Читать книгу Das Kreuz mit dem C - Martin Lohmann - Страница 5
Vorwort
ОглавлениеDie Frage nach der Christlichkeit der Union ist keineswegs mehr eine theoretische. Spätestens seit der von vielen Christen als ebenso plump wie populistisch empfundenen Kritik der CDU-Chefin an Papst Benedikt XVI. ist das Verhältnis zwischen vielen katholischen Wählern und der Union gespannt. Die aus christlicher Sicht höchst problematische und für viele Christen verbotene Forschung mit embryonalen Stammzellen, die nur aus getöteten, noch nicht geborenen, ganz jungen Menschen „gewonnen“ werden könne, sowie die fahrlässige Bemerkung Merkels zum Papst, mit der sie dem Eindruck Raum bot, dieser sei in Fragen des Holocaust nicht ganz eindeutig, haben offengelegt, wie sehr die Nähe der Christen zur Union gelitten hat. Es gibt eine größere Unzufriedenheit und wahltechnisch gesehen auch Heimatlosigkeit unter Christen, als dies der Unionsspitze lieb sein kann.
Noch scheint das Argument zu ziehen, die Union sei halt das kleinste aller Übel. Noch scheinen sich viele kleine C-Parteien, die in der Öffentlichkeit wenig wahrgenommen werden, nicht als Alternative anzubieten. Doch die Wahlverweigerung und die Flucht weg von der Merkel-Union werden zunehmen. Und immer wieder spielt dabei die Frage eine Rolle: Wie christlich ist eigentlich die Union? Ist sie noch christlich? Christlicher als andere? Worin unterscheidet sie sich? Kann man als überzeugter Christ diese Union noch wählen? Dabei machen nicht wenige keinen besonders großen Unterschied mehr zwischen der von einer ostdeutschen Pastorentochter geführten einstigen Adenauer-Partei und der bayerischen Schwester, in der allerdings manch imposante barocke Kulisse über eine ebenfalls wachsende inhaltliche Dünnheit und den Verlust von christlichem Profil leichter hinwegtäuschen kann.
Also: Wie christlich ist die Union? Die Frage klingt für manche vielleicht etwas böse, für andere ist sie seit Jahren etwas, auf dessen Beantwortung sie mehr als gespannt sind. Jedenfalls diejenigen, die noch einen Funken Hoffnung haben und sich nicht frustriert abwenden. Aber: Kann man so fragen? Kann man überhaupt eine belastbare Antwort finden? Die einen haben sie längst gefunden, andere spielen mit ihr. Und die, die eine Antwort gefunden haben, geben sich entschieden enttäuscht – oder aber gelassen zuversichtlich. Ein Thema ist das, was mit dieser Frage verbunden ist, allemal. Erst recht in einem Superwahljahr. „Mutig, dass du das überhaupt noch fragst, dass du diese Frage noch zu stellen wagst“, sagt mir ein Journalistenkollege, als er von meinem Vorhaben dieses Buches erfährt. Für ihn sei die Antwort doch längst klar – und leider negativ. Jedenfalls, wenn man nach dem C bei den C-Parteien frage, meint er. „Na dann viel Spaß auf der Suche nach einer Antwort“, meint ein anderer eher spöttisch. „Was willst du da schon erwarten!“ – schiebt er hinterher.
Bei keinem anderen Buchprojekt habe ich so viele Kommentare, mitleidsvolle Hinweise und aufmunternde Tipps bekommen wie in diesem Fall. Die Frage nach dem C im Namen einer oder gar zweier Parteien scheint also wirklich zu interessieren. Sie ist aktuell. Sie findet ihre Antwort. So oder so.
Haben Sie, liebe Leserinnen und Leser, sich vielleicht auch schon einmal gefragt, warum man eine der Unionsparteien eigentlich wählen sollte? Haben auch Sie im Bekanntenkreis schon einmal eine hitzige Debatte miterlebt, in der es um das C und unsere Politik geht? Wollen auch Sie wissen, wofür eigentlich diese Union im Unterschied zu anderen Parteien in Deutschland steht – oder nicht steht?
Dann lade ich Sie herzlich ein zu dieser Diskussion. Denn eines ist sicher: Es ist immer wieder ein Kreuz mit diesem einen Buchstaben, der für so viel Anspruch steht. Immer wieder wenden sich bisher Treue enttäuscht ab von einer Partei, die wie keine andere für etwas Besonderes steht. Eigentlich. Doch: Wofür aber steht dieses C heute noch? Wofür kann und darf es stehen? Ist es ein Hindernis auf dem Weg in die Moderne? Ist es nur schmückendes Beiwerk für nette Festtagsreden oder ist und wird es mehr und mehr zu einer echten Herausforderung für seine Politiker und die Bürger? Gibt es neue Interpretationen des hohen C, das für manche zum hohlen C geworden ist? Verkörpert das C im Parteinamen eher rückwärtsgewandte Tradition oder zukunftsorientierte Avantgarde?
Dieses Buch will aufrütteln und ermuntern. Es will Mut machen, aus der Mittelmäßigkeit des Unverbindlichen auszubrechen. Erst recht in diesen schwieriger gewordenen Zeiten, in denen deutlicher als sonst erkennbar zu werden scheint, dass vieles als Wert gesehen wurde, was in Wirklichkeit kein Wert war und ist. Ohnehin zeigt sich schon seit Längerem, dass die Menschen sich mehr Qualität und – um eine gerne benutzte Metapher zu nehmen – mentales Schwarzbrot zutrauen, als manche Politiker sich selbst zutrauen. Das C ist moderner und aktueller, als es viele wahrhaben wollen. In ihm steckt mehr Zukunft als vielfach geahnt. Und die Wähler fragen danach. Nicht alle. Aber viele. Nicht laut. Aber leise. Nicht in geschlossenen Gruppen. Aber eben doch insgesamt mehr, als vielfach erkannt.
Dieses Buch lädt ein, etwas vermeintlich Altes und allzu häufig Vergessenes als Neues zu entdecken. Nicht als Rückschau, sondern als Blick nach vorn. Die Zukunft will es so! Denn es ist Zeit für einen freien und mutigen Blick auf das, was wirklich morgen trägt. Ja, es geht auch darum, einen vergrabenen Schatz wenigstens einmal zu orten – um ihn heben zu können. Und es geht darum, im Kreuz mit dem C eine Chance zu entdecken, Politik aus christlicher Verantwortung zu wagen. Nicht eine christliche Politik! Keine evangelische oder katholische Politik! Keinen Fundamentalismus! Das wäre wahrlich alles andere als christlich.
Wozu wir auffordern müssen, ist, sich nicht mehr zu verstecken als Christ mitten in der Welt, in Europa und Deutschland. Nichts birgt so viel Dynamik und Humanität wie das C! Ohne das C verlieren wir nicht nur unsere Kultur, sondern letztlich das Leben. Die Zeit der Minderwertigkeitskomplexe ist vorbei. Schluss mit jeder Ängstlichkeit! Allen, die sich über das mangelnde Profil in der Union beklagen, kann nur geraten werden: mitmachen, einmischen, einmischen und abermals einmischen! Und allen in der Politik, die noch oder wieder ahnen oder sich wenigstens sagen lassen, wie wichtig und kraftvoll das C sein kann, wissen nur zu gut: Gerade in schwierigen Zeiten sind klare christliche Antworten gefragt. Krisenzeiten verlangen nach Profil. Wir brauchen einen Kompass, aber gewiss nicht noch mehr Weichspülmittel. Es ist Zeit für das C!
Bonn-Bad Godesberg, 31. März 2009
Martin Lohmann