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Fatale Fehleinschätzung

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Abseits des massiven Säbelrasselns und der steten Drohung von Präventivkriegen der Vorkriegsjahre: Auf einen lang andauernden Krieg war keine Nation vorbereitet, weder militärisch noch politisch. Eine neue Art der Kriegsführung bahnte sich an. Bis 1914 war die gesamte Kriegsführung auf »Entscheidungsschlachten« hin ausgerichtet gewesen. Rasche Aufmärsche und überraschende Angriffe galten bis dahin als entscheidend. Innerhalb weniger Stunden wurde über Sieg oder Niederlage entschieden – dementsprechend wurden die Armeen ausgerüstet und ausgebildet. Auch alle Pläne zur Heeresversorgung gingen von einem kurzen Krieg aus – dass die Soldaten spätestens zu Weihnachten wieder zuhause sein würden, schien den meisten Staaten selbstverständlich.

Doch es kam alles ganz anders: Bereits zu Beginn des Krieges trat eine militärische Pattsituation ein – konnte man vorher in Kriegen vorstürmen, zurück- oder ausweichen, so grub man sich jetzt ein, es gab kaum ein Vorwärts. Mit Schützengräben, die einen Stellungskrieg erzwangen, und starren Fronten, die den Krieg in die Länge zogen, hatte niemand gerechnet. Der Erste Weltkrieg wurde zu einem Massen- und Abnutzungskrieg. Nur Großbritannien und später die USA hatten auf lange Sicht geplant.


Propagandakarte mit Scheinwerfer: Die modernen Waffen wurden vor dem Krieg stolz präsentiert

Der größte Unterschied zu allen vorherigen Kriegen: Nun war es immer mehr die Feuerkraft der Maschinengewehre und Kanonen und nicht die Tapferkeit der Soldaten, die den Krieg entschied. Nur der ununterbrochene Nachschub an Rüstungsgütern und Soldaten ermöglichte es den Heeren, ihre Stellung zu halten. Kein noch so brillanter militärischer Schachzug konnte das Verbrennen an Menschenmaterial und Munition beeinflussen. Die Vernichtungskapazität erreichte eine Dimension, die vorher unvorstellbar schien. So grausam es klingen mag, am Ende zählte nur eines: Wer hatte den größeren Nachschub an Waffen und Menschen? Was nun zählte, waren die Leistungsfähigkeit der Industrie und das wirtschaftliche Durchhaltevermögen der kriegsteilnehmenden Staaten.

Keine der Vorkriegsannahmen auf beiden Seiten der Fronten traf ein – alle Modelle erwiesen sich als falsch. Über Jahre hatten die Generalstäbe die immer gleichen Pläne gewälzt, nun kam alles ganz anders: Deutschland konnte Frankreich nicht im ersten Anlauf einnehmen. Russland konnte wider Erwarten die von den Gegnern befürchtete Stärke voll ausspielen. Außerdem gab es sowohl bei den Mittelmächten als auch bei der Entente weder ein gemeinsames Oberkommando noch einen einheitlichen Kriegsplan.

Österreich-Ungarn hatte noch ein zusätzliches Problem: Die Monarchie verfügte über zu wenig ausgebildete Soldaten. Zwischen 1889 und 1912 hatte (trotz jahrelanger heftiger politischer Agitationen während der Vorkriegszeit) keine Erhöhung des Rekrutenkontingents stattgefunden. Ausgehoben wurden auch jeweils nur geringe Teile der Jahrgänge (meist weniger als 50 Prozent) – es hatten schlicht die finanziellen Mittel für mehr Soldaten gefehlt. Zum Vergleich: Österreich-Ungarns Kriegsgegner Frankreich stellte bei einer geringeren Bevölkerung mehr Divisionen.

Infolge zu geringer Geldmittel in früheren Jahren hatte die k. u. k. Armee auch keine ausreichende Reserve an Waffen und Munition. Maßnahmen hinsichtlich Produktion und Bereitstellung von Waffen, Gerät, Munition waren ebenfalls nur für eine kurze Kriegsdauer getroffen worden. Es wurde extrem kurzsichtig agiert: Mannschaften und Pferde wurden zu Kriegsbeginn ohne Rücksicht in Schlachten geworfen und verheizt. Auch mit den Lebensmitteln und sonstigen Vorräten glaubte man nicht sparen zu müssen. Das sollte sich später bitter rächen.

So erlebten wir den Ersten Weltkrieg

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