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Universitäten um die Wende vom 20. ins 21. Jahrhundert (1990–)

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Die Universität wird seit 1990 mehr und mehr von marktwirtschaftlichen Tendenzen bestimmt. Demnach wird sie nach ökonomischen Leitlinien geführt, und ihre Qualität wird nach einer ökonomischen Skala beurteilt. Laut Nida-Rümelin (2010) wird sie zunehmend zur Berufsakademie, die nach Marktlücken sucht und sich an möglichen Berufsfeldern orientiert. Studienangebot, Studierendenzahlen, durchschnittliche Studienzeit, Rankings intra- und internationaler Art und damit verbundene Hoffnungen auf Chancen auf dem Arbeitsmarkt, Erfolg bei Drittmittelanträgen, Forschungsausweis, internationale Kooperationen etc. gelten als Qualitätskriterien. Finanziell müssen sich die Universitäten für gewöhnlich wie privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen ausweisen, auch wenn sie gewisse Anteile von der öffentlichen Hand erhalten.

In Übereinstimmung mit der Tendenz, international wettbewerbsfähig zu sein und der Dienstleistungsorientierung zu entsprechen, wurden 1998 an der Pariser Universität Sorbonne supranationale Kooperationen vereinbart. Die Bildungsminister aus Italien, Frankreich, Deutschland und dem Vereinigten Königreich erklärten, man wolle das enorme Potenzial an den europäischen Hochschulen besser nutzen und die Zusammenarbeit verbessern. Studierende und wissenschaftliches Personal müssten deshalb innerhalb Europas mobil und die jeweiligen Abschlüsse vergleichbar und gegenseitig anerkannt sein. Die sogenannte Sorbonne-Erklärung1 wurde 1999 in Bologna weiterentwickelt. Es bekannten sich bereits 30 europäische Staaten zum Ziel, bis zum Jahr 2010 einen gemeinsamen Hochschulraum zu schaffen. Es folgten zahlreiche Konferenzen, an denen sich immer mehr Staaten beteiligten und sich der Bologna-Reform2 verpflichteten. Zurzeit3 sind es 48 an der Zahl, die gemeinsam für Ziele zur Errichtung des europäischen Hochschulraums und zur Förderung der europäischen Hochschulen weltweit einstehen.

An den Universitäten der beteiligten Länder brachten diese Bestrebungen verschiedene Veränderungen mit sich. Dazu gehören ein einheitliches Leistungspunktesystem zur Förderung grösstmöglicher Mobilität aller an der Universität beteiligten Akteure, vergleichbare Abschlüsse (Bachelor und Master) zur Erlangung einer arbeitsmarktrelevanten Qualifikation, verstärktes europaweites Zusammenarbeiten im Hinblick auf die Erarbeitung vergleichbarer Kriterien und Methoden zur Qualitätssicherung und im Hinblick auf die Entwicklung von Curricula.

In der Schweiz sind in dieser Phase drei Universitäten zu erwähnen.

Die Hochschule St. Gallen für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften erhielt 1995 den offiziellen Universitätsstatus. Ihre Aktivität geht aber aufs Jahr 1898 zurück, als eine Akademie für Handel, Verkehr und Verwaltung gegründet wurde. Die Verkehrskomponente wurde nur sechs Jahre später abgelegt und die Handelskomponente verstärkt (Burmeister & Universität 1998). Somit lag in St. Gallen der Fokus bereits in den Anfängen auf der Ausbildung der Kaufleute für den Welthandel. 1938 erhielt die Institution das Recht auf Verleihung akademischer Grade. Vier Jahrzehnte später kam eine juristische Abteilung hinzu. 1995 wurde die Handeslshochschule zur Universität erhoben. Sie gilt im Wirtschaftsbereich über die Landesgrenzen hinaus als führend. Dementsprechend international ist auch ihre Studentenschaft.

Weiter sind zwei Neugründungen zu verzeichnen. 1996 wurde in der italienischsprachigen Schweiz, dem Tessin, die erste tertiäre Bildungsinstitution gegründet, die Università della Svizzera Italiana (USI). Ihr nun rund 20-jähriges Bestehen hat eine längere, von erfolglosen Gründungsversuchen geprägte Vorgeschichte. 1844 scheiterte ein Projekt, das der Ausbildung zukünftiger Eliten des jungen Kantons hätte dienen sollen. Anfangs des 20. Jahrhunderts wurden universitäre Gründungsprojekte wieder aufgegriffen; diesmal stand die Verteidigung der „Italianità“ im Vordergrund. In der Zwischenkriegszeit kämpften Tessiner, die antifaschistisch eingestellt waren, für eine Universität. In den 70er-Jahren wurde im Tessin erneut diskutiert, endlich eine lokale Universität zu schaffen. Erst 1995 wurde ein Gesetz geschaffen, welches erlaubte, Plänen zur Gründung einer Architekturakademie in Mendrisio und zweier Fakultäten, einer der Wirtschafts- sowie einer der Kommunikationswissenschaften, in Lugano entgegenzukommen und diese zu einer Universität zu vereinen. 1996 wurde die Universität eröffnet. Ihre Studentenschaft stammt mehrheitlich aus dem nahe gelegenen Italien. Nur rund 25 % sind Studierende aus der Region.

In Luzern wurde im Jahr 2000 die Universität Luzern eröffnet. Wie eingangs erwähnt, geht die Vermittlung höherer theologischer Bildung in Luzern auf das 16. Jahrhundert zurück, in welchem das Jesuitenkollegium entstanden war. Dieses zur Akademie auszubauen gelang nicht. Die Tatsache, dass es schon die katholische Universität Freiburg gab, war diesem Projekt nicht dienlich. Weitere Ideen, wie etwa diejenige einer katholischen Universität mit Sitzen in Luzern sowie Freiburg oder aber die einer konfessionsneutralen Zentralschweizer Universität scheiterten. Ab 1973 anerkannte der Bundesrat die theologische Fakultät als beitragsberechtigt. Später ergab sich aus der Kombination des philosophischen Instituts mit dem historischen Lehrstuhl die geisteswissenschaftliche Fakultät. Eine politische Volksabstimmung im Jahr 2000 verhalf schliesslich dazu, die universitäre Hochschule zur Universität anzuheben, die eine theologische, eine rechtswissenschaftliche, eine kultur- und sozialwissenschaftliche und ab Herbst 2016 auch eine wirtschaftswissenschaftliche Fakultät umfasst.

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