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Don’t judge a book by its cover – oder über den chinesischen Wohnstil
ОглавлениеEines weiß ich: Lass dich nicht vom Eindruck der Außenanlagen täuschen. Außerhalb der eigenen Haustür gibt es keinen (vielleicht typisch deutschen) Sinn für Sauberkeit und Ästhetik. Außen ist außen, nicht privat, sondern allgemein. Und damit überlässt man die Dinge dem irdischen Weg des Verfalls. Es würde mich nicht wundern, wenn es kein chinesisches Wort für „Instandhaltung“ gäbe.
Die Gebäude sind äußerlich in einem für unsere Verhältnisse völlig heruntergekommenen Zustand. Es herrscht einfach eine andere Betrachtungsweise der Umwelt (an der vermutlich der Kommunismus nicht so unschuldig ist). Dinge sind dazu da, gebraucht zu werden, bis sie nicht mehr funktionieren. Dabei ist es nicht wichtig, wie sie aussehen beim Funktionieren, nur, dass sie funktionieren. Klebt die Tapete nicht mehr, wird sie per Paketklebeband angeklebt. Ebenso die Autositzbezüge oder die Plastikverkleidung von Mopeds. Und es stört sich niemand daran. Man legt einfach keinen Wert darauf und sucht sich die Schönheit und Sauberkeit in anderen Bereichen.
Shirleys Eltern besitzen drei Häuser, und doch würde ein Deutscher auf dem Weg von der Straße zur Wohnung denken, man sei in einer üblen Gegend gelandet. Das Trottoir kann von Schlaglöchern durchzogen sein, die Fassaden rostig und dreckig von der Luft, die Mülltonne stinkend und alte Möbel den Weg säumend. Wechselt man von den Straßenschuhen zu den Hausschuhen (vor der Wohnung, noch im betoncharmanten Treppenhaus), betritt man gepflegte, saubere und liebevoll dekorierte Wohnungen. Karg ist der Stil und praktisch ausgelegt. Aber vor allem sehr traditionell chinesisch. Die einzigen und dominanten Dekorationsgegenstände sind große Keramikfiguren, wahlweise Adler, Hähne oder Katzen. Und bunte Vasen mit Plastikblumen.
Die Wohnungen sind überraschend groß – alle geschätzt um die 100 bis 150 Quadratmeter. Und dadurch, dass nur wenig Möbel darin stehen, wirkt alles noch großzügiger.
Als wir ankommen, frage ich erst einmal nach dem „bathroom“, der Toilette. In dem mir gedeuteten Raum sehe ich allerdings keine Toilette, nur Waschbecken, Duschkopf und Duschablauf, gehe wieder heraus und frage Shirley, wo denn die Toilette sei. Die lacht nur und sagt: „Das ist die Toilette.“ Und zwar das, was ich für den Duschablauf gehalten habe. Ein Loch im Boden. (Das hat zwar gleichzeitig die Funktion des Duschablaufs, ist aber in erster Linie eine Toilette.)
Neben dem Loch eine Schöpfkelle und ein Eimer Wasser. Viel zu misstrauisch mache ich erst einmal einen Funktionstest mit Klopapier. Funktioniert einwandfrei. Und schon am nächsten Tag habe ich mich an diese neue Art von Klo gewöhnt.
Nur als die Verwandten da sind und einige Schnäpse getrunken haben, ist der Abort etwas unappetitlich, da vor allem die männlichen Verwandten nicht mehr so zielsicher sind … Na ja, aber die Klos der Lieblingsdisco in meiner deutschen Heimatstadt sind um 3 Uhr nachts auch nicht mehr so präsentabel.