Читать книгу Das Kreuz mit dem C - Martin Lohmann - Страница 12
Ohne C keine Identität
Оглавление60 Jahre und kein bisschen greise – so könnte man der 1949 in Bonn verabschiedeten deutschen Verfassung zurufen. Es liegt auf der Hand, im Zusammenhang mit unserem Thema einen Blick darauf zu werfen, wie sehr dieses Grundgesetz mit dem C verbunden ist, und auch, wie viel Segen aus diesem C möglich war und möglich sein wird. Die Präambel beginnt mit der „Verantwortung vor Gott und den Menschen“ und ist wahrlich mehr als nur ein nettes Vorwort. Schon gar nicht ein unverbindliches. Es ist zumindest, wie einmal formuliert wurde, ein Vorsatz. Es ist eine Grundentscheidung, ein Schlüssel zur Gültigkeit des Vorgegebenen, ein – um das christliche Identifikationsmerkmal des Kreuzes zu bemühen – unersetzbares Pluszeichen der gesamten Gesellschaftsordnung, von der manche richtig sagen, sie sei die freieste und menschengerechteste der Welt. Der in Bonn lebende Karlsruher Verfassungsrichter Udo di Fabio sieht in dieser Präambel gar die „tiefe kulturelle Verknüpfung von Christentum und Rechtskultur des Verfassungsstaates“ und hält eine „Entkoppelung von Politik und Christentum, von Staat und Kirche“ für undenkbar.
Das C, sprich der christliche Gott, spielt übrigens in einigen Landesverfassungen ebenfalls eine nicht unbedeutende Rolle. Von „Ehrfurcht vor Gott“ und „Gottesfurcht“ ist etwa in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz die Rede. „Gott“, „Gewissen“ und „Achtung der Würde des Menschen“ werden eigens in der Bayerischen Verfassung betont. Völlig verstaubt kann also das C und alles, was mit ihm verbunden ist, auch heute nicht sein. Horst Köhler hat – um nur ein Beispiel zu nennen – bei seiner Eidesleistung den angebotenen Zusatz „So wahr mir Gott helfe“ 2004 ausdrücklich in seiner Antrittsrede als Bundespräsident hervorgehoben. Er verstand seinen Amtseid als „Verpflichtung, zur Erneuerung Deutschlands beizutragen“. Als persönlichen Kompass nannte er dabei sein „christliches Menschenbild und das Bewusstsein, dass menschliches Tun am Ende immer vorläufiges Tun ist“.
Es ist kein Zufall, dass die vielen Väter und die wenigen Mütter des Grundgesetzes an den Anfang der deutschen Freiheitsordnung eine Verpflichtung gestellt haben, die – zum Schutze der Demokratie – dem demokratischen Zugriff entzogen ist und entzogen bleiben wird. Auch dieser § 1 hat etwas mit dem C zu tun. Dort heißt es: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Das kann man nur verstehen, wenn man die Menschenwürde als etwas Vorgegebenes begreift, also etwas, das nicht geschaffen werden kann, sondern nur respektiert werden muss. Nach christlichem Verständnis ist jeder Mensch – ob reich oder arm, gesund oder krank, angesehen oder nicht, klein oder groß, geboren oder noch nicht, gläubig oder ungläubig, schwarz oder weiß, jung oder alt – ein Abbild Gottes und von ihm erschaffen. Oder, wie es Papst Benedikt XVI. in seiner Antrittspredigt im April 2005 formulierte: „Wir sind nicht das zufällige und sinnlose Produkt der Evolution. Jeder von uns ist Frucht eines Gedankens Gottes. Jeder ist gewollt, jeder ist geliebt, jeder ist gebraucht.“ Und deshalb heißt es ohne Ausnahme und ohne Wenn und Aber: Die Würde „des Menschen“ ist unantastbar. Punkt. Nein, eigentlich: Drei Ausrufezeichen!