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Der Geist von 1914

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Unmittelbar nach der Kriegserklärung Österreichs an Serbien erfasste beträchtliche Teile der Bevölkerung eine Kriegsbegeisterung und Euphorie, die als »Geist von 1914« zum Schlagwort wurde. Ein 16-jähriger Wiener Lehrling über Stimmen, die man bereits kurz nach dem Mord an Thronfolger Franz Ferdinand hören konnte: »Als der Mord in Sarajevo stattfand, war ich am WAC-Platz im Prater. Aber schon acht Tage später zog die Burgmusik unter Hoch- und ›Nieder mit Serbien!‹-Rufen unter den Klängen des Prinz-Eugen-Marsches in die Burg ein, alles war kriegsbegeistert.«6


Propaganda: Fröhliche Soldaten bei der Verlegung an die Front. Für viele ein schmerzlicher Abschied

Der Krieg wurde als reinigendes Gewitter, als Erlösung betrachtet, als hätten die Menschen ihn geradezu herbeigesehnt. Jeder wollte beim großen »Befreiungsschlag« dabei sein, die Massenhysterie wirkte ansteckend. Die Zeitungen und Bildkarten, die in enormer Zahl kursierten, zeigten die Rekruten, wie sie freudestrahlend an Bahnhöfen standen. Man war stolz, wenn man tauglich war, Untauglichkeit galt als Schande.

Dieses Bild stimmt nur zum Teil, dahinter steckte vor allem massive Propaganda. Denn es waren in erster Linie die traditionellen Eliten des alten Österreich, die einen Krieg als Mittel der Politik betrachteten. Massiv unterstützt wurden sie dabei vom bürgerlichakademischen Teil der Gesellschaft, der einen Aufbruch in eine neue, bessere Zeit ersehnte, aber auch von Journalisten und großen Teilen der österreichischen Kultur- und Wissenschaftsszene. Die meisten ließen sich von der Kriegsbegeisterung anstecken – letztlich instrumentalisieren – und stellten sich gern in den Dienst der Propaganda. Nur wenige Intellektuelle entzogen sich der Kriegspropaganda.

»... und fuhr mit seltsam beklommenem und doch gehobenem Gefühl einer mir neuen unbekannten Zukunft entgegen.«7

Generalstabsarzt August Richter über seinen Abschied

Auch die Sozialisten, die immer gedroht hatten, sich dem Krieg zu verweigern, entzogen 1914 ihre Unterstützung nicht. Die Bauern aber stimmten in die Kriegsbegeisterung der Städter nicht ein. Wer sollte die Ernte einfahren, wer den Hof führen, wenn alle Männer eingezogen würden? Vielleicht gab es sogar eine schweigende Mehrheit gegen den Krieg, die sich aber nicht artikulieren konnte. Unter den Slawen Österreichs herrschte von Anfang an eine skeptische Stimmung.

So erlebten wir den Ersten Weltkrieg

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