Читать книгу Morgen komm ich später rein - Für mehr Freiheit in der Festanstellung - Markus Albers - Страница 29
Das Wohlfühlbüro als Lebensersatz
ОглавлениеZu durchsichtig ist die Motivation der Arbeitgeber: Gebe deinen Angestellten eine angenehme Umgebung sowie gutes Essen, Getränke und harmlose Möglichkeiten kurzzeitiger Ablenkung - und sie werden das Büro überhaupt nicht mehr verlassen wollen. Die Mittags-, mindestens aber die nachmittägliche Kaffeepause kann entfallen. Die permanente Versorgung mit Koffein sorgt für einen durchgehend hohen Leistungspegel. Vitamine, Massage und eine Grundbegeisterung für körperliche Fitness senken Krankmeldungen auf das unvermeidliche Minimum. Kurz: Der kluge Chef macht das Büro zum zweiten, zum besseren Zuhause. Wenn mir meine Kollegen sowieso den Freundeskreis ersetzen, weil ich andere Menschen kaum noch zu Gesicht bekomme, dann kann ich mangels Alternativen spät am Tag auch noch länger mit ihnen zusammen sitzen, über - na was wohl? - die Arbeit sprechen, oder eben schlicht: bis in die Nacht arbeiten. Das Wohlfühlbüro wird so zum Lebensersatz.
In dieser verbreiteten Wellness-Konstruktion finden effizienzsteigernde Arbeitgeberperfidie und durchaus gut gemeinte rheinisch-kapitalistische Unternehmerverantwortung aufs Schönste zusammen. Das hat für den Mitarbeiter auch Vorteile: Schafft der Betrieb eine gute Espressomaschine an, spart der moderne Angestellte den regelmäßigen Weg zum Coffeeshop. Und das Unternehmen verhindert, dass der Latte-Macchiato-Nachschub jedes Mal eine Arbeitsunterbrechung von gut 20 Minuten verursacht.
Insofern will natürlich niemand die Annehmlichkeiten zeitgenössischer Büro-Innovationen wieder zurücknehmen. Doch es lohnt ein kurzer Blick auf die historische Perspektive, um zu verstehen: Die Infrastruktur von Büros war schon immer auf Leistungssteigerung ausgerichtet. Nach Stempel, Schreibmaschine und Telefon hilft heute eben der Espressovollautomat, noch mehr Arbeit aus den Mitarbeitern herauszuholen.