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2. Aufsichtsrat

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Die Bezeichnung „Aufsichtsrat“ ist angenehm klar und sprechend: Er hat eine beaufsichtigende und eine beratende Funktion. Und während die unmittelbare Verantwortung für eine den externen und internen Regeln konforme Leitung des Unternehmens bei Vorstand oder Geschäftsführung liegt, umfasst die Aufsichtspflicht des Aufsichtsrats im Sinne von § 111 Abs. 1 AktG auch die Compliance.16

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Daher tut der Aufsichtsrat gut daran, sich darüber klar zu werden, in welchem inhaltlichen, zeitlichen und personellen Rahmen er seiner Tätigkeit zur Überwachung der Compliance-Risiken und Compliance-Aktivitäten des beaufsichtigten Unternehmens nachkommen muss und kann.17 Welche Aufsichtsratsmitglieder verfügen über besondere Kompetenzen im Hinblick auf Compliance? Sind Schulungen erforderlich? Sind die Aufgaben, die Instrumente und die zeitlichen Budgets des, der Empfehlung in 5.3.2 DCGK folgend, in aller Regel bestehenden Prüfungsausschusses, zu erweitern? Sollte bei besonders risikogeneigten Unternehmen gar über die Bildung eines separaten Compliance-Ausschusses nachgedacht werden? Derartige Fragen sollten sich AR-Vorsitzender und AR-Plenum vorlegen, diese eingehend diskutieren, ihrerseits fachmännischen Rat beiziehen und diese Diskussionen auch in geeigneter Weise dokumentieren.

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In jedem Fall setzt eine professionelle Aufsichtsratsarbeit eine zeitlich und inhaltlich hinreichende Befassung mit Compliance-Themen voraus. Berichte zu allen Bereichen der Compliance und des Compliance-Management-Systems müssen rechtzeitig vor den Sitzungen verteilt und kritisch gelesen werden. Im Idealfall sollte die Gelegenheit bestehen, bereits im Vorhinein weitere Informationen anzufordern, damit diese dann spätestens in der nächsten Sitzung zur Verfügung stehen und auch erläutert werden können. Mündliche Vorträge und Erörterungen in der Sitzung brauchen Zeit, insbesondere wenn es um komplexe Sachverhalte, etwa aus dem Bereich von Auslandsrechtsordnungen oder bei Spezialmaterien wie Außenwirtschafts- und Embargorecht geht. Nicht wenige Fälle sind nicht nur inhaltlich kompliziert, sondern oft auch menschlich heikel: Wie geht man zum Beispiel mit einem langjährigen Außendienstmitarbeiter um, der sich in einem – sicherlich subjektiven, jedoch für ihn nur schwer überwindbaren – Dilemma zwischen hergebrachten Praktiken, Loyalität zum Unternehmen, Scheu vor dem „Verpfeifen“ eines Kollegen oder gar Vorgesetzten und falscher, nämlich kurzfristig und allein auf Umsatz- und Ertragswachstum orientierter Anreizsysteme („Wie Sie die Ziele erreichen, ist mir egal, nein, ich will es eigentlich gar nicht wissen ...“) befindet.

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Auch sollte zwischen dem Aufsichtsrat und dem (Chief) Compliance Officer ein reger und vertrauensvoller Austausch stattfinden. Der (Chief) Compliance Officer sollte regelmäßiger Teilnehmer an Aufsichtsratssitzungen sein und dort jedes Mal zumindest kurz vortragen. Auch sollte er Gelegenheit haben, zumindest als Zuhörer auch an jenen Tagesordnungspunkten teilzunehmen, die vielleicht nicht zum Kern der ‚Legal Compliance‘ gehören, aber Berührungspunkte dazu aufweisen, wie etwa die finanzielle Risikosteuerung.18 Ist ein Prüfungsausschuss gebildet, so gilt das soeben Gesagte in besonderem Maße: Prüfungsausschuss und Chief Compliance Officer müssen in engem Austausch stehen.

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Liegen Compliance-Verstöße vor, so muss zu diesen intensiver berichtet werden – und zwar, wenn dies wegen der Sachnähe geboten erscheint, auch gemeinsam durch den Chief Compliance Officer und den mit dem Fall befassten, spezialisierten Compliance-Mitarbeiter. Unter Umständen kann sich die grundsätzliche Aufsichtspflicht des Aufsichtsrats dann auch zu einer eigenen Aufklärungspflicht verdichten.19

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Um die Compliance-Berichterstattung vor dem Aufsichtsrat nicht zu einem leeren Ritual gefälliger Grafiken und inhaltsarmer Power Point Präsentationen erstarren zu lassen, ist es notwendig, Vertrauen aufzubauen und zu pflegen und Zeit und Geduld in die gemeinsame Aufgabe zu investieren. Das gelingt nur dann, wenn der Aufsichtsrat die Compliance-Thematik insgesamt nicht als eine Störung der – oft langjährigen, gut eingespielten und bisweilen erstaunlich wenig zeitintensiven – Sitzungen begreift, sondern der neuen Funktion und ihren manchmal vielleicht noch nicht ganz sattelfesten Mitarbeitern Interesse, Respekt und eine grundsätzliche Anerkennung entgegenbringt.

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Dann kann günstigenfalls im Lauf der Zeit eine Atmosphäre entstehen, in der das so notwendige Nachfragen, Nachhaken und Nachbohren in Aufsichtsratssitzungen und die offene Diskussion eben nicht peinliche Abweichung von einem sorgsam durchchoreografierten Präsentationsweg verstanden wird, sondern als das, was es sein soll: Das Zurkenntnisnehmen der schwierigen Unternehmensrealität und das ehrliche, gemeinsame Ringen um ein sauberes Wirtschaften im Einklang mit den Regeln und in Fairness zu den Mitarbeitern, den Vertragspartnern und anderen Stakeholdern. Wenn dies gelingt, wird man dann auch einen Umgang mit anderen schwierigen Themen finden, der Frage etwa, ob es eine, wie auch immer geartete, formale Berichtslinie zwischen dem Chief Compliance Officer und dem Aufsichtsrat oder dem AR-Vorsitzenden geben sollte und ob dem CCO das Recht gegeben werden soll, direkt, also unter Umgehung der Geschäftsleitung, mit dem Aufsichtsrat oder dessen Vorsitzenden zu kommunizieren oder im Aufsichtsrat in Abwesenheit der Geschäftsleitung vorzutragen.

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Schließlich gilt auch für den Aufsichtsrat: Je mehr er – wie die Geschäftsleitung – die Unabhängigkeit von Compliance respektiert, ihr Gelegenheit zum Vortrag und zum Vorbringen von Beobachtungen, Ideen und Anregungen gibt und ihr den Rücken stärkt, umso mehr wird er seiner Aufgabe gerecht, im Rahmen des langfristigen Risikomanagements des Unternehmens Rat zu geben und Aufsicht zu sein.

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