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Die Versammlung der Osterhasen

A

Heute.

Nicht irgendwo, sondern in unserer Nähe! Das gibt es! Kein Zweifel! Wir Menschen wissen ja alle gar nicht so richtig, was es auf der Welt gibt. Vieles bekommen wir eh nicht mit, weil die Wahrnehmungsfähigkeit eines Menschen eingeschränkt ist. Auf die Intelligenz eines Menschen sollte man sich auch nichts einbilden.

Jeder Einzelne lebt innerhalb von Grenzen, die selten oder gar nicht überschritten werden können. Er huldigt gern der Vorstellung von seiner Freiheit, aber oft bleibt es nur eine Vorstellung!

B

Vorabend des Karfreitag. Ostern stand vor der Tür! Das war die ureigenste Zeit für die Osterhasen in Deutschland. Sie versammelten sich alle hier, vor Ort!

„Nichts ist unmöglich, es kommt auch immer wieder dazu!“, riefen einige von ihnen. Sie hatten Schlappohren und hoppelten über das niedrige Gras, was vor Tagen noch gemäht worden war. Dies hier war ein öffentliches Gelände – bestens geeignet für Versammlungen. Beauftragte Menschen, normale Bürger, waren für die Pflege des Geländes zuständig. Sie waren zuverlässig. Ihnen konnten die Osterhasen jederzeit vertrauen – dafür wurden diese Bürger allerdings auch gut bezahlt. Eine begehrte Berufstätigkeit … in der Welt der Menschen zählte das Geld noch am meisten.

Darauf hatten sich die Osterhasen eingestellt. Eben dies war für sie am wichtigsten: sich auf die Menschen, ihre Bedeutung für die Welt, ständig neu einzustellen. Das geschah für die Augen und Ohren der meisten Menschen jedoch unauffällig – fast unsichtbar. Wenn es gesehen und gehört wurde, so wurde es nicht erkannt, zumindest falsch interpretiert. Die Menschen waren begrenzt!

C

Heute Abend hatten sich alle Osterhasen auf diesem wunderschön weitläufigen Wiesenplateau versammelt. Das Wetter war regnerisch. Es war aber nicht besonders kühl. Man würde sich wohlfühlen können. An zwei Imbissständen, die am Rande des Plateaus standen, konnte sich stärken, wer es wollte. Die Häuser der Bürger waren eher weit entfernt. Man sah hier nur ganz selten einmal einen Bürger spazieren. Der Coronavirus, das große Menschheitsproblem seit dem letzten Jahr, war allerdings nicht mehr ganz so präsent unter den Menschen.

Die Bürger hatten sich vom Plateau und den unmittelbar angrenzenden Flächen ringsherum schon vor Jahren verabschiedet, sodass sich die Osterhasen an den Osterfeiertagen frei fühlten, um zu tun, was unbedingt zu tun war. Sie trugen viel Verantwortung. Sie waren des Denkens fähig – und ihr Handeln war ohne innere Hemmungen. Denn sie wussten ja genau, warum sie hier waren und wo die erreichbaren Ziele lagen! Um es einmal abstrakt zu formulieren.

In der Tat, es ging um die Eier. Immer ging es um sie – für die Menschen in rauen Mengen. Die Eier hatte jeder der versammelten Osterhasen dabei. Die Körbe waren voll mit Eiern jeder Couleur. Viele waren gar kunstvoll bemalt worden. Einige trugen bunte Aufkleber mit Symbolen und Logos. Es war schön anzusehen. Die Osterhasen waren auf diese Eier sehr stolz, unterhielten sich angeregt über das Thema Verteilung und Verstecken der Ostereier im Rahmen der Osterfeiertage in Deutschland und Europa!. Jeder dieser besonderen Tiere, da allein für diese Feiertage ausgebildet und berufen, wusste viel zu diesem Thema, hatte alles dazu völlig verinnerlicht und sprach stets aus vollster Überzeugung. Es herrschte freie Meinungsäußerung.

Menschen waren Menschen. Osterhasen waren Osterhasen. Jede Art war für sich selbst interessant und wichtig, es gab zwischen ihnen aber offensichtliche Unterschiede.

Menschen bauten Häuser, arbeiteten meistens, hatten Familien und all das. Sie begründeten Staaten und Gesellschaftsordnungen. Die Osterhasen-Deutschgemeinde, wie sie sich nannte, war extrem eigen. Wenn sich die Osterhasen einmal im Kalenderjahr trafen, zielten ihre Gespräche nie auf die Lebensbedingungen zuhause ab, nein, es ging um die Eier!

Es war bemerkenswert: Jeder der anwesenden Osterhasen hatte auch dieses Jahr seine eigenen Ostereier für die Versteckaktionen in den Waldgebieten, auf den Privatgeländen und in den Wohnungen der Bürger mitgebracht. Sie sollten dieses Jahr eher unbefangen die Ostereier suchen, ihre … wichtigen, bunten, tollen!

Aus vollem Herzen riefen nun viele von den Versammelten: „Hurra, die Osterhasen sind da!“ Und alle applaudierten. Jetzt war auch für dieses Jahr der Anfang gemacht!

D

Menschen können den Osterhasen eigentlich nicht gut helfen.

Aber brauchen sie überhaupt von irgendwem Hilfe?

Die Lebens-Aufgabenstellung, die sie haben, ist unzweifelhaft klar: Ostereier verstecken, damit sie von Menschen gesucht und gefunden werden. Sobald die Osterhasen auf ihrer jährlichen Versammlung auf diese Aufgabenstellung eingestimmt worden sind, dann geht es auch schon los. Sie sind voller Vorfreude – schwärmen in alle Himmelsrichtungen aus. Die Begeisterung ist groß! In ihren Gesichtern steht sie geschrieben.

Zu dieser Lebens-Aufgabenstellung: Alle bekannten und pflichtbewussten Osterhasen sind bestrebt, jeder für sich in einer großen Eigenverantwortung, die Ostereier so gut zu verstecken, dass sie die Menschen, insbesondere die Kinder in den Familien, finden können, jedoch nicht finden müssen! Das ist tatsächlich nicht so ganz einfach. Manch Kind hat damit so seine Probleme. Es ist dafür meist viel Ausdauer erforderlich. Für die Kinder ist die Suche nach den Ostereiern immer wieder eine Herausforderung, wenn auch eine freudvolle Herausforderung.

Also die Osterhasen schwärmen aus, verstecken ihre Eier, und dann können sie zügig zum nächsten Haus weiterziehen. Erstaunlich ist, dass dies von den Menschen kaum beachtet wird – es geschieht im Zwischenraum von Aufmerksamkeit und Nicht-Aufmerksamkeit. Wie sonst könnte das Verstecken der Ostereier möglich sein?

Würden die Menschen die wahrhaft aktiven Osterhasen nicht einfach … nun ja: fangen und einsperren!? Das wäre zumindest zu befürchten. Sie schlachten und verspeisen gerne Tiere.

Deshalb hat einer, den wir von da oben kennen, dafür Sorge getragen, dass die Osterhasen sind wie sie sind. Wir nennen ihn Gott, aber nur ein Teil der Menschheit anerkennt ihn als Wesen, welches über allen Menschen und Tieren ist – und auf sie gestaltend Einfluss nehmen kann, wenn er es will.

Das alles hat Tradition in vielen Gesellschaften auf der Erde. Die Familien nehmen sie, besonders in Europa, sehr ernst. Dieser festen, schönen Tradition wird seit vielen Jahrzehnten gefolgt. Auch und gerade die Deutschen reichen sie von Generation zu Generation weiter, als gäbe es im Frühling eines jeden Jahres gar nichts Wichtigeres und Schöneres als so ein Ostereier-Suchen. Und diese Feiertage, an denen arbeitsfrei ist! Welcher Bürger hat nicht gerne auch mal frei? Die Stimmung ist dann irgendwo zwischen feierlich und fröhlich.

Die Osterhasen brauchen von niemandem Hilfe, außer von dem, der sie geschaffen hat …

Alle freuen sich auf das Osterfest!

Kay Ganahl: Jahrgang 1963 mit dem Lebensmittelpunkt Solingen/NRW, von Beruf Diplom-Sozialwissenschaftler und Schriftsteller, begann in jungen Jahren, sich mit Literatur, Politik und Philosophie auseinanderzusetzen, so dass es selbstverständlich war, diese Interessen mit dem Studium der Sozialwissenschaften an den Universitäten-Gesamthochschulen Wuppertal und Duisburg weiter zu verfolgen. Dort studierte er in der Studienrichtung Politische Wissenschaft schwerpunktmäßig politische Theorie und Philosophie, Ideengeschichte sowie Sozialphilosophie (Nebenfächer Soziale Arbeit/Erziehung und Psychologie).

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