Читать книгу EspressoProsa. Klein. Stark. (Manchmal) schwarz. - Markus Walther - Страница 7
Kaffee
ОглавлениеSeine Aufforderung war eigentlich unmissverständlich: „Kommst du noch auf einen Kaffee mit hoch?”
Gaby gehörte nicht zu der Art Frau, die einem One-Night-Stand abgeneigt war. Sie war ein eingefleischter Single und liebte ihr ungezwungenes Leben ohne Verpflichtungen. Heute Nacht hatte sie Mike kennengelernt. Insgeheim hatte Gaby ihn als „annehmbar” katalogisiert. In ihrer ganz persönlichen Liste von möglichen Liebhabern nahm er daher einen eher mittelprächtigen Status ein.
Sein Charakter wirkte etwas zu arrogant, aber sein Prachtkörper war ja auch nicht zu verachten. Immerhin zeichnete sich durch sein enges Muskelshirt ein ansprechendes Sixpack ab. Schließlich wollte sie sich nicht mit ihm unterhalten.
„Warum nicht?”, antwortete sie also und begleitete ihn in seine Penthousewohnung im vierzehnten Stock.
Die Wohnung mit den imposanten Designermöbeln war großartig und der Ausblick auf die Skyline der Stadt nahm sofort jeden Blick gefangen. Der Abend schien doch noch recht vielversprechend zu werden.
Gaby legte ihre leichte Sommerjacke ab und warf sie über die Lehne des Ledersessels. Sie fand es zwar etwas befremdlich, dass Mike sie sofort nahm, vorsichtig glatt strich und auf einen Bügel in der Garderobe neben der Tür hing, aber ein ordentlicher Mann konnte eigentlich keine falsche Wahl sein.
Sie selbst positionierte sich auf die Couch, zog ihre Pradas aus und legte die Beine in einer lasziven Pose übereinander. Sie wusste um ihre Reize, hatte sie sie doch stundenlang vor ihrem Spiegel erprobt. Welcher Mann konnte ihr schon widerstehen?
Etwas überrascht stellte sie fest, dass Mike sich nicht zu ihr gesellte. Er verschwand in der Küchenzeile neben der Hausbar. „Mein ganzer Stolz”, erklärte er, als er auf eine Espresso-Maschine deutete, die in ihren Ausmaßen an einen kleineren Wandschrank erinnerte.
„Möchtest du einen Filterkaffee? Espresso? Kaffee Brasiliana? Mokka? Cappuccino? … oder eine Latte?” Gaby dachte, dass er das letzte Angebot vielleicht anzüglich gemeint hatte. Aber die Ernsthaftigkeit, mit der er sich dem Automaten widmete, ließ sie daran zweifeln.
Auf einer kleinen Warmhalteplatte ruhten die verschiedensten Tassen und Gläser. In einem Wandhalter hingen spezielle Löffel und im Regal darüber waren Kaffeedosen angeordnet. Sorgsam beschriftete Etiketten waren darauf angebracht. Gaby hätte nie geahnt, dass es so viele Mischungen in einem Haushalt geben konnte.
„Kaffee ist etwas ganz besonderes”, erklärte Mike. „Kaum zu glauben, was aus diesen kleinen weißen Blüten der Coffea alles werden kann.”
Was sollte das denn jetzt werden?, durchfuhr es Gaby. Einen wissenschaftlichen Vortrag über Kaffee hatte sie heute Abend am allerwenigsten erwartet.
„Arabica und Robusta sind die am häufigsten verwendeten Sorten für gute Kaffeemischungen.” Eifrig begannen seine Hände ein kleines Ritual. Die Finger flogen zum Schalter. Eine Handvoll Kaffeebohnen flog in einen durchsichtigen Behälter und wurde von einem automatischen Mahlwerk zu Pulver verarbeitet.
„Aber um einen vernünftigen Kaffee zu zaubern, braucht es noch einiges mehr. Weißt du, ich glaube, dass das Kaffeemachen eine kleine Kunst für sich ist. Beherrscht nicht jeder.”
Gaby setzte sich etwas bequemer hin. Die Erotik durfte wohl erst einmal eine Pause einlegen.
„Mancher Kaffeeverbrecher scheint sein geheimes Kaffeerezept mit einer Prise Salz im Filter zu beenden, aber so was ist schon fast blasphemisch.”
„So?”
„Das Kaffeewasser muss aufs Grad genau erwärmt sein. Und auch die Tassen dürfen nicht kalt sein. Wenn ich sehe, dass sich jemand Süßstoff in den Kaffee wirft, bekomme ich den puren Ekel. Brauner Zucker ist die richtige Wahl. Aber eigentlich mag ich’s am liebsten ohne.”
Gaby strich sich ihren Rock etwas tiefer und schlüpfte wieder in ihre Schuhe. Wie sie es am liebsten mochte, stand im Augenblick anscheinend nicht mehr zur Debatte. Sie blendete sein Gelaber aus ihrem Bewusstsein aus – so gut es eben ging. Leider verging die Zeit nicht so schnell wie ihre Stimmung.
„… französisch?” Seine Frage ließ sie hochschrecken.
„Wie bitte?”
„Kennst du Kaffee auf Französisch? Ich meine die Zubereitung.”
Mike zeigte ihr einen Glasbehälter mit Metallhebel und einem eingelassenen Filtersieb.
Gaby musste es sich eingestehen: Der Abend war gelaufen. Mit dieser Schnarchnase würde sie heute nichts mehr anfangen.
Nun gut. Gleich würde sie aufstehen, ihre Jacke vom Bügel nehmen und die Reise mit dem Lift ins Parterre antreten. Doch vorher würde sie ihm auch den Abend versauen. Eine kleine Rache musste sein.
„Weißt du”, sagte sie, „wenn du mir was richtig Leckeres machen möchtest, dann mach mir doch bitte einen Tee. Hast du vielleicht einen Earl Grey?”