eventuell mit Mussolini selbst zusammen.19

Informationen über die Arbeit und die Zielsetzungen des IsMEO gelangten vor allem über persönliche Korrespondenz nach Indien. Vereinzelt bewarben aber auch Beiträge in indischen Medien das Institut. So trug beispielsweise Taraknath Das zur Bekanntmachung der geplanten italienisch-indischen Kooperationsaktivitäten bei, indem er einen Beitrag in der Calcutta Review veröffentlichte. Darin stellte er die Wichtigkeit für ‚orientalische‘ Studenten in Italien zu studieren heraus. Auf diesem Weg seien sie in der Lage „[…] to further the interest of their native lands […] by applying the knowledge acquired in Italy which will serve as the second cultural home.“20 Die Studenten würden, Das zufolge, die effektivsten Instrumente zur Förderung der Kooperation zwischen ihren Heimatländern und dem faschistischen Land werden und den Einfluss Italiens im Orient ausdehnen.21

Tatsächlich wurden Studenten zu wichtigen Akteuren des Ideenaustausches, wenn man das Beispiel von Monindra Mohan Moulik und Pramatha Nath Roy näher untersucht, die finanziert durch die faschistische Regierung ihre Studien in Italien fortsetzen konnten.22 Das IsMEO vergab entsprechend seiner Satzung ab 1933 Stipendien an indische Studenten. Für das Studienjahr 1933/34 wurde nur ein Stipendium, für 1934/35 drei verliehen, während für 1939 zwei angedacht waren.23 Der erste Stipendiat, Pramatha Nath Roy,24 war Dozent für Italienisch an der Universität von Kalkutta.25 Er hatte schon in Indien mit Giuseppe Tucci zusammengearbeitet und 1930 ein Buch über das faschistische Italien mit dem Titel „Mussolini and the cult of Italian youth“ veröffentlicht.26 In Italien wirkte er bei der Organisation des Ersten Kongresses der orientalischen Studenten mit und schrieb mehrere Beiträge für die von der Confederation of Oriental Students27 herausgebende Zeitschrift Young Asia.28 Weitaus wichtiger als diese Veröffentlichungen müssen aber für das IsMEO Roys Beiträge aus jener Zeit und nach seiner Rückkehr nach Indien in der Modern Review gewesen sein. In diesen beschrieb er das faschistische Italien in lobenden Worten und als Vorbild für Indiens Entwicklung.29 Nach seiner Rückkehr nach Indien bekam er eine Professur für Italienisch an der Universität in Benares und galt dem IsMEO nach wie vor als Ansprechpartner, so zum Beispiel für italienische Besucher.30 Noch deutlicher als im Falle Roys treffen die Aussagen von Taraknath Das auf Monindra Mohan Moulik31 zu, der vom IsMEO selbst als „kostbares Propagandawerkzeug“ begriffen wurde.32 Moulik, ein Student der Wirtschaftswissenschaften und Schüler von Benoy Kumar Sarkar, lebte von 1935 bis 1938 in Europa und verfasste in dieser Zeit an der Universität in Rom seine Dissertation zum Thema La Politica Finanziaria Britannica.33 Auch veröffentlichte er mehrere Aufsätze zu Indien in den italienischen Zeitschriften Asiatica und Civiltà fascista sowie ein Buch über Nationalismus in Indien, herausgegeben vom IsMEO.34 Für seine Studien erhielt er ein Stipendium;35 gleichzeitig finanzierte er seinen Aufenthalt, indem er als Korrespondent für verschiedene indische Zeitungen, so zum Beispiel für die Amrita Bazar Patrika, tätig war.36 Die anfänglichen Hoffnungen von italienischer Seite, die mit der finanziellen Unterstützung Mouliks verbunden waren, bewegten sich auf zwei Ebenen: einerseits hinsichtlich seiner künftigen Tätigkeit als Propagandist für das faschistische System, andererseits als Kollaborateur bei der wirtschaftlichen Expansion des mediterranen Staates auf dem Subkontinent.37 Inwieweit Moulik letzterer Erwartung gerecht wurde, kann nicht abschließend beurteilt werden. Fest steht aber, dass seine Beiträge in der Amrita Bazar Patrika sowie in der Modern Review pro-italienisch waren und das faschistische System unkritisch und als überaus erfolgreich darstellten.38 Damit erwies sich die Einschätzung des IsMEO, dass Moulik die erste direkte und sympathisierende Stimme für Italien in der indischen Presse sei, als durchaus richtig.39

Eine weitere Umsetzung der in dem Statut des IsMEO angedachten Aufgaben stellte die Organisation mehrerer Kongresse für ‚orientalische‘ Studenten in Italien dar. Im Dezember 1933 fand die erste dieser Zusammenkünfte in Rom statt. An dem Kongress nahmen über 500 Studenten aus verschiedenen asiatischen und afrikanischen Ländern teil, die in Europa studierten; unter ihnen auch 113 Inder und Inderinnen.40 Die indischen Studenten erhielten prominente Unterstützung, da der bekannte Politiker Subhas Chandra Bose ebenfalls am Kongress sowie am gleichzeitig stattfindenden dritten Treffen der Indian Students’ Convention in Rom teilnahm.41

Die faschistische Regierung zeigte sich bei der Ausrichtung des Kongresses äußert großzügig. So waren Zugreisen innerhalb Italiens für die teilnehmenden Studenten kostenlos, ebenso gab es für eine Woche in Rom freie Verpflegung und Unterkunft.42 Benito Mussolini eröffnete den Kongress mit einer in den indischen Zeitungen wiedergegebenen Rede, in welcher er den Topos von der Gegensätzlichkeit und Unvereinbarkeit des ‚Westens‘ und des ‚Ostens‘ zurückwies und die lange mediterrane Tradition der Einheit zwischen beiden Regionen betonte.43 Durch das Aufkommen des Kapitalismus und einer neuen materialistischen Zivilisation habe sich die historische Verbundenheit des ‚Westens‘ und des ‚Ostens‘ verändert und die Ausbeutung des Letzteren sei zum bestimmenden Faktor geworden. Als Reaktion auf diese Entwicklungen, vor allem vor dem Hintergrund der heutigen Krisenzeit müsse das faschistische Italien, Mussolini zufolge, die historische Rolle des Einigenden wieder übernehmen. Er drückte abschließend die Hoffnung aus, die Tradition der konstruktiven Zusammenarbeit beider Regionen mit Hilfe der anwesenden Studenten wieder aufzunehmen.44 Mussolinis Rede muss im Kontext seiner machtpolitischen Bestrebungen als Propagandawerkzeug gesehen werden. Der ‚Duce‘, der an eine weltweite Ausbreitung faschistischer Regimes seit Beginn der 1930er Jahre glaubte, suchte nach einer Begründung der globalen Bedeutung Italiens vor dem Hintergrund des gering vorhandenen Kolonialbesitzes seines Landes und verwies aus diesem Grund auf den weltweiten Erfolg der faschistischen Ideologie.45 Im Sommer 1933 gab Mussolini die Anordnung, Kontakte mit ‚subversiven‘ Bewegungen in der ganzen Welt aufzubauen und im Herbst diskutierte das italienische Außenministerium die neue Asienpolitik des Regimes, die auf eine erhöhte (kulturelle) Einflussnahme Italiens im ‚Orient‘ abzielte und in der Gründung des IsMEO sowie in seinem Ausführungen vor den Studierenden während des Ersten Kongresses mündete.46

Diese Aussagen Mussolinis, aber auch die bevorzugte Behandlung vor Ort – so standen beispielsweise Treffen mit dem Papst, dem Gouverneur von Rom und dem Rektor der römischen Universität auf dem Programm –47 scheint die Teilnehmer beeindruckt und ihnen ein positives Bild vom faschistischen Regime in Italien vermittelt zu haben. Die italienische Regierung bemühte sich, die Studenten vom Erfolg des faschistischen Experiments zu überzeugen und ihre ‚Sympathien‘ für die nationalen Bestrebungen der kolonial unterdrückten Länder Asiens und Afrikas zu zeigen. So trafen die ausländischen Studierenden mit Vertretern der faschistischen Universitätsgruppen zusammen, sie hörten Vorträge von akademischen und politischen Autoritäten zum Korporatismus sowie zur Bildung in Italien und sahen einen Film mit dem Titel „Schwarzhemden“.48 Auch Subhas Chandra Bose nutzte die Zeit während und nach dem Kongress, um Kontakte mit italienischen Behörden und Personen zu schließen, und schätzte die Haltung des Regimes als sehr günstig hinsichtlich des indischen Anliegens ein, die Unabhängigkeit zu gewinnen.49 Die Studenten reagierten positiv auf die italienische Initiative und beschlossen auf dem Ersten Kongress die Einrichtung eines permanenten Büros in Rom sowie den Aufbau einer Oriental Students’ Confederation, in der verschiedene indische Studenten, wie bspw. Amiyanath Sarkar, aktiv mitarbeiteten.50 Zielsetzung der Verbindung war es, die Zentraleinrichtung aller asiatischen Studentenorganisationen in Europa zu werden, um auf diesem Weg die kulturellen Kontakte weiter fördern zu können.51 Vor diesem Hintergrund organisierte der Bund im Frühjahr 1934 ein weiteres Treffen, an dem neben Taraknath Das auch Prof. P. A. Wadia von der Universität Bombay teilnahm. Das begrüßte die Initiative vor dem Hintergrund seiner eigenen Bemühungen um Bildungskooperationen zwischen Indien und anderen Ländern und glaubte fest an ihren Erfolg, da:

[…] you are fortunate to have the blessings and personal support of Il Duce, a great statesman, who is conscious of the fact that the Twentieth Century is the century of the Orient and the oriental students, the future leaders of more than half of the population of the world, will play the most important part in the history of the world. 52

Zufrieden mit der Unterstützung des faschistischen Regimes, dessen ‚Philanthropismus‘ für Das zweifelsfrei feststand, forderte er von den ‚orientalischen‘ Studenten Solidarität untereinander und nicht mit den Herrschern ihrer Länder. Zuerst müssten sie die Bedingungen in ihren jeweiligen Ländern in Ordnung bringen, auch unter Übernahme (Adaptation) bestimmter, besonders effizienter ‚westlicher‘ Errungenschaften. Mit aktiver Unterstützung ‚westlicher‘ Befürworter, die an einer Zusammenarbeit des ‚Okzidents‘ und des ‚Orients‘ interessiert seien, verspräche diese Vorgehensweise eine wirksame Unterstützung der Arbeit für weltweiten Frieden und Freiheit. Das hoffte dabei insbesondere auf die Hilfe des faschistischen Italien, dessen erklärte Bereitschaft zur Kooperation er für aufrichtig hielt.53

Das’ Hoffnungen auf den Erfolg der Initiative, auf die Solidarität unter den Studenten sowie auf eine bedingungslose Unterstützung der Unabhängigkeitsbestrebungen der kolonial abhängigen Länder vonseiten der faschistischen Regierung erwiesen sich als vergebens. Während ein Beistand der Unabhängigkeitsbewegungen keineswegs in die realpolitischen Ambitionen Mussolinis passten, trotz aller gegenteiligen Behauptungen vor den Studenten, löste sich der studentische Zusammenhalt schnell aus verschiedenen Gründen auf. Schon zum Zweiten Kongress, welcher über den Jahreswechsel 1934/35 in Rom stattfand, kamen mit 130 Studenten wesentlich weniger Teilnehmer. Dies scheint unter anderem an Unstimmigkeiten zwischen den gewählten studentischen Repräsentanten sowie an deutschen Konkurrenzaktivitäten gelegen zu haben.54 Der dritte Kongress, der im August 1935 in Ortisei in der Nähe von Bolzano stattfand, stand schon unter den Vorzeichen des herannahenden Abessinienkrieges. Durch diesen Krieg zog das faschistische Regime, britischen Geheimdienstberichten zufolge, viel Kritik von ‚orientalischen‘ Studenten, insbesondere von indischer Seite, auf sich.55 Für sie mussten nun Mussolinis frühere Aussagen zur konstruktiven Zusammenarbeit des ‚Westens‘ und des ‚Ostens‘ sowie zur anvisierten Einheit beider Regionen vor dem Hintergrund der imperialistischen Eroberung wie Hohn klingen. Die Auswirkungen des Krieges zeigten sich endgültig 1936 auf einem vierten Kongress, auf dem nur noch zwei indische Vertreter anwesend waren, von denen einer Monindra Mohan Moulik war.56 Obwohl das IsMEO seine Arbeit auch nach 1936 fortsetzte und nun zum Beispiel Sprachkurse in Japanisch, Chinesisch und Bengali sowie Geografie- und Wirtschaftskurse zum ‚Nahen und Fernen Osten‘ zur Ausbildung von Übersetzern und Wirtschaftspropagandisten anbot, scheint es keine Studentenkongresse nach dieser Zeit mehr gegeben zu haben.57

Dahingegen intensivierte das Institut seine Aktivitäten auf dem indischen Subkontinent. Mit Hilfe des italienischen Generalkonsulats in Bombay richtete es eine Lehrposition für Italienisch ein, die nach eigenen Aussagen ein „prezioso elemento di penetrazione in India“ (ein kostbares Mittel der Durchdringung Indiens) darstellte.58 Der Bericht des IsMEO machte keine Aussagen, wer diese Position innehatte oder wo sie exakt angesiedelt war. Es scheint aber wahrscheinlich, dass hier von Mario Carelli die Rede war, der mit einem Stipendium des IsMEO 1938 in Bombay am St. Xavier College Italienisch unterrichtete.59 Carelli erstattete dem Präsidenten des IsMEO, Giovanni Gentile, mehrere Male Bericht über seine Bemühungen, Sympathien für das faschistische Italien in Indien zu generieren und geeignete Unterstützer und Helfer ausfindig zu machen. So schrieb er im Oktober 1938, dass der Unterricht gut verlaufe und er schon passende Kandidaten für künftige Stipendien gefunden habe. Außerdem habe er einen Vortrag über Bildung in Italien gehalten und bereite eine Konferenz über Kunst vor. Auch die Büchersendung des IsMEO und anderer Einrichtungen sei in Bombay sehr positiv aufgenommen worden.60 Ein späteres Schreiben enthielt Informationen zu persönlichen Kontakten, die er aufgenommen hatte, zur Möglichkeit Publikationen auszutauschen sowie zu Studienbedingungen für Italiener in Indien.61 Das Beispiel Carellis, aber auch die Studentenkongresse, die Stipendien und sonstige Aktivitäten des IsMEO machen deutlich, dass es dem faschistischen Regime bei der Einrichtung des IsMEO nur oberflächlich um einen Kultur- und Bildungsaustausch ging. Das Institut stellte letztendlich ein wertvolles Propagandawerkzeug dar, das die Errungenschaften des Faschismus in Indien bekannt machen und Sympathien für Italien schaffen sollte.

Passend zur italienischen Politik, die Beziehungen des Staates und des ‚Orients‘ verbessern zu wollen, präsentierte das Regime ausländischen Gästen seine bisherigen Errungenschaften. Auf der Europa-Tour einer Gruppe indischer Studentinnen, die auch durch Italien führte, wurden sie nicht nur von Mussolini persönlich empfangen, sondern besichtigten unter anderem Sabaudia, eine der neu errichteten faschistischen Idealstädte, Ausstellungen zur faschistischen ‚Revolution‘ sowie kürzlich geschaffene ländliche Schulen.62 Die propagandistische Präsentation verfehlte dabei kaum ihre Wirkung und so fand sich ein lobender Bericht im Bombay Chronicle, der die Erfahrungen der jungen Frauen folgendermaßen zusammenfasste:

[…] one could not help seeing the convincing evidences of the work accomplished by Fascism. Italy is beautiful, Italy is young and the Youth Movement is strong. Littoria and Sabaudia are proofs enough to show how one mind has sufficed to rouse a thousand bands of activity. 63

Neben Werbeaktivitäten in Italien führte die faschistische Regierung direkte Propaganda auf dem Subkontinent durch. Involviert in Propagandaaktivitäten war dabei immer wieder das italienische Generalkonsulat in Kalkutta. Dieses bemühte sich, britischen und italienischen Berichten zufolge, einerseits um eine positive Darstellung des faschistischen Staates und seiner Aktivitäten in verschiedenen indischen Zeitungen.64 Andererseits unternahm es Versuche, neue persönliche Kontakte mit indischen Politikern und Wissenschaftlern zu schaffen sowie bestehende zu vertiefen und zu benutzen.65

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