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3. Rechtsabteilung

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„Compliance, warum Compliance ...“, mögen sich manche fragen: „ ... Haben wir dafür nicht eine Rechtsabteilung?“ Das ist ein im Kern verständlicher Einwand: Man kann natürlich Schulungen und andere vorbeugende Maßnahmen zur Einhaltung von Gesetzen, unternehmensinternen Richtlinien und anderen Regeln als Aufgabe der Rechtsabteilung ansehen. In manchen Unternehmen wurde und wird dies auch so gehandhabt. Doch wie verhält es sich mit der Prüfung von Zulieferern, Distributoren oder Joint-Venture-Partnern in aller Welt, dem Nachvollziehen von Zahlungsflüssen und Buchungsvorgängen, dem Aufspüren von Regelverstößen oder mit deren Aufklärung und Ahndung, geschweige denn mit der Implementierung von Maßnahmen und Prozessen, um eine Wiederholungsgefahr zumindest systemischer Art so weit wie möglich auszuschließen?

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Bei ehrlicher Betrachtung wird man anerkennen müssen, dass diese Leistungen von einer traditionell aufgestellten und ausgerüsteten Rechtsabteilung typischerweise nicht erbracht werden konnten und auch heute nicht können. Eine Bündelung von regulatorischem Spezial-Know-how, vertieftem Wissen um die Vernetzung zwischen Rechtsregeln, Unternehmensabläufen, Geldflüssen und IT-Forensik und das damit einhergehende Projekt- und Prozessmanagement wird man kaum in einer klassischen Rechtsabteilung finden; dies sind im Übrigen auch weder Ausbildungsschwerpunkte eines Unternehmensjuristen, noch entsprechen sie seinem typischen beruflichen Selbstbild.20

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Das heißt umgekehrt aber nicht, dass die Rechtsabteilung eines Unternehmens unverbunden neben der, wie auch immer ausgestalteten, Compliance-Funktion stünde. Im Gegenteil: Rechtsregeln aller Art und die Subsumtion realer Unternehmenssachverhalte unter eine Vielzahl internationaler, nationaler, externer, interner, gesetzlicher oder technischer Normen verbinden Recht und Compliance. So ist es naheliegend, dass etwa ein überwiegend mit Unternehmenskäufen oder Wettbewerbsrecht befasster Unternehmensjurist auch Schulungen zum regelkonformen Verhalten mit Wettbewerbern oder zum Umgang mit Betriebsgeheimnissen oder nachvertraglichen Wettbewerbsverboten anbietet. Auch kann er z.B. bei der Erstellung einer Richtlinie für die Einkaufsabteilung mitwirken. Der eine oder andere Unternehmensjurist mag auch im Rahmen von unternehmensinternen Untersuchungen, Mitarbeiterbefragungen oder gar Amnestieprogrammen seine fachlichen Stärken, Spezialkenntnisse und juristischen Tugenden ausspielen können. Jedoch werden diese Fähigkeiten allein, zumindest in einem global operierenden Unternehmen und zumal in einer regulierten Industrie oder in einem oligopolistischen Markt, nicht ausreichen. Zur juristischen Expertise müssen sich eben die oben genannten spezifischen Compliance-Kompetenzen gesellen, die finanzielles, informationstechnologisches und forensisches Knowhow – und oft auch eine etwas weniger juristische „Denke“ – erfordern.

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Man könnte natürlich den Bereich Recht entsprechend „aufrüsten“ und etwa eine Spezialabteilung Compliance schaffen oder angliedern, ähnlich wie das viele Rechtsabteilungen zum Beispiel für M&A, Großprojekte, Unternehmensfinanzierung oder Patente und Marken getan haben. Zwingend ist das jedoch nicht.

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Manches spricht hingegen eher für eine Trennung von Recht und Compliance, etwa um mögliche Interessenkonflikte schon organisatorisch vermeiden zu helfen.21

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Auch eine „budgetäre Logik“ könnte eher für ein Nebeneinander als für eine Integration von Compliance und Rechtsfunktion sprechen: Rechtsabteilungen stehen unter erheblichem Kostendruck und werden gern kurz gehalten, zumal der Wertbeitrag vorsorgender Rechtspflege oft wenig anschaulich ist und sich nur schwer quantifizieren lässt. Jede neue Mitarbeiterstelle, jeder Fortschritt bei der Ausstattung mit Computern, Dokumenten-Software und anderen IT-Arbeitsmitteln muss mühsam erkämpft werden. Compliance profitiert demgegenüber – zumindest noch – oft vom Rückenwind des ebenso Neuen wie Unvermeidlichen: Kaum ein Unternehmen, das aufgrund seiner Eigentümerstruktur, seiner Erzeugnisse und Dienstleistungen oder auch aufgrund seines bekannten Namens in der Öffentlichkeit steht, kann es sich leisten, auf die Frage: „Haben Sie eine dem heutigen Standard entsprechende Compliance-Organisation?“ eine ausweichende oder unbefriedigende Antwort zu geben. Mit anderen Worten: Der Weg zu einer personell und materiell schlagkräftigen Compliance-Organisation dürfte sich mit dem Ansatz „getrennt marschieren, aber vereint kämpfen“ oft rascher und besser verwirklichen lassen, als gemeinsam mit einer stets kritisch beäugten, in der Kostenklemme steckenden Rechtsfunktion.

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Eines jedoch steht außer Zweifel: Auch wenn man Compliance als ein „aliud“22 zum Bereich Recht betrachtet, so handelt es sich doch zumindest um nah beieinander anzusiedelnde Nachbarfunktionen im Unternehmen. Daher ist eine fachlich und menschlich gute und enge Zusammenarbeit unverzichtbar, um mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen ein Optimum an Regeltreue, Rechtssicherheit und effizienten unternehmensinternen Prozessen zu erreichen. Auch kann diese Zusammenarbeit Raum für Austausch, Voneinander-Lernen, Job Rotations und „gemischte Karrierewege“ schaffen: Unternehmensjuristen können sich und ihr berufliches Fortkommen in Richtung Compliance weiterentwickeln, für Compliance-Spezialisten können sich da und dort attraktive Entwicklungsmöglichkeiten auch im Bereich „Business Law“ ergeben.

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Wünschenswert ist schließlich eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem CCO und dem Leiter Recht.23 Für Kompetenzgerangel oder Futterneid sollte kein Platz sein. Es ist – im wahrsten Sinne des Wortes – genug für alle da: genug Arbeit, genug Herausforderungen und genug Gelegenheiten, sich – auch durch Teamwork zwischen Recht und Compliance – auszuzeichnen.

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