Читать книгу Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 13 - Martina Meier - Страница 8

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Weihnachten wie immer – und doch ganz anders

So wie alle Jahre. Das war für Tina das Wichtigste. Weihnachten sollte alle Jahre möglichst gleich verlaufen. Der Christbaum sollte immer am selben Platz stehen und sie freute sich jedes Jahr wieder, die schönen Weihnachtskugeln und den anderen glitzernden Schmuck darauf wiederzuerkennen. Es gab an jedem Heiligen Abend das gleiche Essen: gebackenen Fisch mit Kartoffelsalat. Den Fisch mochte Tina zwar nicht so gerne, aber er gehörte auch zum alljährlichen Ritual und deswegen aß sie ihn an diesem ganz besonderen Abend mit Freude und mit Appetit. Und alle Jahre wieder sangen sie die altvertrauten Lieder unter dem Weihnachtsbaum, so wie immer. Nur die Geschenke, die sollten natürlich nicht jedes Jahr gleich sein – das wäre ja langweilig! Tina hatte sehr viele Spielsachen. Ihr ganzes Zimmer war voll mit allen nur möglichen Sachen. Und eigentlich wusste sie gar nicht so recht, was sie sich dieses Jahr vom Christkind wünschen sollte ...

Daher war sie in der Vorweihnachtszeit mit ihrer Mama unterwegs in die Stadt, um sich in den Geschäften umzusehen und vielleicht etwas zu finden, das sie noch nicht hatte und sie sich wünschen konnte. Sie gingen zu einem riesengroßen Einkaufszentrum. Noch vor dem Eingang begrüßte sie ein verkleideter Weihnachtsmann mit eindeutig aufgeklebtem Bart und verteilte Zuckerln an die Kinder. Dabei sagte er immer wieder: „Ho ho ho!!“, und bimmelte mit einer Glocke, die er in der Hand hatte. Tina hätte nur zu gerne an dem falschen Bart gezogen, um sicherzugehen, dass er aufgeklebt war, aber sie wusste, dass man das nicht tat, und eigentlich traute sie sich auch gar nicht. Also nahm sie brav ihr Zuckerl, sagte: „Danke“, und dachte sich dabei: „Ich weiß, dass du nicht echt bist, denn zu uns kommt das Christkind und an den Weihnachtsmann glaub ich nicht.“

Endlich erreichten sie die Eingangstüre. Es war so eine Glastür, die sich im Kreis drehte, und es dauerte ein wenig, bis sie endlich drinnen waren, denn Tina konnte einfach nicht widerstehen, ein paar Runden damit im Kreis zu laufen.

Als sie ins Innere traten, musste Tina fast ein wenig die Augen zusammenkneifen, so sehr blendeten sie die vielen bunten und blinkenden Lichter. Alles war so wunderbar geschmückt und es duftete nach Lebkuchen, Punsch und auch ziemlich stark nach Parfum, da gleich nebenan eine sehr geschminkte Dame jeder vorbeigehenden Frau – ob diese wollte oder nicht – Parfum aufsprühte, da man diesen wunderbaren Duft nur an diesem Tag besonders billig kaufen konnte. Überhaupt herrschte in diesem Einkaufszentrum eine rege Betriebsamkeit, um nicht zu sagen – Hektik. Im Hintergrund hörte man kaum die stimmungsvolle Weihnachtsmusik und irgendwie wollte diese auch gar nicht so richtig zu den hastenden Menschen mit den riesengroßen übervollen Einkaufstaschen passen. Tinas Mama wurde von der Parfum versprühenden stark geschminkten Dame in ein Gespräch verwickelt und so hatte Tina Zeit, sich genau umzusehen.

Sie setzte sich in Sichtweite ihrer Mama auf eine kleine Bank. Dort saß schon jemand, und zwar ein kleiner Junge, circa in Tinas Alter. Tina sah den Jungen unauffällig von der Seite an. Sie bemerkte, dass er nicht sehr warm angezogen war und auch seine Turnschuhe waren für den Schneefall und die eisige Kälte draußen viel zu dünn. Er hatte keine Handschuhe an und seine Hände steckten fest in den Jackentaschen. Die Ohren und seine Nase waren ganz rot, da sie in der Wärme des Einkaufszentrums gerade auftauten. So wie auch Tina sah er sich im Einkaufszentrum die schöne Beleuchtung, die Auslagen und die umher eilenden Menschen an. Tina blickte sich zu ihrer Mutter um. Diese war inzwischen bei einem Schmuckstand angekommen und probierte verschiedene Ohrringe an, das hieß, sie war noch für einige Zeit beschäftigt.

Der Junge auf der Bank neben ihr machte Tina neugierig und sie beschloss, ihre Schüchternheit zu überwinden und ihn anzusprechen. „Hallo“, sagte sie, „ich heiße Tina. Bist du auch mit deinen Eltern da, um Weihnachtsgeschenke auszusuchen?“

Der kleine Bub sah sie aus großen dunklen traurigen Augen an. „Ich heiße Ronnie. Nein, ich bin hier, um mich aufzuwärmen“, sagte er und blickte wieder vor sich hin.“

„Was meinst du mit aufwärmen?“, fragte Tina verwirrt. „Warum wärmst du dich nicht zu Hause auf? Und du bist ganz alleine hier?“ „Bei mir zu Hause ist es nicht warm“, antwortete Ronnie und sah dabei auf seine viel zu dünnen und vom Schnee durchnässten Schuhe. „Wir haben kein Geld, um Holz für den Ofen zu kaufen. Und ja, ich bin alleine hier, meine Eltern sind beide arbeiten, damit wir wenigstens etwas zu essen kaufen können.“

„Wo wohnst du denn?“, fragte Tina, der der kleine Junge ganz schön leidtat.

Er deutete stumm auf ein Haus auf der anderen Straßenseite des Einkaufszentrums, das man durch die drehende Glastür erkennen konnte.

„Welches Spielzeug wünschst du dir vom Christkind?“, fragte Tina.

„Spielzeug?“, fragte der Junge, der Ronnie hieß. „Ich wünsche mir kein Spielzeug. Ich wünsche mir Holz für den Ofen, damit wir wieder heizen können, und, dass wir genug zu essen kaufen können. Und dass meine Eltern ein wenig Zeit für mich haben …“, fügte er noch leise hinzu.

Tina dachte über die Worte des Buben nach. Mitten in ihre Gedanken hinein hörte sie ihre Mutter rufen. „Tina, komm, wir gehen jetzt ins Spielzeuggeschäft und sehen mal, was du dir vom Christkind wünschen könntest!“ Fröhlich rauschte ihre Mutter heran, umgeben von einer intensiven Duftwolke. Die geschminkte Parfumdame hatte ganze Arbeit geleistet. An Mamas Ohren baumelten neue Ohrringe.

Spontan umarmte Tina ihre Mama und sagte leise: „Schön, dass wir Zeit miteinander verbringen, Mama!“ Zu dem Jungen sagte sie noch: „Tschüss und schöne Weihnachten“. Dann zog sie an Mamas Hand Richtung Spielzeuggeschäft.

Doch irgendwie konnte sich Tina nicht so richtig für all die Barbies, Legos, Puppenhäuser, Stofftiere, Playmobilfiguren und was es da alles sonst noch gab begeistern. Ihre Gedanken wanderten immer wieder zu Ronnie mit den traurigen Augen ...

Unverrichteter Dinge kam sie mit ihrer Mama nach Hause. Sie hatte nichts gefunden, das sie gerne in ihren Christkindbrief schreiben würde. Beim Betreten der Wohnung nahm sie erstmals die wohlige Wärme wahr, die sie schon an der Eingangstüre umfing. Wieder musste sie an Ronnie denken, der sich im Einkaufszentrum aufwärmen musste, weil es bei ihm zu Hause so kalt war.

Die Tage vergingen und Weihnachten rückte immer näher. Eines Morgens sagte Tinas Mama: „Tina, langsam solltest du deinen Christkindbrief schreiben. Schließlich muss das Christkind doch noch alle Briefe einsammeln und dann alle Wünsche der Kinder besorgen … Dazu braucht es auch ein wenig Zeit. Also, wenn du endlich weißt, was du dir wünscht, dann schreib doch bitte deinen Brief!“

Tina dachte lange nach. Sie hatte doch eigentlich alles. Sicherlich konnte man anstatt zehn Barbies auch elf haben und ein neues Spiel für den Nintendo wäre auch nicht schlecht … Aber war das wirklich notwendig? Brauchte man diese Dinge, um glücklich zu sein? Sie konnte sich doch wirklich glücklich schätzen, dass sie ein warmes, schönes Zuhause und immer genug zu essen hatte.

Es dauerte noch ein paar Tage und viele Überlegungen, dann – auf einmal – wusste Tina ganz genau, was sie sich wünschen würde. Schnell lief sie zu ihrer Mama und strahlte sie an. „Mama, Mama! Ich weiß jetzt, was ich mir wünsche! Du kannst dich doch an Ronnie erinnern, den ich im Einkaufszentrum kennengelernt habe!“

Mama nickte und hörte weiter ihrer aufgeregten Tochter zu.

„Ich wünsche mir“, sprach Tina weiter, „dass Ronnie ein warmes Zuhause und ein schönes Weihnachtsfest hat!“

„Das ist ein toller Wunsch“, strahlte Tinas Mama. „Aber wie sollen wir das machen?“

„Ich weiß, ich weiß, ich weiß!“, rief Tina aufgeregt. Und dann schrieb sie gemeinsam mit ihrer Mama einen langen Brief an das Christkind ...

Endlich war es so weit: Der Heilige Abend war da. Und es war alles so wie immer: Der Christbaum stand da, wo er immer stand, und Tina bewunderte den schönen Schmuck, den sie doch so gut kannte. Sie sang mit ihrer Familie die schönen Weihnachtslieder und aß brav den gebackenen Fisch, obwohl er ihr gar nicht so besonders schmeckte. Also war alles so wie immer.

Oder doch nicht ganz ...

Tatsächlich hatte sie dieses Jahr nur zwei kleine Päckchen vom Christkind bekommen, aber das machte Tina gar nichts aus, denn dieses Jahr hatte sie sich nichts für sich selbst gewünscht.

Für Ronnie war der Heilige Abend auch etwas ganz Besonderes, da seine Eltern an diesem Tag nicht zur Arbeit mussten und daher Zeit für ihn hatten. In dicke Jacken gehüllt, saßen sie beim Esstisch um eine leuchtende Kerze und beteten und sagen Weihnachtslieder. Es gab keinen Christbaum und keine Geschenke, dafür hatten sie leider kein Geld.

Auf einmal klopfte es an der Tür und Ronnie meinte, auch ein zartes Glockengeläute gehört zu haben. Neugierig ging er hinaus und überlegte, wer an Heiligabend denn um diese Zeit noch vorbeikommen könnte. Dann öffnete er die Tür und vor lauter Staunen und Überraschung riss er seine Augen und den Mund ganz weit auf. Er traute seinen Augen kaum.

„Mama, Papa, kommt schnell. Das müsst ihr euch ansehen! Das Christkind war da!“

Und tatsächlich: Vor der Wohnungstüre türmten sich weihnachtlich verpackte Geschenke und ein Korb voller Leckereien sowie ein kleiner Christbaum mit bunten Lichtern und nicht zuletzt eine riesengroße Kiste mit Holz für den Ofen. Sprachlos und mit Tränen der Freude in den Augen starrten Ronnie und seine Eltern die Weihnachtsbescherung an, dann begannen sie, die Sachen ins Wohnzimmer zu bringen.

Als Erstes heizten sie ein und als sich im Zimmer wohlige Wärme auszubreiten begann, setzten sie sich um den kleinen Weihnachtsbaum und machten sie sich daran, die Geschenke auszupacken. Da waren dicke Winterstiefel, Haube, Schal und warme Handschuhe für Ronnie sowie eine Eisenbahn, die von selbst im Kreis fuhr, und ein Teddybär. Für Mama und Papa gab es Wein und Schinken und viele andere Leckereien.

Sie konnten ihr Glück kaum fassen. Es war das schönste Weihnachtsfest, das sie je erlebt hatten. An einem der Pakete klebte ein Kuvert mit einem Brief darin. Da stand geschrieben:

Lieber Ronnie!

Es gibt ein Kind, das auf seine eigenen Weihnachtswünsche verzichtet hat, um dir ein schönes Fest zu ermöglichen.

Hoffentlich freust du dich darüber!

Dein Christkind

Auch für Tina war es ein wunderschönes Weihnachtsfest und sie hoffte ganz stark, dass das Christkind ihren einzigen Wunsch, nämlich den, dass es für Ronnie und seine Familie ein schönes Weihnachtsfest werden würde, auch erfüllt hatte.

Als sie glücklich und zufrieden zu Bett ging, sagte sie zu ihrer Mama: „Weißt du, Mama, es ist schön, wenn man nicht immer nur an sich selbst denkt, sondern jemand anderem auch eine Freude machen kann. Glaubst du, hat das Christkind meinen Wunsch erfüllt?“

Mama lächelte geheimnisvoll und strich Tina zärtlich übers Haar. „Da bin ich mir ganz sicher, mein Engel. Und ich bin sehr, sehr stolz auch dich!“

So war es ein Weihnachten wie immer – und irgendwie doch ganz anders.

Karin Sinai, 55 Jahre alt. Sie lebt mit ihrem Mann und dem jüngsten Sohn in Mistelbach in Niederösterreich/Weinviertel. Insgesamt hat sie drei Kinder, zwei Stiefkinder und zwei Enkelkinder.

Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 13

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