Читать книгу Das Kreuz mit dem C - Martin Lohmann - Страница 7
Alte Fragen neuer Menschen
ОглавлениеEinerseits verlieren die Kirchen an Einfluss. Andererseits wächst das Bedürfnis nach Orientierung, nach Halt und nach belastbaren Hinweisen für ein gelingendes Leben. Während die Kirchlichkeit abnimmt, bleibt oder wächst sogar die Religiosität. Der Mensch im postindustriellen Zeitalter hat auch Züge eines Menschen im postkirchlichen Zeitalter. Aber in einem postreligiösen Zeitalter befindet er sich nicht. Seine Fragen sind und bleiben als die alten modern: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Wie kann ich ein sinnvolles Leben finden? Was ist Freiheit wirklich?
Während die Individualisierung des Lebens zunimmt, entsteht andererseits ein wachsendes Bedürfnis nach mentalen und gefühlten Kuschelecken gemeinschaftlichen Erlebens. Wenigstens das. Nicht nur an den Kassen der Vergnügungsparks bilden sich allmorgendlich lange Schlangen am Einlass. Auch die Zugehörigkeit zu sogenannten Communities im Internet hat Konjunktur. Soziale Kontakte im Netz ersetzen mit ihrer „erlebbaren“ Wärme die Kälte der im wirklichen Leben erfahrenen Vereinzelung. Second Life oder First Life? Second Life als First Life? Und überall lugt die Frage hervor: Was ist der Mensch? Was trägt? Was macht Sinn? Wo kann ich leben?
Was das mit unserer Frage nach dem C zu tun hat? Auch die Politik und ihre Politiker leben in dieser Verunsicherung, sind Teil einer Gesellschaft, die auf der Suche ist. Das kann ihnen nicht vorgeworfen werden. Aber: Sie haben einen Anspruch – und der Souverän, also das Volk, an sie. Erst recht, wenn sie sich mit einem Buchstaben „schmücken“, dem viele sehr vertrauen. Einem Buchstaben, der für eine bestimmte Vertrauenswürdigkeit steht, für eine Qualität, die über die „ganz normale“ Oberflächlichkeit hinausweist.
In den jeweiligen Programmen der Parteien steht zu diesem C manches. Aber Papier ist geduldig. Und Grundsätze werden formuliert. Mehr aber auch nicht. Vor allem, wenn es um das alte C geht. Das „alte“ C? Ist es vielleicht deshalb ein Kreuz mit ihm, weil es sich letztlich dem gestalterischen Zugriff entzieht? Weil es mit Konsequenzen verbunden ist, die fordernd sind – und herausfordernd?