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Vom Yogasutra zur Psychopathologie: Eine yogapsychologische Brücke

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Das Yogasutra, eine Sammlung von knapp 200 Versen, die dem Gelehrten Patanjali zugeschrieben werden, ist ein wichtiger Quellentext der integrativen Yogapsychologie. Sutra bedeutet »Faden«, und so verbinden sich auch die einzelnen Texte wie aufgereihte Perlen zu einer kostbaren Kette. Obwohl Entstehungszeit und Autor nicht letztgültig gesichert sind, wird die die Entstehung des Yogasutra auf die Zeit zwischen 200 v. und 400 n Chr. datiert.

In der Zusammenstellung des Yogasutra verbanden sich unterschiedliche geistig-spirituelle Strömungen. Hervorzuheben ist das schon erwähnte Sankhya, das als eine philosophische Grundlage diente. Aber auch der zu dieser Zeit in Indien äußerst populäre Buddhismus ist in diesem Zusammenhang zu nennen. Die Verbindung ist in beeindruckender Weise praxisorientiert und psychologisch relevant.

In welcher Beziehung stehen die oben vorgestellten Entwicklungsfelder zum Yoga? Rufen wir uns den folgenden Satz von Patanjali in Erinnerung:

»Yoga ist der Zustand, in dem die Bewegungen des citta (des meinenden Selbst) in eine dynamische Stille übergehen« (Sriram 2006).

Yogasutra 1.2

Auch wenn Citta häufig ausschließlich mit Geist übersetzt wird, gehe ich im Folgenden davon aus, dass damit unsere gesamte Psyche gemeint ist: unser Denken und Fühlen. Hierdurch erhält das Yogasutra psychologische Tiefe.

Kurz darauf schreibt Patanjali:

»In anderen Situationen beeinflussen die Bewegungen des citta (des meinenden Selbst) die Erscheinungsformen des draṣṭṛ (des sehenden Selbst)« (Sriram 2006).

Yogasutra 1.4

Drashta steht für den Zeugen und Beobachter, unsere Achtsamkeit sowie das Gewahrsein. Gemeint ist Folgendes: Wenn die Psyche aus der Balance gerät, beginnt ihr einseitiger Zustand unsere Wahrnehmung zu beeinflussen. Starke Gefühle und starre Glaubenssätze wirken wie Filter vor unserem geistigen Auge. Sind wir niedergeschlagen, wird uns eine schöne Wiese einsam und verlassen erscheinen. Wenn wir uns ängstlich fühlen, lauern in ihrem Gras schmerzhafte Dornen, Insekten und andere Gefahren.

Die Praxis des Yoga führt unserer Psyche in ihre dynamische Balance. Dann können wir die Wiese wieder als das erkennen, was sie ist: ein lebendiges, vielseitiges und einzigartiges Biotop. In der Klarheit des Zeugen verbinden sich der Beobachter und das Beobachtete zu einer Einheit. Jiddu Krishnamurti schreibt: »Wenn es nur noch die Beobachtung der Tatsache gibt, dann wird sich die Tatsache radikal verändern« (­Krishnamurti 2001). Wir erkennen: Wir sind ein Teil der Wiese. Wir sind die Natur. Wir sind das Leben.

»Durch abhyāsa (beharrliches Üben) und vairāgya (Gleichmut) kann die dynamische Stille des citta (…) erreicht werden« (Sriram 2006).

Yogasutra 1.12

Im folgenden Abschnitt möchte ich die Bedeutung der drei Qualitäten und ihrer Entwicklungsfelder am Beispiel von Depression und Angststörung veranschaulichen.

Verkörperter Wandel

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