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1. Einleitung

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„In India there are no fascists“, sagte Jawaharlal Nehru in einem Interview mit dem Korrespondenten der Rudé Právo, der Tageszeitung der kommunistischen Partei der Tschechoslowakei im Juli 1938. Nehru,1 führender Politiker des Indian National Congress (INC, Indischer Nationalkongress) und erster Premierminister des unabhängigen Indien führte aus:

Among the hundreds of millions of Indians there is hardly a person who would sympathise with the parties of the totalitarian powers. We are very well aware of what Berlin, Rome and Tokyo want but we shall never allow the forces of our national anti-imperialist movement to be harnessed to their carriage. We shall never join such powersnot even if they would be ready to support us – because their aims are directed against democracy; they want to drown the world in blood.2

Der in dieser Passage zutage tretende Antifaschismus bestimmte Nehrus außenpolitische, aber auch seine innenpolitische Ausrichtung. Seine Auseinandersetzung mit dem faschistischen Italien und dem nationalsozialistischen Deutschland machten ihn zu einem entschiedenen Kritiker beider Regime, der beharrlich die eigenen Landsleute vor den Gefahren, die von Rom und Berlin ausgingen, warnte. Die in dem Interview aufgestellte Behauptung, dass es in Indien kaum Sympathien für Faschismus und Nationalsozialismus gebe, entsprach allerdings, und dessen war sich Nehru durchaus bewusst, keineswegs der Realität, wie die folgenden Kapitel zeigen werden. Vor dem Hintergrund der sich kontinuierlich zuspitzenden Sudetenkrise empfand es Nehru wichtig, mit seiner Darstellung Indiens als antifaschistisches Land den faschistischen Mächten eine klare Absage zu erteilen. Gleichzeitig propagierte er durch die aufgestellte Behauptung seine Vision eines außenpolitisch selbstbestimmten, dem Ideal der Demokratie verpflichtenden Indiens.

Indien befand sich in den mehr als eineinhalb Jahrzehnten zwischen der ‚Machtergreifung‘3 der Faschisten in Italien 1922 und dem Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 im Unabhängigkeitskampf gegen die britische Kolonialmacht. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, in dem Indien unter Aufbringung großer menschlicher und finanzieller Opfer auf der Seite Großbritanniens gekämpft hatte, befriedigten die begrenzten Zugeständnisse der konstitutionellen Reformen von 1919, die teilweise als Entschädigung für die hohen Kosten des Krieges gedacht waren, die indische politische Öffentlichkeit kaum. Ihrer Unzufriedenheit verlieh sie in den nächsten Jahren verstärkt Ausdruck; immer mehr Menschen unterschiedlicher Schichten und Religionen schlossen sich der antikolonialen Bewegung an. Diese entwickelte sich in den Folgejahren zu einer Massenbewegung angeführt von Mahatma Gandhi4 und dem INC, unter dessen organisatorischen Schirmherrschaft unterschiedliche politische Organisationen und Gruppierungen für die indische Unabhängigkeit kämpften. Die nationalistische Bewegung veränderte mit ihren Kampagnen und Maßnahmen in der Zwischenkriegszeit nicht nur die Geschicke des Landes, sondern auch die Politik der britischen Kolonialherren auf dem Subkontinent.

Obgleich die Mitglieder der Unabhängigkeitsbewegung sich vorrangig mit innenpolitischen Problemen und dem Kampf für die Beendigung der Kolonialherrschaft auseinandersetzten, nahmen indische Nationalisten, Angehörige der Intelligenzija und die indische, englischsprachige Presse regen Anteil an globalen Ereignissen. Dies wird unter anderem ersichtlich, wenn man die indische Auseinandersetzung mit dem Faschismus Italiens und in den 1930er Jahren mit dem Nationalsozialismus in den Blick nimmt. Die Entstehung beider Regime, ihre wirtschaftlichen, sozialen und kulturpolitischen Maßnahmen, ihre außenpolitischen Manöver und die durch sie hervorgerufenen Krisen sowie die Reaktionen der anderen Staaten, insbesondere Großbritanniens und die Haltung des Völkerbundes wurden in indischen Debatten umfassend diskutiert. Dabei gab es neben Stimmen, die dem Faschismus und Nationalsozialismus kritisch gegenüberstanden, ebenfalls Personen, die mit beiden sympathisierten oder sie sogar in mancher Hinsicht als Vorbilder für Indien begriffen.

Die in der Arbeit gewählte Periodisierung von 1922 bis 1939 berücksichtigt eine Ausprägung des Internationalismus, die durch die Zwischenkriegszeit geprägt wurde und sich über imperiale Grenzen hinweg an Deutschland und Italien orientierte.5 Während des Ersten Weltkrieges hatte es zwar Kooperationen zwischen indischen Revolutionären und dem Deutschen Kaiserreich gegeben und entsprechende Netzwerke und Infrastrukturen existierten in der Zwischenkriegszeit weiterhin,6 trotzdem ist das Jahr 1922 mit dem Regierungsantritt Mussolinis in Italien eine wichtige Zäsur als Anfangspunkt in der indischen Auseinandersetzung mit Faschismus. Darüber hinaus waren die Jahre zwischen den beiden Weltkriegen durch einen relativ offenen intellektuellen Austausch auf internationaler Ebene gekennzeichnet. Staatliche Zensur und andere Maßnahmen zur Kontrolle der öffentlichen Meinung, obgleich in kolonial abhängigen Ländern wie Indien vorhanden, spielten eine wesentlich geringere Rolle als während der beiden Weltkriege, was zu einer weniger befangenen Atmosphäre beitrug.7 Das Jahr 1939, das als Endpunkt dieser Periode angesehen werden kann, markiert aber gleichzeitig den Beginn für eine andere Ausprägung von Internationalismus, die während und nach dem Zweiten Weltkrieg wirksam wurde und von verstärkten Forderungen nach Dekolonisation vonseiten asiatischer und afrikanischer Länder und von dem beginnenden Kalten Krieg geprägt war.

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