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Blau: Sattva, Achtsamkeit und Bewusstheit – Die geistige Ebene
ОглавлениеSattva steht im Sankhya für das lichtvolle, reine und geistige Prinzip. Stärker noch als bei den beiden anderen Farben, die für den Körper und das Gefühl stehen, benötigen wir für den von Blau repräsentierten »Geist« eine klare Definition. Oft wird Geist mit Psyche gleichgesetzt, wobei diese auch Gefühle einschließt.
Um den Geist von den Emotionen abzugrenzen, definieren wir ihn hier als kognitive Fähigkeit wie Denken, Wahrnehmung, Gedächtnis, Problemlösung und Lernen. Dabei kennt der Geist jenseits seiner Inhalte und Fähigkeiten eine große Anzahl verschiedener Zustände und Verfassungen wie Ruhe, Klarheit und Konzentration oder auch Zerstreuung, Sprunghaftsein etc.
In welchem Zusammenhang stehen nun Bewusstsein bzw. Gewahrsein und Geist? Wir erinnern uns: In der indischen Sankhya-Philosophie entsteht der Mensch durch die Begegnung zwischen Purusha, dem göttlichen Bewusstsein, und Prakriti, dem Wahrnehmbaren. Zunächst entwickelt sich dabei eine Art intuitive Weisheit (Buddhi), in der sich das reine Licht des Bewusstseins erstmals der Welt zeigt. Daraus ergibt sich wiederum das Identifikationsvermögen (Ahamkara), das unterscheiden und trennen kann. Aus dieser Funktion entwickelt sich dann der Geist (Manas), auf den die Empfindungen der Wahrnehmungsorgane projiziert werden, der Entscheidungen trifft und reagiert (Unger/Hofmann-Unger 1999).
Im Folgenden verstehe ich universelles Bewusstsein, wie Brahman im Vedanta oder Purusha in der Sankhya-Philosophie, als Grundlage des persönlichen Bewusstseins, des Selbst (Atman). Universelles Bewusstsein ist der beseelende Stoff, der Materie überhaupt erst erschafft und belebt. Wenn wir universelles Bewusstsein als »das Eine-ohne-ein-Zweites« verstehen, erfahren wir es in uns selbst als das Sein, die Existenz oder, wie oben angesprochen, im »Ich bin«. Dieser Urgrund drückt sich in uns dann weiter als Pulsation (Körper), Mitgefühl (Emotion) und Achtsamkeit (Geist) aus, die sich schließlich untereinander mischen. So steht diese Trinität für einen erfahrbaren Ausdruck des universellen Bewusstseins.
Achtsamkeit ist jener Teil der Wahrnehmung, der vom Wissen begleitet wird, dass wir wahrnehmen. Sie ist frei von Urteil und Bewertung und demnach bewusste, urteilsfreie Wahrnehmung.
Der indische Lehrer Nisargadatta Maharaj sagt: »Durch die uneingeschränkte Akzeptanz von Allem, was möglicherweise auftaucht und somit ganz einfach vorhanden ist, bestärken Sie alles Tieferliegende, an die Oberfläche zu kommen und dadurch Ihr Leben und das Bewusstsein mit seinen eingeschlossenen Energien zu bereichern. Das ist die grenzenlose Wirkung des Gewahrseins« (Maharaj 1996).
Gewahrsein ist das Tor zur transpersonalen Dimension des Geistes (Gemsemer 1997). Denn im Gewahrsein erscheinen uns die Dinge nicht mehr isoliert, sondern als Aspekte des universellen Bewusstseins. Im Dzogchen, einer Tradition des tibetischen Buddhismus, ist Rigpa der Begriff für Intelligenz, die »innerste Natur des Geistes«. Er steht für reines Gewahrsein jenseits aller Begrenzung, durch das man zum Zustand der Allwissenheit und Erleuchtung gelangt. Doch auch diese hohe Form von Intelligenz ist ohne Mitgefühl nicht in der Lage, ihr gesamtes Potenzial zu entfalten.