Читать книгу 2412 - STUNDE NULL - Martin Selle - Страница 30

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„Was für ein Krawall ist da los auf der Straße?“, wunderte sich Maria.

Leute rannten durcheinander. An einer Kreuzung übersah ein Fahrer die rote Ampel und rammte einen verrosteten Jeep.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite, in der Auslage eines HiFi-Geschäfts, flimmerten Hologramme. Eine Menschenmenge hatte sich vor dem Schaufenster versammelt.

„Was ist da los?“, fragte Maria.

„Ich denke, wir sollten so schnell wie möglich zurück nach La Silla“, sagte ich und drückte ihr zwei von unseren Tüten in die Hand.

Wir traten auf die Straße hinaus. Die Sonne blendete, aber ich sah, dass sich immer mehr Leute vor dem HiFi-Laden drängten. Rechts von uns, am Gehsteig neben dem Eingang des Einkaufszentrums hockend, hob ein Penner seine Schnapsflasche und prostete uns zu. Er roch, als wäre er gerade aus einer Mülltonne gestiegen.

„Sie geht den Bach runter!“, lallte er auf Spanisch und lachte, als sei das ein großartiger Witz. „Die ganze blaue Kugel geht den Bach runter. Paf, weg! Einfach weg – für immer. Auf den Untergang der alten Mutter Erde. Das ganze Scheißding geht den Bach …“

Reifen quietschten und direkt vor unseren Füßen hielt ein Wagen. Die Beifahrertür ging auf, am Steuer saß Kevin. „Steigt ein! Wir müssen in La Silla sein, bevor das totale Chaos ausbricht.“

Maria und ich warfen die Einkaufstüten in den Koferraum und stiegen ein. In einem Höllentempo brachte uns Kevin zum Flughafen, wo der GLOSA-Helikopter auf uns wartete.

„Die Leute wissen Bescheid, richtig Kev? Sie kennen die ganze Wahrheit“, sagte ich.

„Die Union informierte sie vor rund einer Stunde.“ Deshalb also die Aufregung. Jetzt wusste jeder, was bevorstand. Zumindest theoretisch.

„Plötzlich gibt es keinen Grund mehr, zur Schule, zur Arbeit oder einkaufen zu gehen“, sagte ich. „Es spielt keine Rolle mehr, ob jemand gesund oder krank ist, arm oder reich, oder was auch immer. Nur eines ist sicher: Tod.“

„Die meisten Leute wollen es nicht akzeptieren. Sie verlieren den Verstand bei dem Gedanken, einfach ausgelöscht zu werden wie einst die Dinosaurier“, sagte Kevin.

„Wissen sie, wie viel Zeit ihnen noch bleibt?“

„Der Zeitpunkt der Kollision wurde noch nicht genannt.“

Sprachtagebuch – homas Sternau

Seit heute wissen die Menschen, dass die Erde vernichtet wird. Bislang hat die Union den exakten Zeitpunkt jedoch nicht veröffentlicht. Ich denke, das ist auch besser so. Ansonsten wäre die Panik noch schlimmer. Chaos, allerorts. Unvorstellbar.

Eine Viertelstunde später saßen wir im Helikopter und überflogen Santiago. Ich sah aus dem Fenster. In den Straßen stand der Verkehr still. Tausende Menschen wuselten wie Ameisen umher, Blaulichter blinkten überall. Panik.

„Bald werden wir keine Stadt mehr betreten können“, erklärte Kevin. „Dr. Sternau hat Alarmphase 1 von 3 ausgerufen.“

„Bald!“ Maria stöhnte. „Worin besteht unsere Zukunft?“ Kevin antwortete nicht. Stattdessen zog er den Heli steil nach oben in den Himmel.

„Sie liegt in La Silla“, sagte ich. „Wir müssen die Raumfähre Erde rechtzeitig fertigstellen und Genesis erreichen. Das ist unsere einzige Chance.“

„Ich könnte heulen“, sagte Maria. Ihre Augen fixierten einen fernen Punkt. Auch ihre Gedanken schienen in weiter Ferne zu sein. „Glaubst du an Gott, Tom?“

Mit so einer Frage hatte ich nicht gerechnet. Eigentlich glaubte ich nicht an Gott. Ja, ich glaubte fest an das ewige Leben der Seele, unseres wahren Ichs. Jeder von uns ist ein Teil von etwas viel Höherem, von etwas, wo Zeit und Raum unbedeutend sind, nicht existieren. Aber ob das Gott ist? Doch angesichts der Situation war die Frage verständlich. Und vielleicht gab es ihn doch?

„Wer ist Gott? Was ist Gott?“, fragte ich.

„Das kann kein Zufall sein, Tom.“

„Was, Maria?“

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