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Liebevolle Annahme jenseits von Identifikation

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Identität entsteht durch den selbstreflexiven Prozess von inneren und äußeren, aktuellen und gespeicherten Erfahrungen. Wie eine Spinne weben wir uns zwischen diesen Erfahrungen ein Netz, in dessen Zentrum wir sitzen.

Entwickelte personale Identität besteht nicht nur aus den Inhalten unserer Erfahrung, sondern auch aus den ­Schwingungsmustern zwischen ihnen. Man könnte sagen, dass gesunde Identität pulsiert, denn Gefühle strömen in unseren emotionalen Resonanzraum, breiten sich aus und verklingen wieder. So betrachtet, bleibt Identität beweglich, frei und schwingungsfähig im Gegensatz zur Identifikation, die an den Erfahrungen festhält.

Es ist nicht nötig, sich mit Gefühlen im Sinne von »Ich bin ängstlich« zu identifizieren, denn damit legen wir uns fest, und unsere Identität verhärtet sich. Zunehmend setzen wir uns dann aus verschiedenen Facetten wie »Ich bin mutig, friedlich, faul, feige oder wütend« zusammen.

Wenn sich Teile dieses Selbstbildes widersprechen oder sich unsere Persönlichkeit weiterentwickelt, nehmen wir das als Konflikt wahr. Um diesen zu lösen, verleugnen wir situativ unpassende Seiten und stellen scheinbar angemessene heraus. Eine andere Möglichkeit besteht darin, sich aus augenscheinlich gut funktionierenden Anteilen eine feste ­Persönlichkeit zu erschaffen. Dieser Typ mag stabiler sein als der erste, doch sein emotionaler Resonanzraum ist starr und seine Schwingungsfähigkeit vermindert.

Im Yoga sprechen wir hier von Samyoga, der Verbindung des Sehers (Drashta, Purusha) mit dem Gesehenen und Erfahrenen (Drishya, ­Prakriti). Diese Identifikation wird als Ursache des menschlichen Leides betrachtet (Yogasutra 2.17).

Dabei ist es durchaus möglich, eine Erfahrung wie »Ich fühle mich ängstlich« anzunehmen, ohne sich deshalb auf »Ich bin ängstlich« festlegen zu müssen. Drashta erkennt im Selbstmitgefühl die Erscheinungen von Prakriti, ohne sich mit ihnen identifizieren zu müssen. So steht »Ich fühle mich mutig« nicht länger im Widerspruch mit »Ich fühle mich schüchtern«. Beides sind Pole eines lebendigen Kontinuums.

Vom Standpunkt einer bewussten, schwingungsfähigen Identität aus bedeutet Mitgefühl haben, bei sich selbst sein zu können. Diese ­Haltung der mitfühlenden Annahme ermöglicht es uns auch, mit anderen zu fühlen. Gefühle bedrohen uns also nicht länger oder widersprechen einander, sondern erscheinen als aufsteigende und abebbende Wellen in unserem Bewusstsein.

Um mit anderen Menschen mitzufühlen, ist es notwendig, unsere eigene Identität und unsere Bedürfnisse zurückstellen zu können. Diese Qualität ist nah an der unverfälschten Quelle (Purusha). Persönliche Färbung (Rajas) schränkt die Mitgefühlsfähigkeit ein. Wenn wir mit starken Wertungen von »richtig« und »falsch« identifiziert sind, kann nicht genügend Raum für die Gefühle unserer Mitmenschen entstehen.

Lautet beispielsweise ein Glaubenssatz von uns »Man sollte immer glücklich sein«, macht er es uns unmöglich, authentisches Mitgefühl für die Trauer anderer zu empfinden. Auch ein Beziehungsbedürfnis kann dem Mitgefühl blockierend gegenüberstehen: Wenn wir eine Person sehr mögen und ihre Nähe schätzen, wird es uns schwerfallen, sie mitfühlend in ihrem Bedürfnis nach Abstand und Unabhängigkeit zu unterstützen.

Für die Entwicklung von Mitgefühl brauchen wir also eine gewisse Durchlässigkeit, sowohl der eigenen Identität als auch unserer Bedürfnisse.

Verkörperter Wandel

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