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Besuch in Bethlehem

Samuel, der Besucher im Stall von Bethlehem, schüttelt sich den Staub aus dem Fell. „Pass doch auf!“, schimpfen und husten die Spinnen und die Ameisen. „Du kommst einmal im Jahr zu uns, nur um deinen Wüstenstaub über uns zu schütten, mach das gefälligst vor der Tür!“

„Oh, entschuldigt, ich hatte ganz vergessen, was mir die Sonnenstrahlen erzählt haben, hier soll ordentlich viel los gewesen sein. Ist das wahr?“

Ismael, Samuels Cousin, erzählt:

„Weißt du, das war so: Die Himmelsschlüssel, diese blauen Blumen dort, die sind mit den Engeln befreundet. Von denen erfuhren wir, dass hier in unserem Stall ein Wunder geschehen wird. Hier sollte ein großer König geboren werden. Und wir wollten dazu beitragen, dass alles schön gemütlich und sauber ist. Die Sonnenstrahlen leuchteten in jedes Eck hinein, sodass die Ameisen wirklich jedes Flöckchen Staub finden und hinausbefördern konnten. Die Spinnen versprachen, wenn das Kind da ist, sofort ihre Netze aufzufressen, dass es sich nicht erschrickt. Abends fielen wir alle in einen tiefen Schlaf. Am nächsten Tag hatte der Bauer hier viel zu tun. Er tauschte eine Menge kaputter Holzlatten aus und reparierte sogar das Fenster. Unser Opa stand wie immer an seinem Futtertrog. Er schaute lieber zu, anstatt sich irgendwie an der Arbeit zu beteiligen. Er begnügte sich damit, Gelegenheiten zu suchen, um vor sich hin zu granteln, wenn ihm irgendetwas nicht passte. Doch ab und zu holte ihn der Bauer ab, um den Karren mit Gemüse, Käse oder Wolle in die Stadt zu ziehen. Darüber freute er sich jedes Mal, denn meistens gab es auch Kinder zu tragen. Mit dieser leichten Last auf dem Rücken konnte er richtig gemütlich vor sich hin traben, wie es ihm gefiel. Wenn er dabei trotz seines hohen Alters übermütig wurde, plötzlich mit den Hufen ausschlug oder losgaloppierte, dann hatten die Kleinen und er ihre helle Freude. So auch jetzt, nachdem die Arbeiten im Stall erledigt waren. Auf dem Weg in die Stadt leistete ihm der Ochse vom Nachbarhof Gesellschaft. Unterwegs fraßen sie gemeinsam frisches Gras und tauschten Neuigkeiten aus. Hierbei erfuhr unser Opa, dass wir einen Besucher haben werden: Der Ochse wird eine Weile mit ihm an der Futterkrippe stehen. Na, das war immerhin eine Nachricht! Ganz anders als die von diesem König, so Opas Aussage. Bald erschien ein fremder Mann, der einen Esel führte, auf dem eine schwangere Frau saß.

„Damit fing alles an“, plappert eine Spinne voller Ungeduld los. „Jetzt brach nämlich die Hölle aus und alles drehte sich nur noch um diese Frau und ihr Kind. Der Bauer mit seiner Familie und eine weitere Frau waren die ersten Besucher, die kamen. Haben die eine Unruhe verbreitet! Die Kinder des Bauern rannten hier herum, die zweite Futterkrippe wurde hervorgeholt. Stell dir vor, da konnten wir über Generationen ungestört unsere Netze bauen, auf einmal war alles weg! Stattdessen wurde ganz frisches Stroh hineingelegt. Vor dem Stall wurde Holz angezündet. Dazwischen schrie das kleinste Kind. Und das alles war erst der Anfang, es kamen immer mehr Menschen dazu. Und du weißt ja selbst, wo die in Massen auftreten, ist es laut und Tiere sind im Weg. Besonders wir Spinnen und Ameisen müssen immer wieder aufpassen, dass wir nicht zertrampelt werden. Und nachdem das Kind geboren war, kamen so viele Besucher, das kannst du dir gar nicht vorstellen. Sehr, sehr oft tauchten schon bei Sonnenaufgang irgendwelche Fremde auf, um vor der Frau mit ihrem Kind niederzuknien und ihr Geschenke zu bringen. Die Letzten gingen nach Sonnenuntergang. Wir hatten überhaupt keine Ruhe mehr. Es muss wirklich ein ganz außergewöhnliches Kind sein, das da geboren wurde.“

„Und wie ging es danach weiter?“, fragt Samuel.

Ismael beginnt wieder: „In der Nacht, nachdem das Kind geboren wurde, ich hatte schon fest geschlafen, sind mir die Spinnen und die Ameisen über das Gesicht und den Hals gekrabbelt. Meistens machen sie das nur aus Versehen und lassen sich leicht abschütteln, diesmal waren sie sehr hartnäckig. Gleichzeitig lag auf meinen Augenlidern ein enormer Druck. Als ich endlich blinzeln konnte, machte ich direkt vor dem Stall eine gleißend helle Lichtquelle aus. Hinter mir ertönte ein gedämpftes, tiefes Iaaa. Ich drehte mich um. Auch Großvater hatte wohl so etwas noch nicht erlebt: Er stand neben seinem heiß geliebten Futtertrog, und starrte gerade aus vor den Stall. Jetzt konnte ich auch erkennen, was er sah: Vor der Familie standen Zweibeiner, die aussahen wie Menschen, sie waren nur größer und trugen Flügel. Sie strahlten eine eigenartige Helligkeit aus. Zahllose kleinere geflügelte Wesen, die genauso aussahen, durchkreuzten fliegend und singend die Umgebung. Einige bliesen in lange silberne Rohre, aus denen wunderschöne Musik kam. Andere trugen runde Töpfe, um mit kurzen Holzstielen darauf herumschlagen. Die riesige Figur direkt vor der Frau war die einzige, die das Maul auf und zu klappte. Sie hat ganz bestimmt etwas sehr Schönes gesagt. Die Wöchnerin sah ganz aufmerksam zu ihr hin. Wir hatten Angst und waren gebannt von diesem wunderbaren, seltsamen Schauspiel. Wir drängten uns in einer Ecke hinten im Stall ganz eng zusammen. Eine Spinne hatte einen Krampf im rechten vorderen Bein, weil sie unbequem stand. So unauffällig wie irgendwie möglich humpelte sie zur Seite, um sich vorsichtig zu strecken. Nach einer Weile wurde das Licht schwächer, die Menschen und die geflügelten Wesen zogen sich zurück. Links und rechts neben dem Stall blieben zwei Menschenfiguren mit Flügeln stehen, ihr Licht glimmte gerade noch wie das von Glühwürmchen. Die Musik klang leise im Hintergrund weiter. Wir standen noch lange beisammen, um über dieses seltsame Schauspiel zu reden, so unauffällig wie möglich.“

Die Tiere kauen versonnen auf ihrem Heu herum. Schließlich bricht Samuel das Schweigen. „Und was ist mit Opa? Wieso ist der nicht hier?“

Jetzt wird Ismael wütend, er lässt sein lautestes Iaaa hören und galoppiert über die Wiese, bis er sich beruhigt hat. Dann trottet er mit hängenden Ohren und eingezogenem Schwanz zurück in den Stall. „Es schmerzt mich immer wieder“, knurrt er vor sich hin, „dass ich zusehen musste, wie Opa litt und ihm nicht helfen konnte.“

Er macht eine Pause, nimmt einige Atemzüge und redet dann leise weiter. „Es kamen wirklich noch viele fremde Menschen hierher. Die hatten alle Geschenke dabei und knieten vor der Frau und dem Kind nieder. Eines Tages kam ein ganzer Trupp vornehm gekleideter Männer und Frauen auf Kamelen geritten. Es gab ein Gespräch, das die ganze Familie in großen Aufruhr versetzte. Weil die Menschen Schwierigkeiten hatten, mussten wir einen weiten Weg gehen, der unserem Opa zu viel wurde, und das ist das, was mich so wütend macht.“

„Er musste die Menschen tragen?“

„Der fremde Esel und ich, wir beide bekamen Kisten mit den Geschenken aufgeladen, die die vielen Besucher mitgebracht hatten, und Opa musste die Frau und das Kind tragen. Nach zwei Tagen konnte er einfach nicht mehr. Wisst ihr, was die mit ihm gemacht haben? Die ließen ihn einfach zurück! Ich musste noch lange weiterlaufen, meinen Opa habe ich nicht mehr gesehen.“

Traurig und mit hängenden Köpfen stehen die Esel um die Futterkrippe herum und fressen ihr Heu.


Christel Heil wurde in Kaiserslautern geboren und wohnte bis 1977 in einer Gemeinde im Landkreis Kaiserslautern. In ihrem 16. Lebensjahr wurde ihre erste Kurzgeschichte veröffentlicht. Nach einer langen Pause begann sie 2011 wieder, zu schreiben und in kleinerem Kreis vorzulesen. In verschiedenen Anthologien wurden einige Kurzgeschichten veröffentlicht, so auch 2014 in der Apfelanthologie. Ein weiteres wichtiges Hobby ist Querflöte spielen.

Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 13

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