Читать книгу Das Kreuz mit dem C - Martin Lohmann - Страница 20
Deutschland ist anders
ОглавлениеMan muss eben auch diese Realität im Blick haben, wenn man über das Kreuz mit dem C nachdenkt und eine Antwort auf die Frage nach der Christlichkeit der Union sucht. Es ist eben nicht so simpel, wie viele meinen. Auch Peter Ramsauer, der CSU-Landesgruppenchef in Berlin, weiß das. Und plädiert – wie viele andere auch – für Fairness. Das eine stimmt eben genauso wenig wie das andere, meint er: Die klagende Behauptung aus konservativen Kirchenkreisen, dass christliche Überzeugungen keine Rolle mehr in Deutschland spielten – wie auch zumeist aus derselben Ecke die selbst definierte Berechtigung, der Union den Anspruch zum Führen des C in einer säkularisierten Gesellschaft abzusprechen. Beides sei Unsinn. Beides sei falsch. Enttäuschten Traditionalisten fehle gelegentlich ebenso wie vielen Kritikern das Gespür dafür, wie lebendig christliche Überzeugungen nach wie vor in Deutschland seien, wenngleich sich auch vieles heute anders ausdrücke. Den Wandel müssten Politiker nicht nur sehen, sondern auch berücksichtigen.
Zu diesem Wandel gehört auch eine Erkenntnis, die der CDU-Mann Hermann Kues im Jahr 2008 in einer theologischen Fachzeitschrift formulierte. Bestimmte Selbstverständlichkeiten seien verloren gegangen, denn die Union werde nicht mehr wie früher trotz ihres ökumenischen Charakters vor allem als Partei katholischer Christen verstanden. Der Katholik Kues sieht – auf einen möglichen Katholischen Arbeitskreis in der Union angesprochen – gleichwohl hier keinen wirklichen Bedarf und meint, ein solcher Kreis müsse ja erst einmal bestimmen, was denn das Katholische ausmacht. Das sei gar nicht so leicht – liest man, und wundert sich, wo doch eine solche Bestimmung im evangelischen Bereich trotz der dort gegebenen Vielfalt und Unterschiedlichkeit offenbar vor vielen Jahrzehnten kein wirkliches Problem gewesen zu sein scheint. Der Befragte wiegelt lieber ab und lenkt in eine Ecke. Wenn es sich bei einem solchen Arbeitskreis lediglich um ein Bündnis derer handeln würde, die traurig darüber sind, dass bestimmte Traditionen nicht mehr funktionieren, dann wäre eine solche Plattform nicht zukunftsfähig. Aber nach einer solch engstirnigen Gruppierung war der Bundestagsabgeordnete und Staatssekretär gar nicht gefragt worden. Erstaunlich, dass da offenbar eine regelrechte Angst subkutan vorhanden ist! Denn viele keineswegs engstirnige und rückwärtsgewandte Katholiken wüssten schon gerne, wo denn ihre durchaus weltoffene Stimme in der Union von heute und morgen eine Stimme haben könnte.
Gespräche wie die mit Hermann Kues sind symptomatisch. Sie zeigen einerseits ein Ringen mit dem C, andererseits eine gewisse Unsicherheit, Profilträgern des C eine wirkliche Chance zu geben. Es gibt in der Union so etwas wie die Furcht vor dem C. Es gibt so etwas wie die Angst vor dem Verlust der eigenen uneingeschränkten Deutungshoheit. Es ist und klingt vor allem richtig, wenn C-Politiker fordern, man solle das C nicht wie eine Monstranz vor sich hertragen, weil das niemanden wirklich überzeuge. Es ist ja ebenfalls richtig, dass früher selbstverständliche Verbindungsund Karrierelinien von der konfessionell gebundenen Jugend bis hin in die Verantwortungsebene der Union heute weggebrochen sind. Und es ist nicht zu bestreiten, dass die einst funktionierende Partnerschaft zwischen der Soziallehre der Kirche und der Union Macken bekommen hat.