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Pranidhana und Regulation

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Pulsation erfolgt immer innerhalb eines Kontinuums, zwischen schnell und langsam, stark und schwach, gespannt und entspannt etc. Sie ist Bestandteil von zum Teil lebensnotwendigen Regulationsprozessen, die entweder unbewusst ablaufen oder gezielt beeinflusst und harmonisiert werden können. Wenn der Körper in einem Aspekt seines Pulsierens anhält und erstarrt, werden wir krank, oder die Starre an sich ist bereits Ausdruck einer Krankheit.

Eine mögliche psychologische Ursache für chronisch eingeschränkte Pulsation ist, dass verschiedene als unpassend oder bedrohlich eingestufte Gefühle an ihrer Entstehung und in ihrem Ausdruck gehindert werden. Dies geschieht beispielsweise durch die Kontraktion oder Erschlaffung der Muskulatur. Wilhelm Reich prägte dafür den Begriff der Muskelpanzerung (Reich 1971).

Auf diese Weise werden etwa Gefühle wie Angst in der Muskulatur des Nackens eingefroren – die Angst sitzt uns sprichwörtlich im Nacken. Der »Kloß im Hals« ist häufig Ausdruck von blockiertem Schreien, Weinen oder Sprechen; zurückgehaltene Wut kann zu Verspannungen im Bereich der Schulterpartie oder im Kiefer führen etc. (Boadella 1991). Die Literatur der Körperpsychotherapie beschreibt diese Phänomene sehr detailliert.

In bestimmten Situationen kann ein Organismus oder ein ganzes System einzelne Pulsationsfelder einschränken oder sogar aussetzen. Dies ist sinnvoll, wenn auf diese Weise übergeordnete Systeme geschützt werden können. So gibt es in massiv bedrohlichen Situationen drei grundsätzliche Reaktionsmuster. Das erste besteht darin, sich der Gefahr im Kampf zu stellen, das zweite, sich ihr durch Flucht zu entziehen. Scheint beides unmöglich, fällt der Körper in das dritte Muster, eine Art Starre. Bei einer Traumatisierung bleibt, selbst wenn die Gefahr vorüber ist, die Muskelpulsation reduziert und eingefroren im Überlebensmodus. Gefühle werden nur noch eingeschränkt wahrgenommen.

Peter Levine interpretiert die körperliche Starre traumatisierter Menschen als eingefrorene Flucht- oder Kampfbewegungen. Er ermutigt seine Patient*innen, ihrem Körper aufmerksam zu folgen und sich den erstarrten Reaktionen bis zum Ende hinzugeben. Dabei entstehen häufig unwillkürliche Entladungen wie Zittern, Kälte, Schaudern, Hitzewellen etc. Die sich dabei wieder entfaltende gesunde Pulsation der Muskulatur hat eine signifikante Erhöhung der Lebensqualität zur Folge (Levine 2011).

Diese Art der Entladung ist jedoch nur heilsam, wenn der oder die Betroffene ausreichend psychisch stabil ist und sich in einer sicheren Umgebung befindet. Andernfalls kann das Reaktivieren dieser Energie zu einer Retraumatisierung führen.

In der yogapsychologischen Körperarbeit versuchen wir durch ­Pranidhana, die Hingabe an die Pulsationsmuster der Muskulatur und der Atmung, eine Freisetzung unterdrückter, gebundener Emotionen zu fördern. Erst das ungehemmte Zulassen der Pulsation von Muskulatur und Atmung ermöglicht uns, lebendige Körperlichkeit wieder tief zu erleben. Starre beschreibt dagegen stets das Einfrieren von Schwingungsfähigkeit. Dabei spielt es keine Rolle, um welche Ebene der Pulsation es sich handelt.

Verkörperter Wandel

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