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Welche konkreten Transformationen durchlief der Begriff der Demokratie?

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Die erste semantische Transformation hin zu einer Positivierung wird in der Forschung auf die Schriften Baruch de Spinozasde Spinoza, Baruch (1632–1677), Jean-Jacques RousseausRousseau, Jean-Jacques (1712–1778) und deren Rezeption im 17. und 18. Jahrhundert datiert. Erst hier begann man, der Demokratie einen positiven Wert zuzuschreiben, wenngleich nicht mal Spinoza und RousseauRousseau, Jean-Jacques selber an die Existenz einer wahren Demokratie glaubten. Zudem blieb die Demokratie im allgemeinen Verständnis weiterhin eine Herrschaftsform, die der Vergangenheit angehörte und eher als Kontrastfolie für eine kritikwürdige Gegenwart herangezogen wurde. Dies änderte sich erst mit Alexis de TocquevillesTocqueville, Alexis de (1805–1859) „Über die Demokratie in Amerika“ im 19. Jahrhundert. Ab da galt die Demokratie als ein Projekt, dem die Zukunft gehört, weswegen man in der Forschung von der Futurisierung des Demokratiebegriffs als der zweiten Transformation spricht. Tocqueville war nach seinen Studien der damals recht jungen amerikanischen Demokratie fest davon überzeugt, dass die Idee der Demokratie die → GleichheitGleichheit der gesellschaftlichen Bedingungen unaufhaltsam vorantreiben werde und aus der politischen Praxis der Moderne nicht mehr wegzudenken ist. Und tatsächlich kann die weitere Entwicklung der Demokratie im Großen und Ganzen als eine Bestätigung von Tocquevilles These der Egalisierung interpretiert werden, wurden doch innerdemokratische Standes- und Klassenprivilegien ebenso erfolgreich bekämpft, wie der systematische Ausschluss von Frauen, wenngleich das Prinzip der Gleichheit zwischen den Geschlechtern und Klassen bis heute nicht vollständig hergestellt ist. Daher muss die Demokratie laut dem französischen Philosophen Jacques DerridaDerrida, Jacques (1930–2004) als ein Projekt verstanden werden, das immer im Kommen bleiben, sich jedoch niemals vollständig verwirklichen wird. So hat sich die Demokratie zwar weltweit als politische Herrschaftsform durchgesetzt und zumindest gegenwärtig seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion keine ernsthafte Systemkonkurrenz zu befürchten. Gleichzeitig gilt es aber auch, die Schattenseiten der Demokratie nicht zu vergessen und zudem zu berücksichtigen, dass die permanenten Angriffe auf die historischen Errungenschaften der Demokratie aus ihrem Inneren heraus auch Erfolg haben und das demokratische Projekt rückabwickeln könnten.

Die dritte Transformation, die sich mehr auf die demokratischen Verfahren bezieht, wird auf das 20. Jahrhundert datiert und hängt eng mit der gegenwärtigen Konjunktur von Krisendiagnosen der Demokratie zusammen. Hier spricht man in der Forschung von der Rationalisierung der Demokratie, womit die Ausrichtung demokratischer Prozesse sowohl in der dominanten Demokratietheorie als auch in der politischen Praxis auf das Prinzip der Effizienz und der Produktion qualitativ guter, eben vernünftiger Ergebnisse im Gegensatz zu der traditionellen Ausrichtung auf einen möglichst maximalen demokratischen Input gemeint ist. In der Konsequenz kommt dann der Demokratie kein intrinsischer Wert mehr zu und auch die Rolle von Affekten und Leidenschaften wird versucht, als undemokratisch auszuschließen. Dies führt manchen Wissenschaftler*innen zufolge zu politischer Apathie, einem enormen Vertrauensverlust in die demokratischen politischen Institutionen und zur Hinwendung zu rechtspopulistischen bis autoritären politischen Kräften.

Die räumlichen Transformationen des Demokratiebegriffs schließlich fanden auf der ersten Stufe vom athenischen Stadtstaat (polispolis) hin zum modernen Flächen- und NationalstaatNationalstaat im Zuge der AmerikanischenRevolutionAmerikanische und Französischen RevolutionRevolutionFranzösische im 18. Jahrhundert statt. In einer zweiten räumlichen Transformation wurde das Prinzip der Demokratie ausgeweitet auf (in der Realität noch nicht vollständig verwirklichte) supranationale Organisationen, wie zum Beispiel die Europäische Union. Ob sich die Demokratie gegenwärtig in einer dritten räumlichen Transformation hin zu postnationalen Ordnungsentwürfen weiterentwickelt, ist eine offene und in der Wissenschaft breit diskutierte Frage.

Literaturtipp | Weiterführende Definitionen von Grundbegriffen der Politik – u.a. Demokratie, Bürger, Sicherheit, Gerechtigkeit, Macht – finden sich in folgenden zwei Büchern: Schwarz, M; Breier, K.-H.; Nitschke, P.: Grundbegriffe der Politik. 33 zentrale Begriffe zum Einstieg, Nomos 2018 und Göhler, G.; Iser, M.; Kerner, I. (Hrsg.): Politische Theorie. 25 umkämpfte Begriffe zur Einführung, VS Verlag 2012.

Und wer den Zusammenhang zwischen Größe von Staaten und ihrer demokratischen Qualität vertiefen möchte, der kann sich mal folgenden Titel anschauen: Jörke, D.: Die Größe der Demokratie. Über die räumliche Dimension von Herrschaft und Partizipation, Suhrkamp 2019.

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