Читать книгу Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 13 - Martina Meier - Страница 17

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Oh du fröhliche, und weiter so!

Wenn ich noch einmal das schiefe Geträller aus dem Nebenhaus mit der zehnten Wiederholung von Last Christmas höre, kann sich der Geist der Weihnacht für dieses Jahr von mir verabschieden. Ich bin bereit, jedes einzelne weihnachtliche Ornament mit voller Wucht aus dem Fenster zu schmeißen, wobei mir völlig egal ist, ob es dabei die Sternsinger, die seit fünf Uhr ihre Runden drehen, am Kopf trifft. Ich kann verstehen, dass es sich so anhört, als wäre ich der Grinch, aber ich kann versichern: Dem ist nicht so. Tatsächlich genieße ich den Duft frisch gebackener Lebkuchen im Wohnzimmer. Dieses Jahr kann ich mich aber einfach nicht für den Konsumterror diverser Fernsehsender begeistern. Etwas Gutes hat dieser Monat jedoch jedes Jahr aufs Neue zu bieten.

Spätestens am ersten Adventwochenende kann ich die Nachbarn dabei beobachten, wie sie sich aus ihren Fenstern lehnen, auf wackelige Leitern steigen und einander dabei Kommentare über die Straße hinweg zurufen, die an Unhöflichkeit grenzen. „Amüsant“, denke ich mir, „fast lustig.“ Wie aufgescheuchte Hühner laufen Männer mit Lichterketten behängt durch meinen Vorgarten. Ich seufze. Es hat keinen Sinn, sich darüber aufzuregen.

Das letzte Mal, als ich mit einem dieser Amateure ein Gespräch über Privatgrundstücke und das Verbot, diese ohne Erlaubnis zu betreten, führen wollte, wurde mir fehlende Hilfsbereitschaft unterstellt. Darauf folgte eine fünfminütige Tirade über den Zustand meines Hauses, das bis zu diesem Zeitpunkt ungeschmückt gewesen war. Und, ginge es nach mir, auch so bleiben würde. Tatsächlich uferte die Diskussion, deren Lautstärke angestiegen war, so weit aus, dass Passanten stehen blieben und sich beklagten, mein Haus sei nicht festlich genug und würde den Gesamteindruck der ansonsten doch so herrlich geschmückten Nachbarschaft stören. Bevor ich, nach tiefem Luftholen, über den Stromverbrauch der Lichterketten informieren konnte, wurde ich unterbrochen.

Meine Nachbarin, eine rundliche ältere Dame, besänftigte die sich echauffierende Meute mit einem Blech voller Kekse. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mich nicht traute, ebenfalls nach einem Keks zu greifen. Kopfschüttelnd löste sich der Mob auf, nicht ohne mir vernichtende Blicke zuzuwerfen. Ich dachte sogar, den Ruf: „Grinch“, zu hören, dies mag jedoch meiner Einbildung entsprungen sein. Möglicherweise hatte der Kerl nur Klinsch gesagt, wer weiß?

Um zu meiner momentanen erschöpfenden Lage zurückzukehren: Ich befand mich im Keller meines Hauses auf der Suche nach einem Schälchen Zimt, dass sich vor mir versteckte, als es wieder an der Tür läutete. Ich stapfte nach oben, ohne den Zimt gefunden zu haben, und sah mich Auge in Auge mit der Dame vom Tierheim gegenüber. Ob ich nicht spenden wolle, fragte sie mich. Ich brachte es nicht über mich, abzulehnen, achtete jedoch darauf, keine Zeugen zu haben. Was würden meine Nachbarn für Ideen bekommen, sähen sie mich für Tiere spenden? Nicht auszudenken, wie viele andere Organisationen dann meine Türe in Beschlag nehmen würden. Ich fürchtete mich, bankrott zu gehen, konnte ich doch Geld für einen guten Zweck nicht verweigern. Auch nicht, oder vor allem nicht, zu Weihnachten.

Auf dem Weg zum Speicher warf ich einen Blick aus dem Fenster und beobachtete, hinter den Vorhängen verborgen, wie meine Nachbarn sich einen Wettstreit lieferten. Sieger war derjenige, dessen Weihnachtsbeleuchtung die Leuchtkraft eines Kernreaktors erreichte. Kopfschüttelnd setzte ich meinen Weg fort. Der Geruch von Vanille und Nelken durchdrang mittlerweile das Haus.

Als ich gerade meinen Fuß auf die erste Stufe der Leiter zum Speicher setzte, ertönte die Klingel erneut. Ich rollte die Augen, ein Gefühl von Erschöpfung überkam mich, und ich wünschte mich für einen Moment auf einen einsamen Berg inmitten eines Schneesturms. Es läutete ein zweites Mal und ich eilte hastig zur Tür. Nichts störte mich mehr, als der Ton der vermaledeiten Glocke, die ich längst hätte austauschen sollen. Zu meiner Überraschung wurden mir direkt beim Öffnen zwei Bleche mit Keksen unter die Nase gehalten. Obwohl sie himmlisch dufteten, hielt ich mich mit einer Kostprobe zurück. Ich wurde ersucht, als Richter beim lokalen Keksbackwettbewerb zu fungieren, eine Ehre, die ich nicht abzulehnen vermochte, war ich doch insgeheim ein absoluter Liebhaber sämtlichen Weihnachtsgebäcks. Mit Ausnahme von Rosinen. Um diese eingetrockneten Imitationen von Trauben machte ich stets einen großen Bogen. Meine Nachbarn schienen diese Einstellung zu teilen, denn ich geriet nicht ein Mal in die unangenehme Lage, auf eine dieser verschrumpelten Früchte zu beißen. Die Wertung fiel mir schwerer, als gedacht, und ich ging einige Minuten in mich. Schlussendlich waren die hausgemachten und butterweichen Spekulatius der eindeutige Sieger und ich wurde mit einer Unmenge an Plastikbehältern voller Kekse beschenkt, die ich selbstverständlich dankend annahm.

Auch wenn die ewige Wettbewerbsbereitschaft meiner Nachbarn mehr als nur leicht nervtötend war, so muss ich gestehen, dass sich das Resultat als durchaus positiv erwiesen hatte. Wenn nun noch das Bedürfnis, unsere Straße in eine Schneekugel zu verwandeln, passend mit Lichterketten und Santa Claus Schlitten vor jedem zweiten Haus, auf irgendeine Art gedämpfte werden könnte, ich würde Weihnachten beinahe freudig entgegengehen.

Trotz aller Mühe, mich dieses Jahr nicht vom Weihnachtsstrudel einsaugen zu lassen, wurde ich doch von ihm ergriffen. Der 24. Dezember verlief so friedvoll wie jeder andere zuvor. Am Ende grüßte man sich an den Türen, brachte kleine, liebevoll, wenn auch nicht immer ästhetisch ansprechende Geschenke zu den Nachbarn, die gestern noch auf Lärmbelästigung durch Beschallung von Weihnachtsliedern in Dauerschleife bestanden hatten. Auch die wenigen Lichter, die die Garage schmückten, wurden eingeschaltet.

Der Stress der richtigen Beleuchtung, das andauernde Keksebacken, das von Schmuck überladene Haus. Am Ende zählte nichts davon. Im Gegenteil. Sollten meine Nachbarn in ihren kindischen Streitereien um den schönsten Vorgarten schwelgen. Ich saß in einem Ohrensessel, eines meiner neuen Bücher auf dem Schoß und eine Tasse heiße Schokolade in meiner Hand und sah meinen Christbaum an. Dieses Jahr hatte ich mich selbst übertroffen. Rot und Gold zierte die Nadeln, echte Kerzen anstelle der schrill blinkenden Lichterketten, Girlanden, die im Licht glitzerten, und einwickelte Süßigkeiten, von denen ich mir eine im Vorbeigehen gepflückt hatte. Die Kekse, die die Nachbarn in ihrer Backwut zur Verkostung vorbeigebracht hatten, waren hübsch in einer Schale angerichtet und dienten als Mahlzeit für zwischendurch. Auch wenn ich den Rummel um den besten Weihnachtsbäcker nie verstehen werde, so muss ich zugeben, dass jedem meiner Nachbarn die Kekse äußerst gut gelungen waren. Zarte Schokolade zerschmolz in meinem Mund, edles Marzipan zerging auf meiner Zunge, selbst die Nüsse knackten noch, als ich in die Mandelkekse biss. Es war ein Traum an Weihnachtsgebäck, der auf meinem Tisch auf mich wartete.

Ich vertiefte mich wieder in mein Buch. Im Hintergrund lief Stille Nacht im Radio. Draußen, vor dem Fenster, fielen die ersten Schneeflocken. Ich sah hinaus, in meine mit Rentieren bestickte Decke gehüllt, und fühlte die Wärme in mir aufsteigen.

Vielleicht, überlegte ich, hatten meine Nachbarn vergessen, wie schön stille Weihnachten sein können.

Jasmin Fürbach BA: 22 Jahre aus Wien. Seit 2015 Studentin an der Universität Wien: Bachelorstudium für English & American Studies, Masterstudium für Deutsche Philologie; Liebe für alles Phantastische, Krimis, Horror und das Schreiben insgesamt.

Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 13

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