Читать книгу So erlebten wir den Ersten Weltkrieg - Martina Winkelhofer - Страница 9
Sarajevo
ОглавлениеDer Funke, der den Ersten Weltkrieg entzündete und damit einen Flächenbrand bisher ungeahnten Ausmaßes auslöste, entsprang am Balkan. Der österreichische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand reiste Ende Juni 1914 zu Manövern nach Bosnien – es war das Ende einer fatalen Außenpolitik Österreich-Ungarns.
Der Balkan war das Pulverfass Europas, dort war dem Kaiserreich ein gefährlicher Gegner erwachsen: Serbien. Seit geraumer Zeit auf erfolgreichem Expansionskurs (in den letzten beiden Jahren hatte es in den zwei Balkankriegen sein Territorium verdoppelt) und militärisch auf dem neuesten Stand hatte es mit Russland auch noch eine mächtige Schutzmacht hinter sich. Der Antagonismus zu Österreich ging auf die Frage der Provinzen Bosnien-Herzegowina zurück. Diese hatte sich Österreich-Ungarn 1908 einverleibt – im diplomatischen Jargon sprach man von »Annexion« –, nachdem man die Provinzen 30 Jahre für das Osmanische Reich verwaltet hatte.
Für Serbien, das sich stets als Schutzmacht sämtlicher Südslawen betrachtet hatte und an einer Einigung aller südslawischen Völker unter serbischer Führung arbeitete, war die Annexion ein Affront. Ein Krieg konnte diplomatisch damals noch knapp verhindert werden, doch von jetzt an folgte eine Krise auf die andere. Österreich mobilisierte alle paar Monate unter großen Kosten Teile seiner Armee, Serbien gab im letzten Moment nach, breitete sich aber inzwischen auf dem Balkan weiter aus. In Wien stieg die Irritation über den unruhigen Nachbarn.
Ende Juni 1914 brach Thronfolger Franz Ferdinand also nach Bosnien auf. Er wollte Manöverübungen besuchen, schließlich war er »k. u. k. Inspektor der gesamten bewaffneten Macht«. Begleitet wurde er von seiner Frau, Herzogin Sophie von Hohenberg. Das Verhältnis zwischen Kaiser Franz Joseph und Franz Ferdinand, der nach dem Selbstmord Kronprinz Rudolfs zum nächsten Thronanwärter aufgerückt war, gestaltete sich schwierig. Der alte Kaiser hielt den Neffen von der Politik fern, doch Franz Ferdinand mischte sich hinter den Kulissen immer wieder ein. Von den künftigen politischen Plänen des Thronfolgers sprach man auch in Serbien. Sollte Franz Ferdinand Kaiser werden, würden die Südslawen der Donaumonarchie zu einem dritten Reichsteil – neben Österreich und Ungarn – erhoben werden. Das sollte sie immun machen gegen die Verlockungen des Erzfeindes Serbien.
Die Reise des Thronfolgers wurde von serbischen Nationalisten als Provokation aufgefasst. Der offizielle Empfang Franz Ferdinands in Sarajevo wurde für den 28. Juni 1914 festgelegt. Es gab Warnungen vor möglichen Attentaten, doch die Vorbereitungen der k. u. k. Behörden zum Schutz des Thronfolgers waren völlig unzulänglich – das haben nachträgliche Untersuchungen ergeben.
Thronfolger Franz Ferdinand
Als Erzherzog Franz Ferdinand erschossen wurde, war er 50 Jahre alt. Zum Zeitpunkt seiner Geburt deutete nichts darauf hin, dass er einmal Kaiser Franz Joseph auf den Thron folgen sollte. Franz Ferdinand war der Neffe des Kaisers, nach dem Tod von Kronprinz Rudolf wurde er der nächste Thronanwärter.
Das Verhältnis zwischen Kaiser Franz Joseph und Franz Ferdinand war gespannt. Vor allem über die morganatische Heirat des Thronfolgers konnte der Kaiser nicht hinwegsehen. Franz Ferdinand hatte die Ehe mit der böhmischen Gräfin Sophie Chotek durchgesetzt und damit gegen die habsburgischen Ehegesetze verstoßen. Protokollarische Schwierigkeiten und Kränkungen durch den Wiener Hof führten zu einem Rückzug des Thronfolgers. Im kaiserlichen Schloss Belvedere baute Franz Ferdinand seinen persönlichen Hofstaat und sammelte einen Kreis, bestehend aus seinen Vertrauten, um sich. Für seine künftige Herrschaft hatte Franz Ferdinand umfassende Reformen im Sinn. Der Thronfolger galt als Gegner der Kriegspartei unter den Militärs – doch ausgerechnet sein Tod sollte den Kriegstreibern einen Vorwand für den lang herbeigesehnten Schlag gegen Serbien bieten.