Читать книгу Verkörperter Wandel - Martin Witthöft - Страница 38

Implikationen für die Selbsterfahrungsarbeit

Оглавление

Die dargestellten sechs Felder sind Grundlage einer nachhaltigen Persönlichkeitsentwicklung. Der Begriff »Persönlichkeit« leitet sich von lat. personare, »hindurchtönen«, ab. Als personae wurden die Masken der Schauspieler im klassischen griechischen Drama bezeichnet. Persönlichkeitsentwicklung können wir somit als das schrittweise Durchdringen bzw. Abnehmen von Masken verstehen. Unsere Masken sind dabei ursprünglich im Laufe des Lebens entstanden, um uns zu schützen und verletzliche oder abgelehnte Persönlichkeitsanteile zu verbergen. Häufig identifizieren wir uns mit bewährten Masken, was zu einem starren, unflexiblen oder neurotischen Charakter führen kann.

Der Kern einer Existenz, ihr beseelter Grundstoff, ist dagegen die Essenz oder das Selbst. Selbst-Erfahrung findet statt, wenn es uns gelingt, durch die Masken der Persönlichkeit unser Selbst zu erkennen und zu erfahren. Die neun Orientierungsfelder fördern das Erleben des unverstellten Ausdrucks unseres Seins. Diese Selbst-Erfahrung kann nicht forciert werden. Es ist die Erfahrung der Weite, die entsteht, wenn wir uns ungebunden und jenseits von Wertung in der Welt bewegen.

In meiner persönlichen Praxis, meinen privaten Beziehungen und in der Selbsterfahrungsarbeit mit Gruppen und einzelnen Klient*innen erlebe ich immer wieder, wie unterstützend die Felder beim Erkennen der jeweils wirkenden Blockaden und freien Qualitäten sind.

Umgekehrt kommt es in der psychologischen Unterstützung und Begleitung von Klient*innen maßgeblich auf meine Bereitschaft an, sie wahrzunehmen, ihren Ausdruck zuzulassen und anzunehmen. Häufig tauchen, wenn sie auf diese Weise eingeladen werden, Gedanken, Gefühle und Impulse auf, die zunächst destruktiv und abwehrend erscheinen können. Dabei geht es nicht darum, einen destruktiven Impuls gutzuheißen, denn auch das wäre eine Wertung.

Es braucht vielmehr das Bemühen, entstandene Impulse liebevoll anzunehmen und ihr tieferliegendes Anliegen zu verstehen. Je vorbehaltsloser mir das gelingt, umso leichter fällt dies auch den Klient*innen. Wenn sie die Impulse dann ihrerseits wahrnehmen, zulassen und annehmen, beginnen sie sich zu wandeln. So entsteht ein Prozess, dem mit der beschriebenen Haltung immer weiter gefolgt wird. Anstelle der Masken und der somatischen Verpanzerung offenbart sich dann zunehmend das Vertrauen in die ausgleichende Kraft der eigenen Impulse, Gedanken und Gefühle.

Natürlich sind das zum Teil sehr langwierige Prozesse, die durch unterschiedliche Techniken unterstützt werden können. Doch im Kern ist es das kompromisslose Vertrauen in die gestaltenden Kräfte Mitgefühl, Achtsamkeit und Pulsation, das uns zurück zu uns selbst und in den Kontakt mit der Welt führt.

Eine tiefe Auseinandersetzung mit den Qualitäten Mitgefühl, Achtsamkeit und Pulsation hat Konsequenzen für alle Lebensbereiche. Sie ist Grundlage von Psychotherapie, Selbsterfahrungsarbeit, Pädagogik, Politik, Ökologie, Ökonomie und jeder Form sozialer Beziehung. Sie ermöglicht ein ausgewogenes Handeln aus der Mitte von Körper, Emotion und Geist. Aus dieser Mitte entspringt die Balance zwischen Mensch und Natur, zwischen technischem Fortschritt und natürlichem Lebensraum sowie zwischen dem persönlichen Bedürfnis nach Freiheit und sozialer Integration.

Verkörperter Wandel

Подняться наверх